Warschau-Praga: Ein Museum und der Charme eines Stadtteils

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Renoviertes Stadtteilmuseum Praga in Warschau

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Praga – Der Charme eines Stadtteils

Praga, einst das östlichste Ende von Warschau, ist schon lange ein Kleineleuteviertel, ein klassisches Arbeiterviertel, eine Vorstadt auf dem „falschen“, östlichen Weichselufer. Nach 1989 wurde Praga zum Warschau der Wendeverlierer und zu einem Viertel des noch immer bestehenden real-existierenden Sozialismus mit immer mehr bröckelndem morbidem Charme und einem Hauch von Volksrepublik-Nostalgie. Heute ist Praga irgendwo dazwischen: ein bisschen Schmuddelviertel, ein bisschen Kult und immer mehr Viertel der In-Szene und der Kreativen, denn hier ist Leben in Warschau noch halbwegs bezahlbar. Auch die Partyszene in Praga ist „in“ unter Warschaus Jungen und jung Gebliebenen. Doch es gibt sie noch, die Welt der Hinterhöfe und Gründerzeithäusern mit dem abbröselnden Putz, den alten Backsteinfabriken, der Enge und der Welt der neu und schon vor langer Zeit Zugezogenen. Nur etwas ist verschwunden: die jüdischen Spuren der Vorkriegszeit, als fast die Hälfte der Menschen in Praga Juden waren – fast alle wurden ermordet im Holocaust.

Eine der meistbesuchten Plätze in Praga ist der Warschauer Zoo unweit des Weichselufers. Der legendäre größte Markt Europas im maroden Dziesi?ciolecia Stadion existiert nicht mehr. An seiner Stelle wurde zur Fußball-Europameisterschaft 2012 das schicke neue Nationalstadion errichtet. Das bescherte Praga den Anschluss an die ebenfalls schicke nagelneue Metro-Linie 2. Ein wenig des alten Flairs atmet noch der Ró?ycki Bazaar an der ul. Targowa, der über hundert Jahre alte traditionsreichste Markt von Warschau. In der ul. Zamoyskiego liegt ein zarter Schokoladenduft in der Luft, denn noch immer produziert hier „Wedel“ seine leckere Schokolade.

Es gibt wieder Menschen in Praga, die diesen Stadtteil erhalten wollen, seine Eigenheiten fördern, und die liebenswerten Seiten von Praga zeigen wollen mit Stadtteilführungen „von unten“, kulturellen Veranstaltungen und über Leben und Geschichte von Praga informieren wollen. Viele Bewohner von Praga engagieren sich so. So nimmt es auch nicht Wunder, dass ein Großteil der Exponate im neuen Stadtteilmuseum Praga von den Einwohnern Pragas zur Verfügung gestellt wurde.

Neue Ausstellung im neu gestalteten Stadtteilmuseum von Praga

Im neuen Stadtteilmuseum von Praga, dem östlichen Teil von Warszawa (Warschau) wurde jetzt die Dauerausstellung zur Stadtteilgeschichte eröffnet.

Gemeinsam mit der niederländischen Künstlerin Charlie Koolhaas verwandelte das Warschauer Projektbüro „307kilo“ drei historische Bürgerhäuser und ein Hinterhaus an der ul. Targowa 50/52 in eine Hommage an den Warschauer Stadtteil Praga, der heute als In-Viertel gilt. Im Ausstellungsteil zur Geschichte Pragas zeigt ein 3D-Modell die Siedlung im 18. Jahrhundert. Eine „Bilder- und Fotowolke“ illustriert die Zeitläufte vom 16. bis zum 21. Jahrhundert. Ein in den Boden eingelassenes dreisprachiges Zeitband bietet auf Polnisch, Englisch und Russisch Orientierung. Erklärungstexte für die über 400 Originale und Reproduktionen finden sich in einer eigenständigen Ausstellungsmappe.

Im Geschoss darüber widmet sich der „Prager Markt“ dem Aspekt des Handels. Die Ausstellung bietet in stilisierten Marktständen einen Einblick in diesen für Praga so wichtigen Wirtschaftszweig. Einen besonderen Stellenwert hat die jüdische Geschichte des Viertels. Zwei Räume des historischen Hinterhauses dienten einst als jüdische Betstuben. Erhalten geblieben sind dort bis heute Wandmalereien, die Tierkreiszeichen, Juden an der Klagemauer und das Grab der Rahel in Betlehem darstellen. Die Ausstellung präsentiert unter anderem rund 50 originale Judaica aus Praga und zeigt, wie die Standorte der einst 55 jüdischen Bethäuser, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Praga existierten, heute aussehen.

Die Kellergewölbe der vier Gebäude sind miteinander verbunden und beherbergen die Ausstellungsteile „Pragas Interpretationen“ und „Pragas Zeugnisse“. Verschiedene Künstler widmen sich dort dem Stadtteil. So thematisiert Dorota Podlaska das berühmte Stadion Dziesi?ciolecia (Stadion des 10. Jahrestages), das vor einigen Jahren dem Neubau des Warschauer Nationalstadions weichen musste und zuletzt als Osteuropas größter Basar diente. Auch Ausstellungsmacherin Koolhaas ist mit zwei Installationen vertreten. Authentische Erinnerungen der Einwohner des Bezirkes sind als abrufbare Audiobeiträge verfügbar.

Der Innenhof des Ensembles ist als Ort der Begegnung angelegt, der auch über eine kleine Bühne für Freiluftveranstaltungen verfügt. Ein Raum für Workshops und Konferenzen, ein Museumscafé, eine Aussichtsterrasse sowie eine große Fläche für wechselnde Ausstellungen ergänzen das Angebot des neuen Stadtteilmuseums.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".