Im Dezember jährte sich Willy Brandts Kniefall vor dem Warschauer Ghetto-Ehrenmal zum 40. Mal – ein Kernpunkt des Weges zur Aussöhnung mit Polen. Maxime von Willy Brandts damaliger Ostpolitik war sein Credo: »Nie mehr eine Politik über Polen hinweg«. Zu dieser Thematik ist im Verlag J.H.W.Dietz Nachf. das Buch „Nie mehr eine Politik über Polen hinweg. Willy Brandt und Polen“ erschienen, das von Friedhelm Boll und Krzysztof Ruchniewicz herausgegeben wurde.
In dem Band beleuchten elf polnische und deutsche Wissenschaftler Brandts Ostpolitik und deren Fernwirkung bis hin zum friedlichen Wandel in Polen 1989. Darin wird deutlich, dass die „moralische Mitte“ der Brandtschen Ostpolitik in Polen lag. Sichtbar werden auch die teils völlig verschiedene Rezeption in Polen und Deutschland, Brandts schwieriger Stand in der deutschen Innenpolitik nach dem Kniefall und der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags sowie eine ganze Anzahl weiterer Aspekte der gesellschaftlichen Auseinandersetzung in Deutschland.
Für viele Deutsche neu ist die Beleuchtung von Brandts Ostpolitik und seines Kniefalls aus polnischer Sicht und die Veränderung in Deutung und Blick auf das damalige Geschehen in der polnischen Nachwendezeit und die bis heute auseinandergehende Einschätzung. So wird der ehemalige Außenminister Wladyslaw Bartoszewski mit der Bemerkung zitiert, er habe das zwar für eine große Geste gehalten, die eines wahren Staatsmannes würdig gewesen sei, doch habe Brandt nicht vor allen Opfern gekniet. Dazu habe Brandt, der ein ehrlicher Mensch gewesen sei zu sehr in den Kategorien Faschismus-Antifaschismus gedacht. Von Marek Edelmann hingegen, einst einer der Anführer des Ghetto-Aufstandes wird diese Einschätzung angeführt: : „Das war erschütternd. Brandt hat gezeigt, wie das deutsche Volk nach seinem Willen sein sollte. Eine große Sache.“
Besonders ausführlich und fundiert erscheint die abschließende Beurteilung der Bedeutung von Brandts Politik und Persönlichkeit für den friedlichen Wandel in Europa von 1989 unter besonderer Berücksichtigung Polens und der deutschen Einheit.
Der lesenswerte Band bringt eine Darstellung der Brandtschen Ostpolitk, die viele Aspekte anführt und das Geschehen aus einer für viele deutsche Leser sicher neuen Blickrichtung betrachtet. Deshalb ist „Nie mehr eine Politik über Polen hinweg. Willy Brandt und Polen“ beim Polen Magazin Buch des Monats Dezember 2010.