Ein polnischer Krimi? Das ist interesssnt, denn noch vor wenigen Jahren herrschte auf dem polnischen Krimi-Büchermarkt Flaute. Es gab kaum erfolgreiche polnische Krimiautoren, das Genre polnischer Krimi oder Thriller noch dazu mit regionalen Bezügen schien nicht zu existiern.
Das hat sich grundlegend geändert, mittlerweile gehören Krimis einheimischer Autoren in Polen zu den Quotenrennern der Buchbranche. Auch in Deutschland ist man auf das Erfolgs-Genre aufmerksam geworden und so hat der in Münster angesiedelte Prospero-Verlag gleich mehrere Titel in deutscher Sprache herausgegeben.
Einer der erfolgreichsten Thriller in Polen ist „21:37“ des Kulturanthropologen und Schriftstellers Mariusz Czubaj. Der mit dem polnischen Krimipreis 2009 ausgezeichnete Titel spielt in Warschau und bezieht sich auf den Todeszeitpunkt des polnischen Papstes Johannes Paul II.
In der Nähe des Warschauer Olympiazentrums werden von einem Flaschen sammelnden verkrachten Berufsboxer die Leichen zweier grauenhaft zugerichteter junger Männer gefunden, die gefoltert und schlussendlich mit Plastiktüten erstickt worden sind. Auf die Tütenfolien ist in Höhe der Mundhöhlen vom Täter mit Lippenstift jeweils ein rosa Dreieck gemalt worden, das Zeichen, mit dem Schwule in deutschen KZs gekennzeichnet wurden. Die Rückseiten der Tüten hat der Täter mit Zahlen beschriftet: die eine mit der 21, die andere mit der 37 – 21:37 Uhr, dem Todeszeitpunkt des polnischen Papstes Johannes Paul II. – was will der Täter damit ausdrücken ist die Frage.
Nun kommt der neue Kommissar ins Spiel, denn zentraler Protagonist von „21:37“ ist der Kattowitzer Profiler Rudolf Heinz. Der Mittvierziger wird „Hippie“ genannt und spielt in seiner Freizeit Gitarre in etwas herunter gekommenen Klubs.
Der Kommissar ist charismatisch und ein belesener Individualist. Als der beste Spezialist des Landes für komplizierte Tätersuchen lässt er sich eher widerwillig nach Warschau zitieren, wo er als Leiter des Sonderkommandos den Fall aufklären soll. Vor Ort erfährt Rudolf Heinz, dass die Identität der Mordopfer inzwischen bekannt ist. Es handelt sich um zwei Studenten des (fiktiven) nahen Priesterseminars.
Profiler Heinz vergräbt sich in den Fall. Hat die katholische Kirche mit der Tat zu tun? Gibt es Spuren im Priesterseminar, leben dort mehr Scheinheilige als Heilige? Bald gehören einflussreiche Leute innerhalb und außerhalb der Kirche zum Kreis der Verdächtigen, Abgründe tun sich auf, ein Riesenskandal scheint sich anzubahnen. Mehr soll hier nicht verraten werden.
Dabei zeigt sich Czubaj nicht nur als Meister der Spannung mit dichter Handlung ohne irgendwelche Längen. Czubaj überzeugt bei der Zeichnung der sehr authentisch wirkenden Figuren. Er brilliert mit seinem Sinn fürs Detail, dazu beweist der Autor einem besonderen Sinn für Humor.
Mariusz Czubaj lässt den Leser auch viel vom Leben im heutigen Polen erfahren einschließlich der Popkulturszene, denn sowohl der Protagonist Rudolf Heinz als auch sein Gegenspieler, der eloquente Regens Majda im Priesterseminar sind Musikfans. Lediglich dabei werden Leser, die sich in Polen bisher nicht auskennen auf Namen stoßen, mit denen sie nichts anfangen können. Ein paar kleine Anmerkungen wären bei künftigen Auflagen hilfreich.
Mit der Figur Rudolf Heinz ist Mariusz Czubaj ein ziemlicher Wurf gelungen, der Profiler hat in seiner Vielschichtigkeit das Zeug zum Serienhelden. Es wäre daher wünschenswert, wenn der Prospero-Verlag den Autor Mariusz Czubaj im Auge behält und weitere Romane von ihm in deutscher Sprache erscheinen. Mit Lisa Palmes hat der Prospero-Verlag überdies eine kongeniale Übersetzerin für Czubaj gefunden.