Visualisierung des Centrum Historii Zajezdnia in Breslau, Foto: Materialy prasowe, www.zajezdnia.org
Ende August eröffnet in einem ehemaligen Straßenbahndepot an der ul. Grabiszynska 184 in Wroclaw (Breslau) das Centrum Historii Zajezdnia. Es will nicht nur Museum, sondern ein moderner Erlebnisraum sein und wird sich der jüngeren Geschichte der Stadt widmen. Vor 36 Jahren waren in dem Depot die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe in den Streik getreten und gründeten die Breslauer Sektion der unabhängigen Gewerkschaft Solidarnosc (Solidarität).
Ursprünglich für Straßenbahnen errichtet, diente die Ende des 19. Jahrhunderts im Stadtteil Gräbschen (heute Grabiszyn) erbaute Anlage nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges als Omnibusdepot. In den Fokus des politischen Zeitgeschehens rückte sie am 26. August 1980, als die Belegschaft beschloss, sich dem kurz zuvor ausgerufenen Streik der Arbeiter in der Leninwerft von Gdansk (Danzig) anzuschließen. Neben Danzig war Breslau ein wichtiges Zentrum der Protestbewegung, die schließlich in die friedliche Revolution von 1989 mündete. Ein Schwerpunkt der neuen Ausstellung in dem Depot widmet sich dieser Zeit.
In mehreren thematisch-chronologischen Sektionen simuliert die Ausstellung einen Stadtspaziergang und erzählt so die Geschichte von Wroc?aw und seinen Einwohnern von 1945 bis zur Gegenwart. Sie vereint moderne Bildungsarbeit mit multimedialen Elementen sowie Textinformationen und historischen Originalstücken. So ist beispielsweise der Taktstock zu sehen, mit dem Tadeusz Strugala 1966 das Eröffnungskonzert der ersten Ausgabe des weltweit renommierten Festivals Wratislavia Cantans dirigierte.
Mit der deutsch-polnischen Vergangenheit setzt sich der Teil der Ausstellung auseinander, der den Jahren 1945-1946 gewidmet ist und den fast vollkommenen Austausch der Breslauer Bevölkerung thematisiert. Weitere Teile informieren über die Stalinisierung Polens, die Jahrhundertflut von 1997, die Rolle der Minderheiten für Stadt und Region sowie über die Nachkriegsgeschichte Niederschlesiens. Neben den Auseinandersetzungen zwischen kommunistischer Regierung und den Oppositionsbewegungen der 1970er und 80er Jahre nimmt der Brief der polnischen an die deutschen Bischöfe einen besonderen Stellenwert ein. Das Schreiben mit der berühmten Formulierung „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ wurde 1965, nur 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, vom Breslauer Erzbischof Boleslaw Kominek initiiert.
Bereits Anfang April waren die Modernisierungsarbeiten an der historischen Straßenbahn- und Omnibushalle sowie am ehemaligen Verwaltungsgebäude abgeschlossen. Die Halle im industriellen Backsteinstil der Jahrhundertwende wird künftig auch als Standort für wechselnde Ausstellungen dienen. Das Verwaltungsgebäude wird Büroräume sowie ein Dokumentationszentrum beherbergen. Weitere Gebäude neueren Datums wurden abgerissen und der gesamte rund zwei Hektar große Außenraum als Veranstaltungs- und Begegnungsstätte mit Parkcharakter neu konzipiert.
Der Außenbereich wird ebenso als Veranstaltungsraum für Großveranstaltungen wie auch als Erholungs- und Freizeitpark für Einwohner und Touristen dienen. Ein besonderes Stück Zeitgeschichte steht am Eingang der Anlage: Ganze Generationen nutzten während der Zeit der Volksrepublik den Autobus vom Typ Skoda 706 RTO. Aufgrund seines charakteristischen Äußeren nennen ihn die Polen bis heute liebevoll Ogorek (Gurke).
Die feierliche Eröffnung des neuen Ausstellungsgebäudes ist für den 28. August geplant und gilt als weiterer Höhepunkt im Jahr der Europäischen Kulturhauptstadt. Eingebettet ist sie in die diesjährige Ausgabe des Festivals „wROCK for Freedom“, das an die Rolle der Künstler bei der friedlichen Revolution in Polen erinnert.
Vom 27. bis 29. August werden im Außenbereich des neuen Zentrums Zajezdnia bekannte polnische Bands wie Lady Pank oder TSA erwartet.
Weitere Informationen:
- zum neuen Ausstellungszentrum unter zajezdnia.org
- zum Kulturhauptstadtjahr in Breslau unter wroclaw2016.pl
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