Die Lage in den vom Hochwasser überschwemmten oder von der Überflutung bedrohten Gebieten Polens verschlimmert sich fast stündlich. Inzwischen geht man nicht nur in Polen davon aus, dass das diesjährige Mai-Hochwasser dem aus dem Katastrophenjahr 1997 gleichkommen kann, ja es könnte sogar noch schlimmer kommen.
Die sintflutartigen tagelangen Regenfälle, die der Flut vorausgingen, und bis zu 170 Liter Regenwasser pro Tag und Quadratmeter brachten, sieht Innenminister Jerzy Miller für intensiver an, als bei der Flutkatastrophe von 1997, auch die Gefahr für die südpolnische Metropole Krakau sein mindestens genauso groß, sagte Miller der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Inzwischen hat das Innenministerium 2.000 Menschen aus den besonders bedrohten Gebieten im Süden Polens evakuieren lassen. Das Hochwasser traf zuerst die Umgebung der Flüsse im Einzugsgebiet von Weichsel und Oder. Nun breitet sich das Überschwemmungsgebiet rasch um Oder und Weichsel nach Norden aus.
Betroffene Regionen in Südpolen
Besonders betroffen sind Oberschlesien, Kleinpolen und die Vorkarpaten. Dort müssen Tausende ohne Trinkwasser und Strom auskommen und vielerorts sind Felder, Weiden, Straßen, Plätze und Häuser überflutet. In Oberschlesien und südlich von Krakau sind mehrere Ortschaften von der Außenwelt abgeschnitten. Mehrere Bahnlinien wie die Strecke Krakau-Zakopane und Katowice-Bielsko-Biala sind unterbrochen, die Schienen stehen unter Wasser. Auch Krakau selbst ist gefährdet, dort allein kämpfen 4.500 Feuerwehrleute und Helfer des Katastrophenschutzes gegen die Wassermassen.
Die südwestlich von Krakau gelegene Gedenkstätte Ausschwitz musste wegen der drohenden Überschwemmung für Besucher geschlossen und mit Sandsäcken gesichert werden. Wie ein Museumssprecher mitteilte, sind die Archivbestände aber nicht gefährdet. Wie das Umweltamt bestätigt, sind allein in Polen bisher mindestens drei Menschen in den Fluten ertrunken, zwei weitere Personen gelten als vermisst.
Inzwischen haben die polnischen Behörden 8.000 Soldaten ins Überschwemmungsgebiet entsandt. Sie helfen bei der Evakuierung und stehen in Bereitschaft überall dort einzuspringen, wo es nötig ist, denn es wird schlimmer werden, da eine grundlegende Wetterbesserung auf sich warten lässt. Erst zum Wochenende soll sich das Wetter ändern.
Wo bleibt die Politik
Nach dem bereits Kritik an der Abwesenheit polnischer Politiker laut wurde, reisten Donald Tusk und jerzy Miller ins Katastrophengebiet. Am Montag sprach Ministerpräsident Donald Tusk zur Lage in Südpolen. Er wolle sich mit den Tschechen und Slowaken abstimmen und gemeinsam gegen die drohende Katastrophe ankämpfen, sagte er der Tageszeitung Gazeta Wyborcza(Poludnie pod woda).
Auch Innenminister Jerzy Miller besuchte das Überschwemmungsgebiet. Er versprachen, dass die betroffenen Regionen von Seiten der Polizei nun besser unterstützt werden, um die evakuierten Regionen bewachen und sichern zu können.
Gründe der Hochwasserkatastrophe
Auch nach den Gründen für die sich anbahnende neuerliche Überschwemmungskatastrophe sucht die Gazeta Wyborcza. Grund sei auch, dass sich nie jemand um die Deiche gekümmert habe. So zeige der Bericht der obersten Kontrollbehörde auf, dass rund die Hälfte der Deiche keinen ausreichenden Schutz gegen Hochwasser biete. Abwasserkanäle wurden in der Vergangenheit nicht ausreichend gewartet, seien verschmutzt und könnten die Wassermassen nun nicht bewältigen. Schuld an diesen Nachlässigkeiten sei das fehlende Geld, denn viele Gemeinden könnten sich die Instandhaltung ihrer Deiche und Kanäle nicht leisten, schreibt die Gazeta Wyborcza.
Flutkatastrophe und Präsidentenwahl
Auf eine weitere mögliche Folge macht die Tageszeitung „Dziennik“ aufmerksam. Sollte es nötig werden, den Katastrophenzustand auszurufen, hätte das Einfluss auf die Präsidentenwahl. Dann dürfte nach Artikel 228 Abschnitt 7 der polnischen Verfassung die Wahl erst 90 Tage nach Beendigung des Katastrophenzustands durchgeführt werden.