Buchvorstellung: „Polen: Czarna Hancza – Biebrza“

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Cover Czarna Hancza - BiebrzaPolens wilder Nordosten ist ein Paradies für Kanuten, paddelt man dort doch noch immer in unberührten Landschaften. Das gilt ganz besonders für die Czarna Hancza und die Biebrza. Diesen beiden Flüssen in Polens äußerstem Nordosten, der auch als „Grüne Lunge“ des Landes gilt, widmet sich das Outdoor-Handbuch aus dem Conrad Stein Verlag „Polen: Czarna Hancza – Biebrza“ von Frank Meyer-Fembach und Lydia Marhoff, das im April 2012 in einer Neuauflage erschienen ist.

Es macht Sinn, beide Flüsse in einem Outdoor-Handbuch zu beschreiben, denn man kann sie sich entweder einzeln erpaddeln – sogar abschnittsweise – oder als zusammenhängende Route. Diese führt dann vom Einsetzpunkt Stary Folwark am Wigry-See über die Czarna Hancza, den Kanal Augustowski, dann weiter auf der Biebrza bis zu Bug, Narew und weiter zur Weichsel.

Die Route im überaus dünn besiedelte Region im Dreiländereck Polen, Weißrussland und Litauen führt durch Naturschutzgebiete sowie durch den Wigry- und den Biebrza-Nationalpark. Vom Schwarzstorch, über Elche und Wisente bis hin zum Wolf kann man dort auf in Europa selten gewordene Tiere treffen.

Der Aufbau des Buches Polen: Czarna Hancza – Biebrza“ von Frank Meyer-Fembach und Lydia Marhoff geht vom Allgemeinen zum Speziellen, beginnt mit den Reise-Infos von A bis Z und geht von der Landeskunde und die beiden Nationalparks über zur Tourenplanung. Schließlich kommen die Autoren zum eigentlichen „Tourenführerteil“, der Routen und Etappen beinhaltet und gut 80 Seiten umfasst. Dieser Teil ist dem Routenverlauf, so wie man ihn denn paddeln würde folgend aufgebaut. Er beginnt mit Suwalki und dem Wigry-See, führt über die Czarna Hancza, den Kanal Augustowski, Ausgustow und die Biebrza bis hin zu deren Nebenflüssen. Das Buch beschließen ein kleiner Sprachführer und der nützliche Index.

Die Routenbeschreibungen sind logisch aufgebaut, zutreffend und so aktuell, wie ein gedruckter Reiseführer sein kann. Insgesamt umfasst der Band 160 Seiten im Format 16,5 x 11,5 cm, passt also in die Gesäßtasche der Jeans.

So weit, so gut. Doch hat das Buch auch Schwächen. Ein Teil davon ist „systemisch“ bedingt und liegt in erster Linie am Format: Die Karten sind so klein, dass ich eine Lupe brauche, um etwas zu erkennen. Das nützt mir im Boot nicht viel. Vor allem, wenn man die vwerwunschenen, naturbelassenen Gewässer dieser Region kennt. Da kann man solche Details wie versteckte Durchfahrten nur schwer finden. Man braucht also definitiv Karten, die im Buch vorhandenen taugen bestenfalls zur Törnvorbereitung. Das ist aber kein Problem, so etwas bekommt man sowohl in Suwalki, als auch in Augustow an vielen Kiosken, in jeder Buchhandlung und so mancher stacja wodna der PTTK. Selbst deutschsprachige Broschüren findet man sowie Kartensets mit wasserfestem Einband.

Hier ein paar Beispiele:
Marek Kwaczonek: Czarna Hancza – przewodnik dla kajakarzy, Wydawnictwo Pascal
Litynski Marek: Czarna Hancza i Rospuda Oficjalny przewodnik kajakowy PTTK i PZKaj.
Sleszynski, Marek Darmochwal, Tomasz Ruminski, Marek Jacek : Polska Polnocno-Wschodnia. Przewodnik kajakowy

Zu den Stärken des Buchs gehören die Routenbeschreibungen. Man merkst, dass die Autoren erfahrene Kanuten sind. Doch sobald es ins allgemein Landeskundliche übergeht, häufen sich die Fehler, besonders wenn es in Richtung Geschichte geht.

Die Einschätzungen zur polnischen Landswirtschaft kann ich so nicht nachvollziehen. Bereits im ersten Jahr der polnischen EU-Mitgliedschaft haben sich die Einkommen der Landwirte – auch der Kleinbauern – um rund ein Drittel erhöht. Inzwischen zählt Polens Landwirtschaft zu den EU-Ländern mit der ökologischsten Landwirtschaft, die Produkte wurden zum Exportrenner. Dass es Landwirte im Nordosten Polens nicht mehr gibt, wie es das Buch auf S.12 forsch behauptet, war mir neu. Zahlen vom Polnischen Statistischen Hauptamt GUS können auf dem Portal der Woiwodschaft Podlachien nachgelesen werden. Sie kommen zu diesem Ergebnis: In der Woiwodschaft Podlachien ist seit 1996 die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe insgesamt nur um 4,5% gesunken, die Zahl der Kleinbauern mit Flächen bis zu 5 ha ist seit 1996 sogar von 38,4% auf 43,3% gestiegen.

Man merkt in diesen Kapiteln, dass das Buch schon 2000 erstmals erschien, die rasanten Entwicklungen der letzten zwölf Jahre sind kaum erwähnt. Übrigens: Das Einkommen der polnischen Landwirte erhöhte sich bereits im Beitrittsjahr 2004 um ein Drittel, auch das der Kleinbauern.

Wie man dazu kommt Göring auf S. 139 im Kasten über die Rominter Heide als „Reichsjagdminister“ zu bezeichnen erschließt sich ebenfalls nicht. Ein solches Ministerium gab es nicht. Göring war zunächst Minister ohne Geschäftsbereich später Luftfahrtminister. Hier gemeint ist wohl seine 1934 angetretene Stellung als Reichsforstmeister, Reichsjägermeister ( so wurde er spöttisch in Anlehnung an das alkoholische Getränk genannt) und oberster Beauftragter für den Naturschutz.

Gleich auf der nächsten Seite folgt die Geschichte über den Kleinen Dobellus (Jez. Stanczyki) der „explodiert“ sei. Hübsch, aber nicht haltbar. Dabei hätte schon ein Blick auf Wikipedia geholfen. Dort steht die allerdings weit weniger spektakuläre Geschichte.

Ganz in Schieflage kommt die Darstellung der Geschichte auf S. 28. Es beginnt schon mit der frühen Besiedlung durch das slawische Volk der Jatwinger. Das ist – mit Verlaub – Blödsinn. Die auch Sudauer genanntenJatwinger waren ein prussischer Stamm und somit Westbalten, die den Litauern verwandt sind. Im Reich des Herzogs Konrad von Masowien wurden sie in polnischen Quellen auch Polexiani genannt. Der Sudauerfürst Skomand leistete als letzter Prussenherrscher bis 1283 dem Deutschen Orden Widerstand und ließ sich als letzter Anführer taufen.

Weiter heißt es, die Sudauer wurden bis 1283 vom Deutschen Orden im Zuge der Ostkolonisation ausgelöscht oder assimiliert. Diese Art der Geschichtsdarstellung ist nun seit gemeinsamer Schulbuchkommission, der nun in Deutschland und Polen gleich geschriebenen Geschichte und Historikern wie u.a. Andreas Kossert oder Piotr Madajczak etc. seit mittlerweile zwanzig Jahren eine Anachronismus. Solche Darstellungen gehören in die Zeit der Gegenseitigen Geschichtsverbiegungen. Der Orden wurde von Herzog Konrad von Masowien 1226 zu Hilfe gerufen, weil er der dauernden Überfälle der prussischen Stämme nicht mehr Herr wurde. Nicht nur der deutsche Kaiser Friedrich II., auch Konrad von Masowien garantierte dem Orden die Hoheit über die zu erobernden Gebiete, die ihm gar nicht unterstanden. Die Ostsiedlung konnte erst nach der Etablierung eines Staatsgebildes beginnen. Der Deutsche Orden warb aber für seinen Ordensstaat auch polnische Siedler in großer Zahl an. Das Bild der Ostsiedlung des Hochmittelalters ist heute ein anderes, als solche Schlagworte wie Kolonisation es ausdrücken. Die nationalistische Betrachtungsweise gibt es heute nicht mehr, heute nennt man den Vorgang, der nicht ethnisch geprägt war „hochmittelalterliche Ostsiedlung“.

Man könnte noch etliche Punkte des schwammigen Geschichtsbildes bekritteln, nur noch ein Beispiel von S.29: „Es finden sich viele Zeugnisse der Erhebung der Polen gegen ihre Besatzer, wie der Aufstand von 1830, in dem sich polnische Truppen vergeblich mit den napoleonischen Einheiten gegen die zaristische Armee verbündeten. Polen wurde russische Provinz“ Diesen Abschnitt verstehe ich überhaupt nicht.

Die Tatsachen. Im Jahr 1830 kam es in Polen sowie in Frankreich, Belgien und Italien zu Aufständen, in Polen wurde daraus der Polnisch –Russische Krieg von 1830-31, der nationale Selbstständigkeit zum Ziel hatte, eine Regierung unter Fürst Czartoryski erklärte den Zaren für abgesetzt. In Frankreich wollte der Juliaufstand die Herrschaft der Bourbonen endgültig brechen. Mit Napoleon hatten sie aber nichts zu tun. Das Kapitel hatte der Wiener Kongress 1815 geschlossen und Kongresspolen gegründet mit dem Zaren als Oberhaupt in Personalunion. Die Geschichte der napoleonischen Grande Armee endete mit der Schlacht von Waterloo 1815.

Mein Fazit: es gibt im deutschsprachigen Raum ohnehin keine brauchbare Alternative, und wird das Buch als reinen Routenführer nutzt ist gut bedient. Für ein zutreffenderes Geschichtsbild und eine aktuelle Landeskunde sollte man sich einen richtigen Reiseführer eines renommierten Verlags dazukaufen und natürlich Kartenmaterial in brauchbarer Größe.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".