Das IPN behauptet Lech Walesa war aktiver Geheimdienstmitarbeiter

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Lech Walesa, Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident Polens

Lech Walesa, Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident Polens ,  Foto: gemeinfrei

Die Vorwürfe, Lech Walesa sei in den 70-er Jahren als Informant „Bolek“ Spitzel des kommunistischen Geheimsdienstes SB gewesen, sind schon seit 30 Jahren im Umlauf. Nun behauptet das IPN, neue und stichhaltige Beweise gefunden zu haben, die eine aktive Spitzeltätigkeit Walesas belegen können.

Die Kiszczak-Papiere

Die neue Kampagne begann im Februar 2016, drei Monate nach dem Tod des 90-jährigen Czeslaw Kiszczak im Herbst 2015. Er war 1981 bis 1990 Innenminister, galt als mitverantwortlich für die Verhängung des Kriegsrechts und war zu jener Zeit nach General Jaruzelski zweiter starker Mann Polens sowie Chef des Geheimdienstes SB. Während des am 13. Dezember 1981 ausgerufenen Kriegsrechts war er zuständig für die Bekämpfung der Opposition, die Verhaftungen und die Repressionen. Nicht enden zu wollen schienen die Prozesse gegen Kiszczak, als endlich 2015 ein Urteil Rechtskraft erlangte, nachdem er schuldig gesprochen wurde, Mitglied einer bewaffneten kriminellen Vereinigung gewesen zu sein, die Verbrechen gegen das polnische Volk begangen hat. Das Urteil erging speziell wegen seiner Tätigkeit als Innenminister während der Kriegsrechtszeit, als er für die vielen Verhaftungen und die Aktionen gegen die Führung der Solidarnosc sowie die Brutalität beim Vorgehen gegen Streiks und Demonstrationen verantwortlich war.

Sein Tod war insoweit nur mehr eine Notiz wert, bis seine Witwe Maria Kiszczak Anfang Februar ins Spiel kam. Sie erschien beim IPN, dem Institut des Nationalen Gedenkens. Das IPN verwaltet auch die alten Geheimdienstakten aus der Zeit der Volksrepublik. Anders als die deutsche Stasibehörde kann sie aber auch selbst staatsanwaltschaftliche Ermittlungen begehen.

Kiszczaks Witwe legte dem IPN nun eine Handvoll Dokument vor, die ihr Mann seinerzeit aus dem Amt beiseite geschafft hatte. Sie wolle diese Dokumente nun dem IPN übergeben, dem sie ja eigentlich gehören würden, wie sie betonte. Allerdings verlangte sie dafür 90.000 PLN (20.500 Euro). Das IPN fackelte nicht lange, die Staatsanwälte durchsuchte die Villa Kiszczak und beschlagnahmten unter anderm ein 90 Seiten starkes Konvolut von Akten. Diese Dokumente sollen nun beweisen, dass Walesa ein aktiver Spitzel des Geheimdienstes gewesen sei, der dafür auch Geld erhalten habe. Keine zwei Tage nach der Beschlagnahme erklärte das IPN die Dokumente für „echt“. Das allerdings kann nur als unseriös betrachtet werden, denn in der Kürze der Zeit ist keinem Wissenschaftlerteam ein abschließendes Urteil möglich.

Geheimdienstmitarbeiter Walesa? Die lange Geschichte der Vorwürfe

Walesa selbst hat nie bestritten, 1970 eine „lojalka“ unterschriebben zu haben. Damals war er inhaftiert und sollte nur dann entlassen werden, wenn er diese Verpflichtungserklärung zu „loyalem Verhalten“ unterschreibt – ein übliches Repressionsverfahren. Im Jahr 1970 kam es zu Streiks und Protesten in Danzig, die brutal zusammengeschossen wurden. Der 27-jährige Elektriker der Lenin-Werft war einer der Inhaftierten. Der größte Teil der damaligen Verhafteten habe die „lojalka“ unterschrieben, bestätigte der Zeithistoriker Andrzej Friszke 2013, Walesa habe diese Erklärung unterschrieben, habe sich 1972 mehrere Male, im folgenden Jahr drei Male und 1974 nur einmal. Mit dem SB getroffen. Walesa hatte seinerzeit die Unterschrift unter die „lojalka“ selbst unter seinen Mitstreitern bekannt gemacht. Ein solcher informeller Mitarbeiter aber ist auch für jeden Geheimdienst „verbrannt“. Friszke bestätigte, der IM „Bolek“ sei vom SB selbst 1976 wegen „Verweigerung der Mitarbeit“ entlassen worden. Auch ein Gericht in Warschau hatte Walesa schon im Jahr 2000 von dem Vorwurf aktiver SB-Mitarbeiter gewesen zu sein freigesprochen.

Schon einmal wurde Walesa vom IPN der Geheimdienstmitarbeit beschuldigt. Im Jahr 2008 hatten mit Slawomir Cenckiewicz und Piotr Gontarczyk zwei IPN-Historiker Dokumente in einer Veröffentlichung (Lech Walesa a SB) vorgestellt, die angeblich Walesas Schuld belegen. Jedoch sind diese Geheimdienstakten nicht einsehbar, somit nicht überprüfbar und blieben umstritten. Später, im Jahr 2011 hatte einer der IPN-Staatsanwälte ermittelt im SB habe es die spezielle Arbeitsgruppe Stylinksi gegeben, die nur dazu da war, Dokumente über Walesa zu fälschen. Um Walesa zu dekreditieren und innerhalb der Opposition zu isolieren, habe man diese Dokumente dann anderen Oppositionellen zugespielt. Später wurden sie auch der norwegischen Botschaft übergeben, damit Walesa den Friedensnobelpreis nicht erhält. In allen diesen bisherigen Fällen von Dokumentenfunden wurde Walesa bescheinigt Opfer gewesen zu sein, und nicht Täter.

Die Kaczynskis und Walesa: Keine Gegnerschaft sondern Feindschaft

Die Auseinandersetzungen zwischen den Kaczynskis und Walesa begannen schon seinerzeit bei den Gesprächen am Runden Tisch. Zum endgültigen Bruch zwischen Walesa und den Kaczynski-Zwillingen kam es schon zu Beginn der Präsidentschaft, als Lech Walesa und Tadeusz Mazowiecki die Politik des großen Strichs anstrebten. Sie wollten inneren Frieden im Land, um den großen Sprung in eine freies Leben mit all seinen nötigen Brüchen ohne innere Grabenkämpfe und neue Frontbildungen angehen zu können. Die Kaczynskis wollten zuerst einen unnachsichtigen Feldzug gegen die „Kommune“ führen, der eine nicht geringe Zahl Polen auch für minder schwere Taten hart bestraft hätte. Nach der Entlassung der Kaczynskis wurden die Zwillinge nicht zu Gegnern Walesas, sondern zu Feinden und sahen ihn schon damals als Teil einer „kommunistischen Verschwörung“, wegen der die Solidarnosc-Revolution und ihr Sieg „unvollständig“ geblieben seien.

Stimmen aus Polen

Es gibt natürlich Reaktionen aus Polen, die überwiegend einem Pro-Walesa-Aufschrei gleichen, auch von Protagonisten, die keine Walesa-Freunde waren.

So sagte Ex-Präsident Bronislaw Komorowski beim privaten Fernsehsender TVN24, dass Lech Walesa ist „eine große Figur und ein Mann mit großen Verdiensten im Kampf für die Freiheit sei.“ Er sei eine große und gute polnische Marke in der Welt, die nicht zu ersetzen sei. Es lohne sich seinen guten Namen zu verteidigen, sagte der ehemalige Präsident und damit den guten Ruf Polens in der Welt zu verteidigen, fügte Komorowski an.

Am 17. Februar erklärte der Historiker Prof. Andrzej Friszke ebenfalls beim privaten Fernsehsender TVN24:

 

Gdy by Walesa byl agentem, Solidarnosc by nie wygrala

Wenn Walesa Agent gewesen wäre, hätte die Solidarnosc nicht gesiegt.

 

Aufklärung oder perfider Rachefeldzug?

Lech Walesa ist ganz gewiss kein einfacher Zeitgenosse, unfehlbar war und ist er keineswegs und nach 1989 hatte er als Politiker nicht immer eine glückliche Hand. Diese Attacke gegen die Solidarnosc-Ikone Walesa nimmt jedoch groteske Züge an und vermittelt den Geruch eines kleingeistigen persönlichen Rachefeldzugs von Jaroslaw Kaczynski.

Denn das, was man in Deutschlands Südwesten gern „Gschmäckle“ nennt, haftet dieser Veröffentlichung an: Der Geruch hier eine Ikone polnischer Geschichte zu diskreditieren, um diese nach eigenem Gusto umschreiben zu können mit den Kaczynskis statt Walesa an der Spitze der Solidarnosc. Das Absurde an dieser Aktion ist die Tatsache, dass man sich nun ausgerechnet der Dokumente eines Solidarnosc-Verfolgers aus den Reihen des damaligen Unterdrückungsapparats bedient. Geht es hier wirklich um die rechtsstaatliche Aufarbeitung der Geheimdiensttätigkeit der Zeit der Volksrepublik? Hier wird zumindest mit Kiszczak einer der schlimmsten Verfolger der Opposition posthum zum Kronzeugen gemacht.

 

Das IPN will nun so schnell wie möglich den ersten Teil der neuen Dokumente ofenlegen. Die Echtheit der Dokumente an sich ist bisher nicht belegt.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".