Ukraine-Krise: Zorn und Frontstaaten-Besorgnis in Polen

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Soldaten ohne Hoheitsabzeichen in Simferopol, Foto: E.Arrot (VOA), PD VOA

Gerüchte, Besorgnis und das Trauma von 1939 im Hinterkopf, so ist die Stimmung in Polen bezüglich der Ukraine-Krise. Adam Michnik, der Chefredakteur der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza drückte aus, wie die Stimmungslage im Lande ist: Man bewundert den Mut der Ukrainer und sei zornig auf die imperiale Aggression der großrussischen Politik.

Mit Anspannung verfolgt auch das politische Warschau die Entwicklung im Nachbarland. Deutlich macht das auch, dass es Polen ist, das die lethargische EU zum Handeln drängte und damit den Hund zum Jagen trug. Dabei wollte man sich in Brüssel doch eigentlich auf den Wahlkampf einstellen. Ungewollt zeigte man in den EU-Gremien auch, wie wenig man noch immer vom östlichen Europa versteht, der fragilen Lage in der Ukraine, den Kräften in der ukrainischen Opposition und den Intentionen Putins. Die Krux bei dem Ganzen: Ohne Russland keine neue Ukraine. Auch das hat man bei allem Bemühen der ostmitteleuropäischen EU-Ländern in der EU nicht wirklich verstanden: Die EU ist ein Teil des Problems. Hätte man nicht einen solchen Entweder-Oder-Kurs gefahren, und verstanden, dass die Ukraine bei einer solch kompromisslosen, radikalen Abwendung von Russland allein schon wegen ihrer Bevölkerungsstruktur auseinandergebrochen wäre. Auch hätte man Putin soweit kennen müssen, dass man hätte voraussehen können, dass nach dem Weckbröckeln seines traditionell starken Einflusses auf arabische Länder wie Libyen, Ägypten und Syrien keine weitere Verkleinerung seiner Einflusssphäre hinnehmen würde.

Verblüfft nahm man zur Kenntnis, dass Putin höchst empfindlich auf jeden Einflussverlust durch eine Schmälerung der Rechte russischstämmiger und Russisch sprechender Bürger in ehemals sowjetischen Staaten. Dabei hätte man längst wissen können, wie Putin diese Russen jeweils als eine Art „Fünfter Kolonne“ instrumentalisiert und auch missbraucht. Putin lauerte auf einen Fehler der Maidan-Opposition, der auch prompt geschah: Das Sprachengesetz wurde sofort vom ukrainischen Parlament außer Kraft gesetzt. Der perfekte Vorwand für Putin war geschaffen. Die Tatsache, dass dieses Gesetz durch die fehlende Unterschrift des ukrainischen Interimspräsidenten de jure weiter in Kraft ist, interessierte schon nicht mehr. So sieht es auch Adam Michnik, der Herausgeber der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza: Rosja nigdy nie najechala na Polske, tylko zawsze ‚przychodzila z pomoca‘ mniejszosciom narodowym i religijnym (Russland ist nie nach Polen einmarschiert, sondern immer nur nationalen und religiösen Minderheiten zur Hilfe gekommen.

Polens Außenminister Sikorski und Premier Tusk machten auch den Verbündeten der NATO klar, dass die Nachbarländer der Ukraine sich bedroht fühlen. Immer wieder in der Geschichte haben Autokraten und Diktatoren auf diese Art Konflikte inszeniert, die dazu dienen sollten, alte Machtverhältnisse und Einflussbereiche wieder herzustellen. Ob es Georgien war, Abchasien oder Armenien immer wurde nach der gleichen Blaupause vorgegangen, die nun auch bei der Ukraine angewendet wird. Auch Hitler hatte im Fall der Sudetendeutschen auch vorgegeben, nur die Deutschen schützen zu wollen. Ähnliche Versuche gab es auch immer gegen Polen. Immer wieder wurde behauptet, man müssen Deutsche in Polen oder in Danzig schützen.

Nun steht Europa vor dem Scherbenhaufen einer auch auf westlicher Seite fehlerhaften Politik, die Gesprächskanäle verdorren ließen, einen schleichenden Vertrauensverlust hinnahm, der heute substantielle Verhandlungen so schwierig macht. Erschreckt muss der politisch interessierte EU-Bürger feststellen, dass man in der Gemeinschaft keine Strategien für den Umgang mit den östlichen EU-Nachbarländern erarbeitet hat. Und: man hat eine Susi-Sorglos-Verhältnis zu eigenen Abhängigkeiten zugelassen, die das wirtschaftlich so potente Europa durch die hohe Abhängigkeit von Energielieferungen fast reaktionsfähig machen. Hieß es vor dem 1. September 1939 „Mourir pour Danzig?“ (Sterben für Danzig?) könnte es heute heißen: Für die Solidarität mit einem europäischen Land ohne Licht und Heizung sein? Die Antwort ist voraussehbar.

Genau das aber ist das Trauma der Polen und das ist der Grund, warum Polen in der Krim- und Ukrainekrise so aktiv ist. Und deshalb können zwölf Flugzeuge dabei helfen, sich ein klitzekleines Bisschen sicherer zu fühlen. Die USA nämlich schicken nun zwölf Kampfflugzeuge des Typs F-16 und 300 Soldaten für eine erweiterte Übung nach Polen, erklärte der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniek. Zwar seine die Manöver eigentlich zu einem späteren Zeitpunkt geplant gewesen, doch im polnisch-amerikanischen Einverständnis habe man sich für den früheren Zeitpunkt und den größeren Rahmen entschieden. In Litauen, das ebenfalls einen großen russischen Bevölkerungsanteil hat, sind bereits sechs US-Kampfjets eingetroffen, die bei der Luftraumüberwachung über dem Baltikum helfen sollen. Doch eigentlich sind beide Aktionen nur ein Zeichen an Putin, mit dem die USA ihre Bis-hierhin-und-nicht-weiter-Linie sbstecken.

Eine demokratische und unabhängige Ukraine würde in Polen stets einen loyalen Freund finden. Die Regierung Polens unterstreiche die Bedeutung der Notwendigkeit internationaler Solidarität und diene ihrer Durchsetzung. Die polnische öffentliche Meinung müsse den kühlen Verstand walten lassen und nicht die Emotion, man müsse hart, aber rational vorgehen. Erinnern wir und jedoch an den großrussischen Stiefel Breschniews, der  die Aggression nach Afghanistan trug, aber auch, dass Afghanistan der Anfang vom Ende der Sowjetunion war. Die Ukraine könnte das Ende Putins sein, schließt Michnik seinen Artikel.

 

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".