Polen drei Wochen vor der Wahl

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Parlamentsgebäude in Warschau, Sitz des Sejms in Polen

Parlamentsgebäude in Warschau, Sitz des Sejms in Polen,

Polen wählt am 25. Oktober ein neues Parlament und glaubt man den Meinungsumfragen, wird es eine kleine Revolution geben – die Verhältnisse werden auf den Kopf gestellt. Bisher galt es fast wie ein festgeschriebenes Axiom, dass das prosperierende Polen A im Westen und Norden des Landes die derzeit noch regierende Bürgerplattform PO wählt und das ländliche, strukturschwache Polen B im Osten und Südosten die nationalkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit PiS.

Dass diese scheinbar zementierte Aufteilung des Landes bröckelt, zeigte sich bereits bei der Präsidentschaftswahl im Mai. Ausgerechnet der beliebte amtierende Präsident Bronislaw Komorowski verlor die Wahl. Auf einmal hatten sich die Verhältnisse gedreht und der honorige, zuweilen etwas bräsig daher kommende Komorowski hatte keine Chance gegen den unverbrauchten, eloquenten Andrzej Duda, der so gar nicht dem Polterimage seiner Partei PiS entsprach. Die Partei hatte die bessere Strategie und Taktik, indem sie einfach dem „Mann auf der Straße“ zuhörte und seine Sorgen zum Programm machte. Der frische Wind in der Politik ging plötzlich ausgerechnet von der PiS aus, das hatte die PO in ihrer Selbstzufriedenheit glatt verschlafen.

Seitdem agiert die Regierung Kopacz kaum noch, sondern versucht, bei den Wählern nicht weiter anzuecken. Dabei heraus kommt politisches Geeiere wie in der Flüchtlingsfrage. Man traute sich zuerst nicht, den EU-Verteilungskompromiss zu tragen, dann sprang man in letzter Minute halbherzig auf den schon abfahrenden Zug. Warum? Man fürchtete die Drohung, die Milliarden die Polen als Nettoprofiteur Nr.1 aus Brüssel erhält, würden wegen des unsolidarischen Verhaltens zusammengestrichen werden.  könnte wahr gemacht werden und Polen würde dazu seinen Einfluss in der EU verlieren. Man hat Angst, ein Profil zu zeigen, das sich am Wahltag als nicht mehrheitsfähig erweist. Dazu kommen noch solche Ungeschicklichkeiten, wie kürzlich von Außenminister Grzegorz Schetyna. Er hatte bei Radio Polska erklärt, die Russen hätten sich zu einer militärischen Intervention in Syrien entschieden, sich jedoch noch nicht der globalen Koalition unter Führung der USA engeschlossen, deren Ziel ein Kampf gegen den IS sei. Tatsächlich würde Russland nach Medienberichten wohl Positionen der syrischen Oppositionellen bombardieren, doch hoffe er, dass die Russen eventuell doch auf der richtigen Seite des Konflikts seien – eine Steilvorlage für die PiS. Da nützt es dann auch nicht mehr viel, wenn Ministerpräsidentin Ewa Kopacz zum Jahrestag ihrer Amtsübernahme bei einer Pressekonferenz in Warschau kundtat, ihre Regierung habe alle Versprechen erfüllt.

So paaren sich die Ungeschicklichkeiten mit der Profillosigkeit einer Partei, die nur noch gebetsmühlenartig die eigenen Verdienste und Erfolge der Vergangenheit propagiert mit der Lähmung durch einen schon so gut wie verlorenen Wahlkampf. So erscheint die Niederlage am 25.Oktober unehmend unausweichlich. Selbstbemitleidend hört unter PO-Mitgliedern Verbitterung nach dem Motto: „Der Tusk hat das alles wohl geahnt und uns mit dem Schlamassel sitzen gelassen.“

Zeitgleich mit der Kopacz-Pressekonferenz ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CBOS, dass ein Drittel der wahlberechtigten Polen die Regierung nicht unterstützt – und diese Umfrage war noch einer der für die PO günstigste der letzten Zeit. Bei einer weiteren Umfrag von CBOS einen Monat vor der Wahl beläuft sich die Wählerunterstützung für die PiS bei 34%, die für die PO auf 30%. Derzeit sieht das Portal Ewybory.pl , das einen Überblick über alle Umfragen bietet die Stimmung im Volk so:

  • PiS                  37,1%
  • PO                  25,1%
  • ZL                     7,8%
  • Nowoczesna    7,8%
  • Kukiz’15           6,2%
  • PSL                   6,2%
  • KORWIN          3,9 %
  • Partia Razem   1,3%

(Mittelwerte aus den aktuell jüngsten fünf Umfragen)

Berücksichtigt man bei diesen Ergebnissen, dass eine Partei um im Parlament vertreten zu sein, die Fünfprozenthürde überspringen muss und diese Hürde für Wahlbündnisse bei acht Prozent liegt, ließe ein solches Ergebnis Raum für Spekulationen.

Zwar hat die Linke sich auf eine gemeinsame Kandidatur als Zjednoczona Lewcia geeinigt, die aus SLD, Twoj Ruch und Partia Zieloni (Grüne) besteht, doch gilt für dieses Wahlbündnis die Achtprozenthürde, die – wie es derzeit aissieht – kaum zu überspringen sein dürfte. Sie wird von den wichtigsten Umfrageinstituten genauso wenig im Parlament gesehen wie die Bauernpartei PSL, die derzeit mit der PO die Regierungskoalition stellt. Diese beiden Gruppierungen galten als mögliche Koalitionspartner der PO. Fehlen sie, ist eine Regierungskoalition unter Führung der PO kaum denkbar.

Einige der wichtigsten Umfrageinstitute sehen überhaupt nur die PiS, die PO und die allenfalls noch die Bewegung Kukiz’15 um den Politrebellen und Rockmusiker Kukiz mit etwa sechs bis sieben Prozent der Wählerstimmen im Parlament, alle anderen Parteien könnten also in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Damit gäbe es nach dem derzeitigen Stand diese Optionen:

  • Bei einem Zweiparteienparlament wird die PiS allein mit absoluter Mehrheit regieren.
  • Bei einem Parlamentseinzug von PiS, PO und der Kukiz-Bewegung wird es vermutlich eine PiS-Minderheitsregierung geben. Nach seinem Selbstverständnis dürfte Kukiz mit keiner der beiden anderen Parteien koalieren, wenn doch, dann wohl eher mit der PiS.
  • Bei einem Parlamentseinzug von neben PiS und PO noch weiteren Parteien, müssten ZL und PSL dabei sein, sonst könnte die PO keine Mehrheitskoalition bilden, da sie hinter der PiS zurückliegen dürfte. Zünglein an der Waage könnte dann die „Nowoczesna“ des wirtschaftliberalen Ryszart Petru sein.

Es bleibt also spannend – Ende noch offen.

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Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".