Abhöraffäre: Polens Premier Tusk stellt im Parlament die Vertrauensfrage

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Minsterpräsident Donald Tusk im Sejm, Fot. M. ?miarowski/KPRM CC BY-NC-ND 2.0

Nun ist sie da, die große Regierungskrise in Polen.:Tönte es gestern seitens der Regierungsseite, personelle Konsequenzen seine derzeit überflüssig, wurde der Druck auf die Regierung nun doch so groß, dass Ministerpräsident Donald Tusk nun selbst die Vertrauensfrage stellt und somit einem konstruktiven Misstrauensvotum durch die Oppositionsparteien zuvor kam. Die Oppositionsparteien hatten den Rücktritt der Regierung gefordert, doch lehnte Donald Tusk dies ab und sprach von einem Versuch eines Staatsstreichs.

Am Nachmittag fand im polnischen Parlament Sejm eine Debatte über die Abhöraffäre statt, die ihren Anfang in den Veröffentlichungen des Nachrichtenmagazins Wprost gefunden hatte. Da deutlich war, dass die Opposition ein konstruktives Misstrauensvotum stellen würde, trat Tusk die Flucht nach vorn an. Donald Tusk forderte das Parlamentspräsidium auf, möglichst eine Vertrauensabstimmung anzusetzen. Die Regierung könne nun nicht mehr effizient arbeiten und die Belange des Staates nicht mehr ausreichend wahrnehmen, begründete Tusk diesen Schritt. Er müsse auf dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel die Gewissheit haben, dass seine Regierung noch das Mandat und die Mehrheit im Parlament habe. Der Ältestenrat des Sejms beschloss, die Vertrauensabstimmung noch am Abend gegen 22 Uhr durchzuziehen.

 

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Tusk führte aus bei seiner Antragsbegründung aus, es gäbe die illegalen Aufzeichnungen von Politikergesprächen womöglich schon seit eineinhalb Jahren. Sie beträfen womöglich Dutzende oder gar Hunderte Personen. Hintergrund der Affäre sei vermutlich ein Kohlehandel im großen Stil, aber auch die deruzeitige Situation in der Ukraine und in Europa. Er wisse noch nicht, in welchem Alphabet das Szenario (der Affäre) geschrieben wurde, aber er wisse durchaus, wer der Nutznießer von Chaos im polnischen Staat sein könnte, erklärte Tusk.

Inzwischen wurde durch Berichte polnischer Medien bekannt, dass ein polnischer Multimillionär verhaftet worden sei, der massenweise billige Kohle aus Russland importiert habe um sich für staatliche Beschränkungen zum Schutz polnischer Kohle zu rächen,

Polnische Medien hatten berichtet, im Zusammenhang mit der Affäre sei ein polnischer Multimillionär festgenommen worden, der günstige russische Kohle importiert habe und sich für staatliche Beschränkungen rächen wollte, die die heimische Kohle schützen sollten. Die Staatsanwaltschaft hat bisher keine Angaben zu den Festgenommenen gemacht.

Tusk hat richtig spekuliert und mit seiner überraschenden dringlich angesetzten Vertrauensfrage die uneinige Opposition auf dem falschen Fuß erwischt. So war es keine Überraschung, dass Tusk und seine Regierung aus Bürgerplattform PO sowie Bauernpartei PSL die Abstimmung ziemlich glatt überstanden haben und das Vertrauen der Parlamentsmehrheit erhielt. Tusk und die amtierende Regierung erhielten 237 von 440 Abgeordnetenstimmen, also mehr als die erforderliche absolute Mehrheit der Stimmen und auch mehr als die Koalitionsmehrheit von 235 Stimmen, 203 Abgeordnete stimmten gegen die Regierung. Es gelang Tusk die Koalitionsabgeordneten hinter sich zu bringen. Dazu stimmten auch einige fraktionslose Abgeordnete und der Vertreter der deutschen Minderheit in Polen das Vertrauen aus.

Mit diesem geschickten Schachzug hat Tusk gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen, er hat die Opposition ausmanövriert, ist wieder handlungsfähig und kann mit breiterer Brust zum EU-Gipfel reisen. Letztlich aber hat er sich nur Zeit verschafft, denn es bleibt vor allem die Unsicherheit, was in dieser Abhöraffäre noch alles passiert. Nutzt er seinen gerade gewonnenen Handlungsspielraum nicht, gibt es wieder keine Konsequenzen auf Regierungsseite, keine Anstrengungen sie Affäre und die Hintermänner auf Hochtouren aufzuklären, könnte diese Zeit sehr schnell aufgebraucht sein. Dann bliebe nur noch eine Konsequenz: Rücktritt und Neuwahlen.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".