Orthodoxe Holzkirchen zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt

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Zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt: Orthodoxe Holzkirchen in Südpolen, Foto: Polnisches Fremdenverkehrsamt

Eine Route der Holzarchitektur führt durch den Südosten Polens. Folgt man ihr, tritt man eine Reise in eine andere Welt an, in der die Zeit langsamer voranschreitet. Im Hügelland Roztocze und im Karpatenvorland, im äußersten Südosten Polens, liegen die acht orthodoxen Kirchen, die jetzt von der UNESCO zum neuen Welterbe gekürt wurden. Acht weitere befinden sich nur wenige Kilometer entfernt, jenseits der Grenze in der Ukraine. Gemeinsam bilden sie ein jahrhundertealtes Kulturerbe dieser ländlichen Grenzregion zwischen West- und Ostslawen, zwischen Katholizismus, Orthodoxie und Judentum.

Die orthodoxen Gotteshäuser werden in Polen „cerkiew“ genannt, was etwa wie „zerkjef“ ausgesprochen wird. Schon von weitem sehen sie märchenhaft anders aus, die hölzernen Bauwerke mit ihren mal spitzen, mal kugelrunden Aufbauten und Türmchen. Besucher erleben eine ganz eigene Architektur, die sich in dieser Form nur hier im nördlichen Karpatenbogen findet. Dabei spiegelt sich in den kleinen Gotteshäusern durchaus das eine oder andere Vorbild aus den großen östlichen Metropolen wider. Nur kleiner, dörflicher und eben vollkommen aus Holz sind diese. Im Inneren der oftmals schlicht anmutenden Kirchen erwarten das Auge überraschend prachtvolle, farbenfrohe Ikonostasen und Wandmalereien. So sind die orthodoxen Kirchen auch heute noch ein Erlebnis für alle Sinne. Baukunst, Malerei und eindrucksvolle Skulpturen vermischen sich mit dem Duft uralter Balken und Bretter, mit Weihrauch und dem frischen Wind aus den Bergen.

Der nördliche Karpatenbogen und seine Vorgebirgslandschaften stellten auch auf dem Gebiet des heutigen Polen jahrhundertelang den Lebensraum der mehrheitlich orthodoxen Bevölkerungsgruppen der Ukrainer, Lemken und Bojken dar. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten sie fast alle ihre Heimat verlassen, sahen die neuen Machthaber in ihnen doch Anhänger separatistischer Bestrebungen. Während der „Aktion Weichsel“ wurden die meisten Bewohner in die ehemaligen deutschen Ostgebiete oder in die damalige Sowjetunion umgesiedelt. Nur wenigen gelang es, in ihrer alten Heimat zu bleiben, oder nach einigen Jahren wiederzukehren. Daher werden viele der ehemals orthodoxen Kirchen heute als römisch-katholische Gotteshäuser genutzt.

Wer die Schönheit des neuen Welterbes entdecken möchte, beginnt von Westen kommend in der Woiwodschaft Malopolska (Kleinpolen). Dort an der Grenze zur Slowakischen Republik befindet sich die Hälfte der acht UNESCO-Kirchen. Die Kirche des Apostels Jakob des Jüngeren in Powróznik, heute ein katholisches Gotteshaus, wurde um 1600 erbaut. Das dreiteilige Gebäude, dessen Turm von einer Zwiebelspitze bekrönt wird, ist von schlanken, hohen Bäumen umgeben. Die polychrome Malerei in der Sakristei stammt aus dem Jahr 1637 und zeigt Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, die barocke Ikonostase aus dem 17. Jahrhundert. Die Jakobus-Kirche liegt auf halber Strecke zwischen den beiden Kurorten Muszyna und Krynica-Zdrój und ist das älteste Beispiel für den Baustil der westlichen Lemken.

Lemkischen Ursprungs ist auch die Erzengel-Michael-Kirche im ebenfalls unweit von Krynica-Zdrój gelegenen Brunary Wyzne. Das 1797 erbaute Gotteshaus dient heute als Marienkirche der römisch-katholischen Gemeinde. Die dreiteilige Kirche ist von zwei Zwiebeltürmchen bekrönt. Im Inneren beeindrucken Wandmalereien aus barocker und klassizistischer Zeit die Besucher. Die ursprünglich barocke Ikonostase wurde 1831 neu gestaltet. Rund 14 Kilometer weiter östlich liegt das Dorf Kwiaton. Dort befinden sich gleich zwei orthodoxe Kirchen. Auf die UNESCO-Liste hat es aber nur die ursprünglich griechisch-katholische Kirche der Heiligen Paraskevi geschafft, die heute als römisch-katholische Filialkirche dient. Das dreiteilige Gotteshaus aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts besitzt einen besonderen optischen Reiz. Von der höchsten Stelle, dem Turm, fällt das Gebäude stufenartig ab, wobei die Dächer von Hauptschiff und Sakristei ebenfalls pagodenartig gestuft sind. Bekrönt werden die drei Teile jeweils von einem Zwiebelturm. Die Ikonostase schuf um 1905 der bekannte Maler Michal Bogdanski. Eine Augenweide ist der Altar aus dem 19. Jahrhundert mit seinen gewundenen, ornamentierten Holzsäulen und einem Sternenhimmel.

Die letzte Kirche auf dem Gebiet der Woiwodschaft Kleinpolen befindet sich im rund 25 Kilometer nördlich gelegenen Owczary. Die 1653 erbaute Kirche der Obhut Mariens besitzt eine ähnlich gestaffelte Architektur wie das Gotteshaus in Kwiaton. Umgeben wird sie von einer niedrigen Feldsteinmauer, in die ein steinerner Torturm eingelassen ist. Erhalten geblieben ist die mit reichen Goldverzierungen versehene Barock-Ikonostase aus dem 18. Jahrhundert.

In der Woiwodschaft Podkarpackie (Vorkarpatenland) können Besucher die anderen vier Kirchen  erleben, die seit Juni zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Sie unterscheiden sich äußerlich etwas von den kleinpolnischen Denkmälern. Rund 20 Kilometer von der Grenze zur Slowakischen Republik entfernt liegt das Örtchen Turzansk. Die griechisch-katholische Erzengel-Michael-Kirche wurde 1801-1803 über dem Grundriss eines Kreuzes errichtet und dient heute der polnischen autokephalen orthodoxen Kirche als Gotteshaus. Hübsch anzusehen sind die Dachreiter aus einfachen oder doppelten Zwiebeltürmchen. Der hölzerne Turm wurde 1817 errichtet und besitzt ebenfalls einen zwiebelförmigen Aufsatz. Die klar strukturierte Ikonostase stammt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Ikonen wurden 1895 geschaffen. Die polychromen Wandmalereien zeigen Szenen der Christianisierung der Kiewer Rus.

Etwa 80 Kilometer weiter östlich, kurz vor der ukrainischen Grenze, liegt Smolnik. Die kompakt wirkende Erzengel-Michael-Kirche im Ort ist ein typisches Beispiel für die Baukunst der dortigen Bojken. Sie wurde 1791 an der Stelle eines hundert Jahre zuvor von den Tartaren zerstörten Vorgängerbaus errichtet. Eindrucksvoll sind die drei turmartigen Baukörper, die im unteren Drittel von einem umlaufenden Vordach eingefasst werden. Von der ursprünglichen Einrichtung der heute römisch-katholischen Filialkirche finden sich vor Ort lediglich Wandmalereien aus dem späten 18. Jahrhundert. Die übrigen Einrichtungsgegenstände wurden aus verschiedenen orthodoxen Kirchen der Umgebung zusammengetragen. Die Erzengel-Michael-Kirche gilt allerdings unter architektonischem Aspekt als das besterhaltene Beispiel bojkischer Sakralbaukunst in ganz Polen.

Weiter geht es in den Norden der Woiwodschaft. Im Sandomierz-Becken sowie in der Hügellandschaft Roztocze befinden sich die beiden letzten orthodoxen Kirchen des neuen UNESCO-Welterbes, jeweils in unmittelbarer Nähe der ukrainischen Grenze. Die Kirche der Geburt der Allerheiligsten Muttergottes in Chotyniec wurde wahrscheinlich um 1600 errichtet. Vom Aufbau her gleicht sie der Erzengel-Michael-Kirche in Smolnik, mit dem Unterschied, dass sie vier Bauteile besitzt. Eindrucksvoller als in Smolnik sind die drei großen Holzkuppeln, die sich über den Hauptbaukörpern erheben. Auch das Innere des Gotteshauses beeindruckt die Besucher. Besonders schön sind die polychromen Wandmalereien aus dem 18. Jahrhundert mit einer Darstellung des Jüngsten Gerichts. Erhalten geblieben ist auch die Ikonostase, die auf 1671 datiert wird. Die reich verzierte fünfgeschossige Ikonenwand beherbergt ein Marienbild, dem wundertätige Kräfte nachgesagt werden.

Die 60 Kilometer weiter nördlich gelegene und um 1583 errichtete Kirche der Heiligen Paraskevi in Radru? diente nicht nur religiösen Zwecken. Die ganze Anlage mit der Kirche, einem Friedhof sowie einem massiven Holzturm wird von einer Feldsteinmauer mit zwei Toren umgeben. In früheren Zeiten fand die umliegende Bevölkerung in diesem Wehrbau Schutz vor herannahenden Angreifern. Die Kirche selbst gilt als älteste griechisch-katholische Holzkirche in Polen. Das auf einer Anhöhe gelegene Gotteshaus trägt spätgotische Züge und besteht aus drei Bauteilen mit mehrstufigen Dächern. Die Paraskevi-Kirche gehört heute zum Museum der polnischen Ostrandgebiete „Kresy“ in Lubaczów, die das historische Gebäude in den vergangenen Jahren restaurierte. Von bestechender Schönheit sind die reich verzierte Ikonostase aus dem 17. Jahrhundert sowie die beiden Seitenaltare, die Ende 2012 aus der Ikonensammlung von Schloss Lancut nach Radru? zurückkehrten.

Alle acht orthodoxen Holzkirchen sowie die ebenfalls als UNESCO-Welterbe geschützten katholischen Holzkirchen im Südosten Polens sind Stationen des „Szlak Architektury Drewnianej“. Die Touristenroute der Holzarchitektur verläuft durch insgesamt vier Woiwodschaften. Auf über 3.000 Kilometern in den Woiwodschaften Podkarpackie, Malopolskie, Swietokrzyskie (Heiligkreuz) und Slaskie (Schlesien) vereint sie mehrere Hundert Denkmäler hölzerner Baukunst, beispielsweise Kirchen, Mühlen, Wohn- und Gutshäuser. Auf ukrainischer Seite gehören acht Kirchen zum neuen UNESCO-Welterbe. Sie befinden sich in den Oblasten Lwiw, Iwano-Frankiwsk sowie Transkarpatien.

Informationen über die Route der Holzarchitektur in der Woiwodschaft Ma?opolskie unter www.drewniania.malopolska.pl

Quelle: Polnisches Fremdenverkehrsamt

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1606 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".