Absturz von Smolensk: Abschrift der Blackbox-Aufzeichnungen in Polen veröffentlicht

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 Blackbox-Abschriften des Absturzes von Smolensk führen in Polen zu DiskussionenGestern hat das polnische Innenministerium die Abschriften der Stimmenrekorder-Aufzeichnungen der abgestürzten Präsidentenmaschine vom Typ  TU-154 veröffentlicht und in polnischer und russischer Sprache im Internet zugänglich gemacht. Die russischen Behörden hatten den Polen am Montag die Abschriften der der Flugschreiber-Aufzeichnungen übergeben.

Der polnische Präsident Lech Kaczynski war am 10. April mit seiner Frau und 94 weiteren Personen gestorben, als das Flugzeug in der Nähe der russischen Stadt Smolensk abstürzte. Die polnische Delegation war auf dem Weg nach Katyn, um der Opfer des Massakers von 1940 an rund 22’000 Polen zu gedenken. Nach dem Absturz hatte es Spekulationen gegeben, dass die Piloten unter Druck gesetzt worden sein könnten, das Flugzeug trotz schlechten Wetters zu landen, möglicherweise habe auch Präsident Kaczynski die Landung verlangt.

Die Blackbox-Aufzeichnungen decken die letzten kanpp 40 Minuten des Unglücksfluges vom 10. April ab.

Der Verlauf der Katastrophe

10.04: Das wird makaber, es wird nicht zu sehen sein.
10:07: Meldet der Navigator: Flughöhe 3900 Polish Air Force 1-0-1.

Ab 10:14 erhalten die Piloten, die nun beginnen, sich auf die Landung vorzubereiten, erstmals die Information über die schlechten Wetterbedingungen in Smolensk:
10:14:06: Der Controler meldet für Smolensk: Polish Air Force 1-0-1, for information at 06:11 Smolensk visibility 400 meters fog.
Es entwickeln sich ab 10:23 Gespräche über die Wetterlage und mögliche Alternativen wie Rückflug,Moskau, Minsk und Witebsk.

Die Maschine befindet sich im Bereich der Fluglotesen von Smolensk-Kosarz, nun wird russisch gesprochen, denn hier handelt es sich um einen Militärflughafen. Die Controller bestätigen eine Sicht von 400 Metern.
10:25:01: Pilot: ..Wenn möglich probieren wir einen Landeanflug, aber wenn das Wetter es nicht zulässt, gehen wird auf eine zweite Runde.

Auf Anfrage des Fluglotsen, ob der Treibstoff nach einem Probeanflug noch für einen Ausweichflughafen ausreicht, bestätigt der Pilot, dass man genug habe.
Wie es in solchen Fällen üblich ist, muss die Besatzung nun der Kanzlei des Präsidenten mitteilen, dass die Landebedingungen sehr schlecht sind.

Um 10:25:22 beginnt der Pilot mit dem Sinkflug und stellt kurz darauf fest, dass die Wetterbedingungen eher schlechter als erwartet sind. Der Kopilot holt inzwischen Erkundigungen bei der kurz zuvor in Smolensk gelandeten Jak 40 mit Journalisten an Bord ein, die bestätigen, was der Smolensker Fluglotse meldete.
Die Antwort der JAK-Crew lautet 10:25:05: Na, uns ist es im letzten Moment gelungen, zu landen. Wenn es Euch beim zweiten Mal nicht gelingt, schlage ich Euch vor zum Beispiel nach Moskau oder sonst wohin zu fliegen.

10:26:17: Eine Person – vermutlich Protokollchef Mariusz Kazana – betritt das Cockpit, der Pilot sagt: Herr Direktor, Nebel ist aufgezogen.
10:26:19: Der Pilot ergänzt: Im Moment, bei den Bedingungen wie sie gegenwärtig sind, schaffen wir es nicht zu landen.
10:26:26: der Pilot sagt: Versuchen wir zu landen, machen wir einen Landeanflug, aber wahrscheinlich wird nichts daraus.
10:26:31 Pilot: (unverständlich) …  also was machen wir jetzt?
10:26:38 Pilot: Der Treibstoff wird und so weit nicht reichen (unverständlich).
10:26:43 Vermutlich Mariusz Kazana sagt: Na dann haben wir ein Problem.
Dann ist von einer weiteren Maschine die Rede, die nach zweimaligen vergeblichem Landeversuch abgedreht sei. Dabei handelte es sich um eine russische Iljuschin-76 aus Moskau.

Um 10:30:32 ist die Maschine schon im Sinkflug, als vermutlich Mariusz Kazana im Cockpitberichtet: Es gibt noch keiner Entscheidung des Präsidenten, was weiter zu tun ist.

10:32:55: Der Pilot meldet dem Kontrollturm: Wir setzen zur Landung an. Im Fall dass es nicht gelingt, fliegen wir mit dem Automaten weiter.

Die Maschine sinkt weiter auf 500 Meter, die meisten Gesprächsaufzeichnungen sind in den Abschriften jetzt als unverständlich gekennzeichnet. Etwa seit dieser Zeit muss Andrzej Blasik, der Chef der Luftstreitkräfte im Cockpit gewesen sein. Weiterhin sind vierl Gesprächsabschnitte als unverständlich gekennzeichnet. Möglicherweise war er es, der die Landecheckliste vorgelesen hat, niemand weiß, ob er von sich aus womöglich neben dem Piloten Platz nahm, oder ob ihn etwa jemand gerufen oder geschickt hatte. Die Landeprozedur läuft bis hierhin ereignislos nach Schema ab.

Um 10:39:37 teilt der Tower Smolensk-Kosarz mit: Landebahn frei.
10:39:40 Tower Smolensk gibt zusätzliche Landeinformationen. Der Wind beträgt zu diesem Zeitpunkt 3 Windstärken aus 120 Grad. Die Piloten müssen jetzt entscheiden, ob sie landen, wenn sie auf 100 Meter Flughöhe den Boden noch nicht sehen, müssen sie durchstarten.

10:40:32 das automatische Warnsystem TAWS meldet sich erstmals und von nun an regelmäßig: Terrain Ahead. Terrain Ahead.
10:40:53: TAWS: PULL UP, PULL UP. Das TAWS-System läßt die akustische Warnmeldung “hochziehen, hochziehen” ertönen
10:40:56: TAWS: PULL UP, PULL UP. Das TAWS-System läßt die akustische Warnmeldung “hochziehen, hochziehen” ertönen
10:40:46,6-10:40:49,2 TAWS: TERRAIN AHEAD, TERRAIN AHEAD.
Die Crew fliegt unbeirrt weiter:
10:40:48 meldet der Navigator: Höhe 100 .
10:40:49:  Kopilot: Normal.
10:40:50: Navigator: 90.
Die Flughöhe sinkt nun im Sekundentakt bis der Navigator um 10:40:55 nur mehr „20“ meldet.

Bis dahin lief alles offenbar relativ entspannt im Cockpit ab. Die Piloten der Tupolew-154 reagierten nach diesen Protokollen nicht auf die Warnungen des TAWS-Systems.
10:40:58: TAWS: PULL UP, PULL UP. Das TAWS-System läßt die akustische Warnmeldung “hochziehen, hochziehen” ertönen.
10:40:59: Geräusche der Kollision mit Bäumen
10:41:00: Der Kopilot schreit: Kurwa mac! (etwa „verdammter Mist !!“)
10:41:00: TAWS: PULL UP, PULL UP. Das TAWS-System läßt die akustische Warnmeldung “hochziehen, hochziehen” ertönen.
10:41:04: Ein Schrei ertönt kurwaaaaa… (etwa Miiist!!!)
10:41:05: Aufschlag der Maschine

Die Black Box-Abschriften lassen Fragen offen.

Zwei Hypothesen über die Unglücksursache sieht die Gazeta Wyborcza, Polens renommierte liberale Tageszeitung: Waghalsigkeit oder ein verhängnisvoller Fehler

Die Veröffentlichung der Blck-Box-Abschriftenlöste sogleich einen heftigen Streit zwischen den größten polnischen Parteien aus, berichtet die Tagezeitung Gazeta Wyborcza (Awantura o stenogramy). Die oppositionelle PiS-Partei meint, die Veröffentlichung des Dokuments habe keine Zweifel über die Katastrophe beseitigt. Mariusz Blaszczak, Parteisprecher der PiS betont, die Stenogramme würden absolut nichts über die Ursachen des Flugzeugunglücks enthüllen, denn die Aussagen der Flugkontolleure aus Smolensk würden noch fehlen. Die regierende PO spiele mit der Katastrophe, kritisierte Blaszczak die rasche Veröffentlichung der Dokumente. Die PO ließ verlautbaren, man habe entschieden, das Dokument zu veröffentlichen, um Spekulationen zu vermeiden.

Tatsächlich bestätigen die Abschriften nur das, was bislang vermutet wurde. Die Frage nach der Ursache der Katastrophe vom 10. April beantworten sie nicht. Fakt ist: Die Piloten wussten genau um die schlechte Wetterlage in Smolensk. Der Befehlshaber der Polnischen Luftstreitkräfte, General Blasik, saß in den letzten Minuten bis zum Absturz der Präsidentenmaschine im Cockpit. Hat er Druck auf die Piloten ausgeübt oder gar den Druck des Präsidenten weitergegeben? Haben die Piloten die Umstände völlig unterschätzt? All diese Fragen bleiben offen, schreibt die polnische Tageszeitung PolskaThe Times. Auch nach Meinung von Luftfahrt-Experten geben die Abschriften keine Antwort auf die Frage, warum sich die Piloten entschieden haben, bei den schlechten Wetterbedingungen zu landen.
Die Abschriften der Black Box-Aufzeichnungen genügen Jaroslaw Kaczynski, Zwillingsbruder des verunglückten Präsidenten und Kandidat der Präsidentschaftswahl am 20. Juni nicht. „Ich erwarte das ursprüngliche Material auch die Flugschreiber“, erklärte er vor Journalisten in Warschau. Weiter forderte er, Polen und nicht Russland müsse für die Untersuchungen zuständig sein.

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Über Brigitte Jaeger-Dabek 1605 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".