Filmrezension: Operation Arsenal – Polnisches Widerstandsdrama

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Operation Arsenal, polnisches Widerstandsdrama. Foto: Filmplakat, © Ascot Elite

Operation Arsenal, polnisches Widerstandsdrama. Foto: Filmplakat, © Ascot Elite,

Mit „Operation Arsenal“ kommt passend zum Jahrestag 71 Jahre Beginn des Warschauer Aufstands kommt ein weiteres polnisches Widerstandsdrama auf den deutschen Markt. Der Film hatte seine Premiere in der polnischen Orignalversion (Kamienie na Szaniec) bereits 2014. Regisseur ist der ehemalige Rektor der legendären Filmhochschule Lodz Robert Glinski, der auch bei der Verfilmung des Romans Unkenrufe von Günter Grass die Regie führte – auch in Deutschland also kein unbekannter Name.

Darum geht es bei „Operation Arsenal“

Thema des Films „Operation Arsenal“ ist die Rolle der polnischen Pfadfinder im Widerstand der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa, AK) gegen die Nazibesetzung. Protagonisten sind drei Freunde, die zusammen durch dick und dünn gehen, auch durch die Zeit des Terrorregimes der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs in Warschau. Zoska, Rudy und Alek sind Pfadfinder und gründen eine Widerstandsgruppe. Sie kämpfen gegen den Naziterror zunächst mit kleineren Aktionen, später auch mit Waffen. Bei einer dieser Widerstandsaktion wird Rudy gefasst. Um mehr über die Gruppe zu erfahren wird Rudy von der Gestapo mit entsetzlichen Methoden brutal gefoltert. Doch Rudy schweigt und verrät seine Kameraden nicht. Die Pfadfindergruppe unter der Leitung von Zoska plant inzwischen, Rudy aus den Fängen von Gestapo und SS zu befreien. Sie starten die „Operation Arsenal“ …

Die Geschichte hinter dem Film

Grundlage des Films ist der Roman von Aleksander Kaminski „Kamienie na Szaniec“ (Steine für die Barrikade), wie der Filmtitel auch in Polen lautet. Dieser Titel nimmt Bezug auf eine Zeile aus dem Gedicht „Moj Testament“ (Mein Testament) des polnischen Dichter Juliuaz Slowacki, in dem es heißt: … Jak kmamienie przez Boga rzucane na szaniec … (Wie von Gott auf die Barrikade geworfene Steine).

Kamienie na Szaniec, Polnisches Filmplakat, Foto © Monolith Films

Kamienie na Szaniec, Polnisches Filmplakat, Foto © Monolith Films,

Der Roman ist keine Fiktion, der Romanautor und Lehrer Aleksander Kaminski war selbst Pfadfinder im Untergrund und gehörte den Szare Szearegi an, den Grauen Reihen, wie ihr Deckname im Untergrund lautete. Er war von zentraler Bedeutung in der Organisation. Ab 1939 fungierte er als Chefredakteur der wichtigsten Untergrundzeitung „Biuletyn Informacyjny“ und wurde 1941 Chef des Informations- und Propagandabüros der polnischen Untergrundarmee „Heimatarmee“ (Armia Krajowa AK). Kaminski war es auch, der innerhalb der Szare Szaregi die Organisation „Wawer“ begründete, die kleine Sabotageakte durchführte. Sie wurde nach dem Massaker im Warschauer Stadtteil Wawer benannt, in dem die deutsche Ordnungspolizei am 27.12.1039 in einer Vergeltungsaktion 114 polnische Menschen hinrichtete, weil zwei Unteroffiziere des Baubataillons 538 erschossen worden waren. So selbst im Zentrum des Widerstands, schrieb Kaminski 1943 die Geschichte der drei Pfadfinder in seinem Roman „Kamienie na Szaniec“ nieder. Nach dem Ende des Stalinismus wurde der Roman in den Kanon der polnischen Literatur aufgenommen und ist bis heute verpflichtende Schullektüre. So kennt in Polen jedes Kind diese Geschichte, vertieft durch die Erstverfilmung der Geschichte vom polnischen Regisseur Jan Lomnicki aus dem Jahr 1978.

Polnische Pfadfinder im Widerstand

Zum besseren Verständnis noch ein paar Informationen zu den Szare Szaregi, die schon am 27.9.1939 in Warschau als Kampf- und Widerstandsgruppe des polnischen Pfadfinderbunds „Zwiazek Harcerstwa Polskiego“ gegründet wurde, denn Hitlers Kriegsabsichten waren unübersehbar geworden Als Teil des „polnischen Untergrundstaats“ waren die Pfadfinder der Londoner Exilregierung unterstellt und Teil der „Heimatarmee“ AK, weshalb auch sie am rechten Arm die weiß-rote Armbinde trugen. Die Szare Szeregi galten als ausgezeichnet ausgebildete und disziplinierte Einheiten.

An der „Operation Arsenal“, von der der Film handelt, nahmen am 26.3. 1943 28 Pfadfinder teil, acht von ihnen starben. Keiner der drei Filmprotagonisten überlebte den Krieg. Jan Bytnar alias Rudy starb vier Tage nach seiner Befreiung aus Gestapohaft an den Folgen der unmenschlichen Folter. Pfadfindereinheiten sorgten später für die Hinrichtung der beiden SS-Schergen SS-Obersturmführer Herbert Schulz und SS-Rottenführer Ewald Lange, die Jan Bytnar zu Tode gefoltert hatten. Dazu nahmen Pfadfindereinheiten am Warschauer Aufstand und an der Befreiung des KZs Gesiowka teil.

Kurz nach der Operation Arsenal wurde das Pfadfinder-Bataillon Zoska gegründet, das nach dem Kampfnamen von Tadeusz Zawadzki benennt wurde. Er entspricht der Filmfigur Zoska in Operation Arsenal. Die Einheit war eines der beiden am Warschauer Aufstand teilnehmenden Pfadfinder-Bataillone. Über 300 Pfadfinder starben beim Warschauer Aufstand. Nach Kriegsende wurden in der stalinistischen Ära der Volksrepublik Polen viele der überlebenden Pfadfinder wegen der Verbindung mit der AK und der Londoner Exilregierung inhaftiert, die Pfadfinder-Organisation wurde verboten. So viel Erläuterungen erst einmal, damit deutsche Filmbetrachter überhaupt verstehen, worum es bei dem Film geht.

Filmkritik zu „Operation Arsenal“

Das Sujet passend zum großen Themenbereich 41 Jahre Beginn des Warschauer Aufstands und 70 Jahr Kriegsende, eine spannende Story, jugendliche Helden, Kampf für eine gerechte Sache – Operation Arsenal hatte also alle Voraussetzungen für einen großen Film. Dazu war hier die Chance da in einem polnischen Film zu erzählen, wie die Polen diese Geschichte erlebt und erlitten hatten.

Der in Polen bereits 2014 in die Kinos gekommene Film erhielt ein geteiltes Echo und ist dort umstritten – zu viele gut geteilte jugendliche Superhelden, zu viel Styling und gut sitzende Bügelfalten, zu wenig Geschichte.

Eines gleich vorweg: Für den deutschen Zuschauer macht es eigentlich nur dann Sinn, diesen Film anzusehen, wenn er sich zuvor genauer informiert, also zumindest auf Wikipedia herumgeklickt hat. Der Film selbst nämlich liefert so gut wie keine Informationen über den polnischen Widerstand, schon gar nicht über den der Pfadfindereinheiten. Einzig der Abspann bringt einige Fakten. Für einen deutschen Betrachter mit hierzulande gängigen Geschichtskenntnissen wird nicht wirklich klar, worum es hier eigentlich genauer geht. Es bleibt bei der vagen Erkenntnis: Widerstand, irgendwo in Polen. Der Film ist also für ein internationales Publikum nur bedingt geeignet, wenn er nicht als reiner Action-Film konsumiert werden soll. Das aber wünscht man keinem Film zu diesem Thema.

Warschau als Handlungsort ist überhaupt nicht zu erkennen, manche Szenen wirken, wie in düsteren Studiokulissen gedreht, der Angriff auf das Arsenal wurde bereits als in Lublin gedreht verortet. Von deutscher Besatzung, dem Terror und den alltäglichen Pressionen ist kaum etwas zu sehen. Gerade das, die unerträglichen Verhältnisse aber machten ja in Polen den Widerstand so stark.

Seltsam blutleer und schablonenhaft wirken oft die jungen Charaktere und packen den Zuschauer nicht wirklich. Nur die Gestapo-Schergen, die Folterszenen und der gefolterte Rudy kommen glaubhaft über. Ansonsten sieht man zu oft junge, toughe Typen in einer Art Widerstand light. Das Lebensgefühl und auch das Aussehen der Warschauer Jugendlichen des Jahres 1943 in dieser Extremlage kann ich mir so nicht vorstellen.

Der Film beginnt mit einer hektischen Abfolge von Aktionen, die wohl die Vorgeschichte darstellen sollen, ohne das filmisch oder durch Dialoge aber genügend zu erklären. Zu dünn kommt die Absicht durch, die Hinwendung zum bewaffneten Widerstand zu erklären. Die Skizzierung dieser Phase vom jugendlichen Übermut und spritzigem Gehabe des jugendlichen Unverwundbarkeitswahns bis zu den ersten Waffen erfolgt durch eine hektische von Aktionen. Unterbrochen werden sie nur von Szenen einer großbürgerlichen Idylle. Dabei fragt sich der geneigte Zuschauer allenfalls, wie so viel Naivität vier Jahre Widerstand bis dahin ungeschoren überstehen konnte. Die Charaktere ähneln dabei fast heutigen jugendlichen Sprayern, die bei ihren Aktionen ebenfalls gern einmal den Extrakick an Nervenkitzel brauchen. Eben diese Differenzierung fehlt, die Skzizzierung des Wegs in bewaffnete Aktionen ist dürftig. Das Warschau des Jahres 1943 war mit Sicherheit anders und auch die damaligen Jugendlichen. Zu dieser Zeit nämlich gehörten die Szare Szaregi bereits zu den am besten ausgebildeten und diszipliniertesten Einheiten der AK.

Natürlich waren die Anfänge des Pfadfinderwiderstands von jugendlicher Naivität, viel Idealismus und glühendem Patriotismus geprägt. Doch waren die deutschen Antworent darauf grauenhaft und führten ja in den bewaffneten Widerstand. Das kommt nur in einer kurzen Szene einer Massenerschießung zum Ausdruck, deren Zusammenhang man nicht erfährt. So muss man diesem Film vorhalten, dass es mehr um Action als um historische Wahrheit geht.

Die Darstellung der Jugendlichen in ihrem von diesem Film vermittelten Lebensgefühl, dem Hipster-Style bis hin zu den Haaren entspricht eher dem Lebensgefühl heutiger, jugendlicher Betrachter. Die damaligen Charaktere sind also weniger dargestellt, sondern eher aus der Sichtweisen von heute interpretiert, und die Frisur sitzt, die Bügelfalten bleiben akkurat – immer.

Betrachtet man – vor allem bei der polnischen Ausgabe – das Filmplakat oder das DVD-Cover, ist wie auch im Buch immer von den drei Protagonisten Rudy, Zoska und Alek die Rede. Doch wo ist eigentlich Alek in diesem Film? Er kommt – warum auch immer – nur als nebulös ferne Figur vor.

Schnell kam schon den Rezensenten in Polen der Verdacht, dieser Film sei für polnische Gymnasiasten gedreht worden als Ergänzung der Schullektüre des zugrundeliegenden Romans. Das vermittelte Lebensgefühl soll aus ihrer Perspektive leicht verstehbar sein, deswegen diese Charaktere. Die Teenies würden dann im Rahmen eines Schulausflugs die Kinos bevölkern. Polnische Regisseure nähmen sich gern solche Themen an, da man dafür leicht Fördermittel vom PISF (Polski Instytut Sztuki Filmowej / Polnische Institut der Filmkunst) locker machen könnte, kann man zum Beispiel in der Rezension des polnischen Politmagazins Newsweek lesen.

Da ist es bezeichnend, dass der Rechteinhaber am Roman „Kamienie na Szaniec“ Dr. Wojciech Feleszko, ein Enkel des Autors Aleksander Kaminski, seine Unterstützung für den Film zurückzog, nachdem er zu Anfang das Projekt unterstützte.

Wer den Film Operation Arsenal im polnischen Original sehen möchte, kann das in voller Länge bei youtube.com.

Die deutsche Ausgabe erhalten Sie hier:

 

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1607 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".