Katyn: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte rügt russisches Verhalten

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Katyn: Film von Andrzej Waida erinnert an das Leid der Opfer und Familien

Katyn: Film von Andrzej Waida erinnert an das Leid der Opfer und Familien,

Vierzehn Kinder und Enkel sowie eine Witwe polnischer Opfer des von Stalins NKWD-Einheiten begangenen Massakers von Katyn im Jahr 1940 erreichten mit ihrer Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eine Rüge des Verhaltens russischer Behörden.

Das Massaker von Katyn im Jahr 1940 ist bis heute auch ein Symbol für die Leiden Polens im Zweiten Weltkrieg. Am 1. September 1939 marschierte die Wehrmacht in Polen ein, wenig später die Rote Armee im Osten Polens. Stalin sicherte sich damit sein Stück vom Kuchen aus dem Hitler-Stalin-Pakt, in dem die Interessen Stalins und Nazideutschlands abgesteckt und Polen als Kriegsbeute unter den beiden aufgeteilt worden waren. Die Sowjetunion annektierte in der Folge Ostpolen. Mit einem Federstrich machte Stalin 13,5 Millionen Polen zwangsweise zu Sowjetbrügern. Die polnische Elite – besonders Armeeoffiziere und Intellektuelle – wurden verhaftet.

Im März 1940 regte NKWD-Chef Lawrentij Berija bei Stalin die Erschießung von Tausenden polnischen Gefangenen an, die angeblich alle Feinde der Sowjetunion waren. Das Politbüro beschließt mit den Unterschriften sämtlicher Politbüromitglieder und der Stalins wie gewünscht die rasche Durchführung des Vorschlags von Berija. Grundlage für die Auswahl der zu Erschießenden bildeten die Listen lokaler NKWD-Dienststellen. Angeordnet wurden die Erschießungen dann von NKWD-Funktionären ohne Anhörung der Opfer und ohne Untersuchungsverfahren, ohne Gerichtsverfahren. Ausgeführt wurden die Erschießungen im März und April 1940, 21857 Polen fielen ihnen zum Opfer. In den Jahren 1942 und 1943 wurden von Eisenbahnern und der in die Sowjetunion vorrückenden Wehrmacht bei Katyn Massengräber gefunden. Eine internationale Untersuchungskommission machte die Sowjetunion für die Verbrechen verantwortlich. Stalin hingegen schob den Deutschen die Schuld zu. Bei dieser Linie blieb die politische Führung der Sowjetunion bis 1990, als man zugab. Dass Stalin und die NKWD-Organe das Massaker zu verantworten hatten. Ermittlungen wurden eingeleitet, die 2004 abgeschlossen wurden.

Fünfzehn Angehörige von Katyn-Opfern hatten von Russland daraufhin Einsicht in die Akten gefordert, denn sie wollten wissen, wie ihre Angehörigen ums Leben gekommen waren und wo sich ihre Gräber befinden. Dazu forderten sie die Rehabilitierung ihrer Väter, Großväter und Ehemänner. Die russischen Behörden jedoch hätten die Anträge der Opferangehörigen rigoros abgelehnt und die Herausgabe der Akten verweigert.

Am Montag den 16. April 2012 rügte nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, an den sich die Opfer mit ihrer Klage gewandt hatten, diese strikte Weigerung Russlands als „unmenschlich“. Neue Ermittlungen forderten die Straßburger Richter jedoch nicht. Gerügt wurde ausdrücklich die Weigerung die Angehörigen bei der Suche nach der Wahrheit zu unterstützen und die Gräber zu lokalisieren. Das aber verletze Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, monierte das Gericht. Diese Rüge betraf die Anträge für zehn der ursprünglich fünfzehn Kläger, die entweder Witwe, Kind oder Enkel eines in Katyn Ermordeten waren. Die übrigen Klagen seien hinfällig, da die Kläger in keinem engen verwandtschaftlichen Verhältnis zu Katyn-Opfern gestanden hätten. Besonders scharf rügten die Straßburger Richter auch, dass Russland dem Gericht die Herausgabe der Ermittlungsakten verweigert habe, obwohl es als Unterzeichner der Menschenrechtskonvention gemäß Artikel 38 dazu verpflichtet gewesen wäre.

Beide Seiten können nun gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. Moskau wird wohl keine Bwerufung anstreben erklärte der Jurist Andrej Fjodorow vom russischen Justizministerium. Man sehe das Urteil als ein für Russland gutes Ergebnis, erklärte Fjodorow die russische Erleichterung darüber, dass man nicht zu einer Neuaufnahme der Ermittlungen verdonnert worden sei. Doch wird man sich jetzt in Moskau einer Flut weiterer Anfragen von Katyn-Hinterbliebenen ausgesetzt sehen, die sich auf dieses Urteil berufen werden. Ruhe würde in dieser Angelegenheit erst einkehren, wenn die russischen Behörden angewiesen würden, lückenlos alle Unterlagen an Polen zu übergeben.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".