Polen: Amber Gold Affäre zieht Kreise.

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Website-Screenshot der Amber GoldWas Ende Juli zunächst nach der Pleite der Billigfluglinie OLT aussah, zieht nun immer weitere Kreise und ist nun plötzlich und unerwartet bei Regierungschef Donald Tusk angekommen.

Der Untergang des Billigfliegers OLT Express Regionalny

Alles begann am 27. Juli mit der Meldung, dass der polnische Billigflieger OLT Express Regionalny habe nach nur vier Monaten Flugtätigkeit – wie es zunächst aussah ganz überraschend – den Betrieb eingestellt. Der Ticketverkauf wurde beendet, alle Linienflüge wurden gecancelt. Wie die Sprecherin der polnischen Luftfahrtbehörde ILC Katarzyna Krasnodebska am 30. Juli mitteilte, habe man der OLT die Konzession wegen der finanziellen Schwierigkeiten entzogen. Am Tag darauf musste die OLT auch die Charterflüge einstellen, 600 polnische Touristen strandeten in ihren Urlaubsorten. OLT-Vorstandsvorsitzender Jaroslaw Frankowski kündigte an, den Insolvenzantrag für OLT Express Regionalny zeitnah stellen zu wollen, was inzwischen geschehen ist.

Die Hausbank habe der Amber Gold sämtliche Konten und Kreditlinien gekündigt, bestätigte OLT-Chef Frankowski, eine neue Bank habe man so schnell nicht gefunden, daher sei der Geldfluss unterbrochen. So konnten auch keine Gelder an die OKLT fließen, begründete Frankowski die Betriebseinstellung. Inzwischen wurden alle Flugzeuge an die Leasinggesellschaften zurückgegeben.

Lange schon wunderten sich Branchenkenner über das OLT-Gebahren, deren ambitionierte Pläne sie als überzogen ansahen. Der Wirtschafts- und Luftfahrtexperte Michal Beim vom Sobieski-Institut urteilte, es habe bei OLT zu viele nicht gewinnbringende Routen gegeben, auf denen die Flughäfen einfach zu dicht beieinander lagen. Solche Routen wie Posen-Breslau (180 km) wurden zwar rasch wieder aufgegeben, doch seien noch immer zu viele defizitäre Verbindungen übrig. Als zweiten Pleitegrund sehen Luftfahrtexperten den ruinösen Preiskampf mit der nationalen Fluglinie LOT, dem Platzhirsch unter Polens Carriern.

Amber Gold – Ein zwielichtiger Investor

Nur wenig später kam der Airlinecrash auch bei der deutschen Schwesterfirma OLT in Bremen an, denn der Investor Amber Gold hatte angekündigt, sich aus dem Luftfahrtgeschäfte zurückziehen zu wollen. Der polnische Investor hatte die ins Trudeln geratene OLT (Ostfriesische Lufttransport) erst 2011 vor dem Untergang gerettet, nach dem ein wichtiger Kunde zu Germanwings gewechselt war. In Bremen handelte man schnell und war froh, nach wenigen Tagen mit Panta Holdings, der holländischen Muttergesellschaft der Denim Air, einen neuen Investor präsentieren zu können.

In Polen warf man nun einen genauen Blick auf die ins Trudeln geratene Amber Gold, eine in Finanzkreisen schon lange als zwielichtig beurteilte Investment- und Finanzdienstleistungsfirma. Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen, von einem guten Ruf kann bei der Amber Gold keine Rede sein. Viele Polen und eine Reihe polnischer Medien fragen sich, warum dieses Unternehmen bisher unbehelligt blieb.

Marcin Plichta – Der wegen Untreue vorbestrafte Amber Gold-Chef

Firmengründer und bis heute Chef der Amber Gold ist der 29-jährige Marcin Plichta, der zu einem der großen Luftfahrt-Mogule Europas werden wollte. Plichta war schon unter dem Namen Marcin Stefanski ins Visier der Behörden geraten. Er ist sogar wegen Veruntreuung mit einer zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten einschlägig vorbestraft. Er hatte mit seiner Firma Multikasa das Geld von 400 älteren Kunden nicht gewinnbringend angelegt, sondern auf eigene Konten umgeleitet.

Stefanski lernte aus dem Desaster. Er nahm den Nachnamen seiner Frau an und hieß nun Marcin Plichta. Dann gründete er Amber Gold, eine Finanzdienstleistungsfirma, mit der er Kleinanlegern irreale Traumrenditen versprach, alles ganz sicher bei Edelmetallgeschäften und Finanzanlagen. Von nun an wurde geklotzt und nicht mehr gekleckert, wie mit Multikasa, wo er rund 40.000 Euro veruntreute. Amber Gold nennt als Größenordnung 50.000 Anleger.

Amber Gold im Visier der Finanzaufsicht

Dann fing Amber Gold an, regionale Fluglinien aufzukaufen und begann sich als Großinvestor zu positionieren. Dabei betonte Amber Gold immer wieder, keine Bank zu sein, wirbt aber bis heute immer wieder mit Banken vorbehaltenen Dienstleistungen. Vor allem für die angeblich 50.000 Anleger ist das misslich, denn sie unterliegen nicht dem Einlagensicherungsschutz, wie es bei Banken der Fall wäre. Im Kleingedruckten bei Amber Gold steht, dass die Einlagen insgesamt nur bis 250.000 Zloty versichert sind und es keine Ausgabegarantie gibt. Die polnische Finanzaufsichtsbehörde KNF betont durch ihren Sprecher Lukasz Dajunowicz, Amber Gold habe keine Lizenz dafür, Gelder von Kunden in Risikogeschäften zu platzieren.

Genau deshalb ermittelt die Staatsanwaltschaft Danzig gegen Amber Gold: Der Vorwurf lautet, Amber Gold verstoße gegen das polnische Bankengesetz. Die Firma nehme Geld an und gewähre Darlehen, was nur Banken dürfen. Finanzexperten sehen im Geschäftsmodell von Amber Gold als klassisches Schneeball- oder Pyramidenmodell. Das bedeute schlicht, dass den letzten Kunden, der darauf hereinfällt, die Hunde beißen, denn das Model funktionier nur so lange, wie immer mehr frisches Geld hineinfließt.

Die überraschende Wende

Im Zuge der Recherchen und Ermittlungen bekam die Amber Gold Affäre, die bis dahin als Affäre eines unseriösen Finanzdienstleisters und Investors sowie Untätigkeit der Finanzaufsichtsbehörden angesehen wurde, bekam eine plötzliche Wendung.

Die Gazeta Polska Codzienny fand heraus, dass Ministerpräsident Donald Tusk über die finanzielle Schieflage von Amber Gold und OLT informiert worden. Die Finanzaufsichtsbehörde KNF hatte detaillierte Informationen an den Ministerpräsidenten, das Innenministerium und das Finanzministerium bereits Anfang 2012 geschickt, noch bevor OLT vor vier Monaten den Betrieb aufgenommen hatte. Das sei einfach ein Riesen-Skandal, man werde dem Ministerpräsidenten zu einer vollen Aufklärung des Falls auffordern, erklärte Marcin Blaszczak, der Fraktionsvorsitzende der oppositionellen nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit PiS.

Doch nicht nur Tusks Untätigkeit ließ die öffentliche Meinung aufwallen, als sich dann auch noch herausstellte, dass Michal Tusk, der Sohn des polnischen Ministerpräsidenten Mitarbeiter von OLT Express war. Seit März dieses Jahres hat Michal Tusk nun einen Job als Mitarbeiter der Danziger Flughafens Lech Walesa. Miteigner dieses Flughafens aber sind mehrheitlich die regionale Selbstverwaltung und andere staatliche Institutionen.

Das sei ein klassischer Interessenkonflikt, sagte der PiS-Abgeordnete Przemyslaw Wipler der Gazeta Polska Codzienna. In einem Interview mit der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, für deren Danziger Redaktion Michal Tusk sieben Jahre als Journalist gearbeitet hatte, erklärte der Sohn des Premiers, man habe ihm diesen Job schon seit Jahren mehrfach nach Artikeln angeboten, die er über Luftfahrtthemen geschrieben hatte. Er habe sich damit als Luftfahrtexperte ausgewiesen.

Für die Opposition ist die Affäre eine Steilvorlage. Kürzlich hatten die PO und Ministerpräsident Donald Tusk die Interessenverquickungen des kleinen Koalitionspartner, der Bauernpartei PSL mit staatlichen Institutionen und deren Postenvergabe an Parteimitglieder gerügt und den Landwirtschaftsminister ausgetauscht. Nun wird eine Welle neuer Postenschiebereien und Vorteilsnahmen befürchtet – diesmal auf Seiten der PO.

Aktualisierung 13.08.2012: Aber Gold ist pleite

Wie die Polnische Nachrichtenagentur PAP meldet, ist die polnische Investmentfirma Amber Gold seit Sonntagabend zahlungsunfähig und hat Konkurs angemeldet.

 Nun stehen Tausende wütende Kunden, die sich betrogen fühlen vor verschlossenen Amber-Gold-Filialen und fordern ihr Geld zurück. Information darüber, was nun mit ihrem bei Amber Gold angelegten Geld wird, haben die Kunden bisher keine erhalten.  Viele Kunden wollen sich zusammantun und eine Sammelklage gegen die bankrotte Investmentfirma erheben.

Mit der Pleite werden auch die Verbindungen von Micha? Tusk, der bei Amber Bold gearbeitet hat und einen neuen Job beim Danziger Flughafen gefunden hat, der von staatlichen Institutionen und damit der regierenden Partei seines Vaters Donald Tusk kontrollliert ob des „Gschmäckles“ der Vorteilsnahme wieder verstärkt hinterfragt. Für die opposition wird die Affäre immer mehr zum gefundenen Fressen.

Besonders hart gong die national-katholische Tageszeitung Nasz Dziennik, die der oppositionellen PiS nahe steht mit der Regierung ins Gericht. Im Blatt heißt es, diese Verstrickungen würden zeigen, wie korrupt der polnische Staat geworden sei. Diese Pseudobank Amber Gold, die einen Gewinn von 13 Prozent für eine Anlage in Gold anbot, habe in die Fluglinie OLT Express (Abnm. d. Autorin: statt wie mit den Kunden vertraglich vereinbart in Edelmetalle) investiert, die insolvent sei. Amber Gold habe sich nach allen Seiten abgesichert und dabei auch den Sohn von Premier Tusk beschäftigt. Das Vertrauen der Menschen in staatliche Institutionen schwinde so immer mehr. Und der auf die regierende Bürgerplattform PO ausgerichtet sei, entfremdt sich immer weiter von der Gesellschaft und werde am Ende ihr Feind.

Lesen Sie hier, wie es weiter ging mit der Amber-Gold-Affäre.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".