Und plötzlich ist sie da, die politische Krise in Polen. Was mit einer Computerpanne bei der polnischen Kommunalwahl am vergangenen Sonntag begann, über die man anfangs nur lachte, ist zum handfesten Skandal geworden. Noch immer nicht ist das Stimmenzählen beendet, das amtliche Endergebnis steht noch aus. Alles sah aus, wie eine ärgerliche, aber harmlose Computerpanne mit der nagelneuen Software, die das Zählen erleichtern soll.
Doch schon früh hatten IT-Spezialisten gewarnt, dass ein Hackerangriff wahrscheinlich ist. Auch da bestätigte sich bald. Am Dienstag verkündeten Spezialisten in einschlägigen Foren, dass es am Dienstag ein unberechtigtes Login in das System gegeben hatte. Mit der Aufklärung der Angelegenheit ist inzwischen die Agencja Bezpieczenstwa Wewnetrznego (Agentur für Innere Sicherheit ABW) befasst. Dieselben IT-Experten aus den einschlägigen Foren berichten schon am gleichen Tag, dass die Software des Landeswahlbüros KBW zum Stimmenzählen im Internet unter dem Namen „Kalkulator“ 1 kursiert und beim Open Source Portal Github für jedermann als Quellcode zum Download bereitstand. So war es für IT-Interessierte leicht den Code herunterzuladen und unter die Lupe zu nehmen. Sie geizten nicht mit Kritik am Programm und an den Auftraggebern. In Internetforen, die sich mit der Netzsicherheit befassen, war übereinstimmend zu lesen, dass mit solch einem Angriff zu rechnen war, da dieses System so laienhaft geschützt gewesen sei, dass die Türen weit offenstanden. Der Innengeheimdienst ABW bestätigte den Hackerangriff.
Das Landeswahlbüro hatte die Programmierung der Software erst vor drei Monaten in den Ausschreibungsprozess gegeben, an dem sich nur eine Firma beteiligte, die fast automatisch den Zuschlag erhielt, bestätigte inzwischen Justizminister Cezary Grabarczyk Journalisten gegenüber. Alle Spezialisten sind sich einig, dass es völlig unmöglich sei, in dieser Zeit ein sicheres, ausgetestetes und lauffähiges System zu liefern. Inzwischen ist bekannt, dass die Programmiererin eine Studentin aus Lodz war.
Das alles brachte es mit sich, dass Kazimierz Czaplicki, der Leiter des Landeswahlbüros KBW bei Stefan Jaworski, dem Leiter der staatlichen Wahlkommision PKW am Mittwoch seinen Rücktritt eingereicht. Inzwischen werden nicht nur innerhalb der plötzlich einmütigen größten Oppositionsparteien PiS von Jaroslaw Kaczynski und SLD von Jerzy Miller die Stimmen immer lauter, die eine Wahlwiederholung fordern. Tatsächlich weiß derzeit niemand, ob der Sensationssieg der PSL wirklich einer war, oder durch Fehler bei der Auswertung zustande kam. Am Donnerstag stürmten Dutzende von PiS-nahen Wutbürgern den Sitz der nationalen Wahlkommision und forderten den Rücktritt der ganzen Kommission. Vor allem die PiS zweifelt die derzeit kursierenden Wahlergebnissen mit einen haushohen Sieg der PSL an, da Wählerbefragungen nach der Wahl einen Sieg der PiS erwarten ließen.
Sowohl Ministerpräsidentin Ewa Kopacz als auch Staatspräsident Bronislaw Komorowski schlossen Neuwahlen aus. Kopacz betonte es sei die Wahlkommission, die versagt habe und nicht die Demokratie. Komorowski kommentierte, eine Wahlwiederholung wäre völlig verrückt. Jedoch sagte der Präsident seine Japanreise ab, um vor Ort mit Parteienvertretern im Gespräch zu bleiben.
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