Merkel zum Zweiten – Die Bundestagswahl aus polnischer Sicht

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Das Ende der Großen Koalition in Deutschland titelt die Gazeta Wyborcza ganz nüchtern in der linken oberen Ecke. Die Nachricht von der Verhaftung des großen polnischen Regisseurs Roman Polanski drückt die Nachricht aus Deutschland an den linken Blattrand. Weiter im Blatt wird  über die Schlagzeilen und Kommentare deutscher Zeitungen berichtet. „Das wird keine leichte Koalition“, kommentiert der Experte Cornelius Ochmann von der Bertelsmann Stiftung das Wahlergebnis, denn „die FDP hat eine starke Position“ Es wird auch schon spekuliert, ob das der FDP ein fünftes Ministeramt einbringen wird. In jedem Fall wollten die Deutschen einen Wechsel und nun stehe das große Umräumen an. Doch sieht die Gazeta Wyborcza beim Sieg von Angela Merkel durchaus einen bitteren Beigeschmack durch die niedrige Prozentzahl der Wähler, denn das sei eines der schlechtesten Wahlergebnisse für die Christdemokraten überhaupt.. Schuld daran sei der passive , farblose Wahlkampf analysiert die Gazeta Wyborcza. Doch sieht man für die Zukunft eine stabile Regierung in der neuen Koalition, die Deutschland auch brauche, da schwere Zeiten auf das Land zukämen.

Die Rzeczpospolita schreibt „Weiter mit Kanzlerin Merkel“, die Koalition mit der liberalen FDP ist so gut wie sicher. Hier erscheint – ebenfalls von der Verhaftungsnachricht dominiert – die Nachricht vom deutschen Wahlergebnis ganz unten im Blatt, unterhalb des Bruches, wo die 1a-News im Blatt so landen. Weiter gibt es ein Interview mit Angela Merkels Biograf Gerd Langguth. Er stellt heraus, arum die SPD in der Großen Koalition den Kürzeren zog und erklärt ihre derzeitige Schwäche damit, dass alle positiven Ergebnisse der Regierungsarbeit aufs Konto von Angela Merkel gegangen seien und die Deutschen auch die Bewältigung der Krise ihr zurechneten. Die SPD habe obendrein massenhaft innere Probleme gehabt. Auch die Wahlniederlage der SPD-Kandidatin Gesine Schwan bei der Präsidentenwahl habe nicht eben positiven Einfluss auf das Bild der SPD gehabt. Langguth erklärt den polnischen Lesern auch prägnant das komplizierte Verhältnis von SPD und der Linken, das ein Zusammengehen mit der Partei des einstigen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine derzeit unmöglich macht.

In der Außenpolitik sieht die Rzeczpospolita keine großen Änderungen auf Polen zukommen, auch an den strittigen Punkten wie der Gaspipeline und dem Vertriebenenzentrum würde sich nichts ändern. Immerhin sei aber Guido Westerwelle der designierte Außenminister derjenige gewesen, Ex-Kanzler Schröder wegen des Pipelinevertrages mit Russland am lautesten kritisiert habe. Man hofft besonders was die Auseinandersetzungen um das Vertriebenzentrum und andere Geschichtsdebatten auf eine bremsende Rolle der FDP und auf Sensibilität.

Allgemein betonen polnische Medien, dass der neue Koalitionapartner  FDP, sich unter anderem gegen die Mitgliedschaft von Erika Steinbach im Stiftungsrat des Vertriebenenzentrums ausgesprochen hatte. Der Leiter des West-Instituts Professor Andrzej Sakson urteilt über die Rolle der FDP die Polenpolitik betreffend: „Wahrscheinlich wird der neue Außenminister Guido Westerwelle heißen und an die Traditionen seines Vorgängers Hans Dietrich Genscher anknüpfen wollen. Dieser hatte immer großen Wert auf gute Beziehungen zu Mittel- und Osteuropa und somit auch zu Polen gelegt. Auch der neue Minister wird die Atmosphäre zwischen Polen und Deutschland wahrscheinlich weiter verbessern wollen.“

Auch der Aufmacher des Dziennik ist nicht etwa die Wahl in Deutschland, sondern das „Schicksal von Roman Oolanski, das nun in der Hand von Arnold Schwarzenegger läge“. Zum Thema Wahlen in Deutschland titelt der Dziennik „Die Deutschen haben gewählt. Das Land wird regieren … Merkel. Die Kanzlerin und ihre Partei bleiben am Ruder.“
Sogar Wprost sieht die deutsche Wahl ganz locker und scheint diesmal keine Bedrohung Polens zu wittern. „Angelas Triumph“ lautet der Titel des Artikels, der den Wahlsige vor allem als persönlichen Erfolg der Kanzlerin wertet. Im größeren Kontext betrachtet, könne man jedoch von einer weiteren Niederlage der europäischen Linken reden. Auch stünde das gute Wahlergebnis mit Merkels europäischen Aktivitäten im Zusammenhang, die nach Meinung der europäischen Elite eine der besten aller Führer in der EU sei. So gar keine antideutsche Nebenbemerkung bei der Wprost? Das fällt ins Auge. Auch der Wahlverlierer Frank-Walter Steinmeier kommt gut weg bei Wprost und wir auf einem hohen EU-Posten gesehen, möglicherweiser als neuer Kommissar. Das allerdings – weiß man in Deutschland – wird wohl eher nicht so sein, denn Steinmeier selbst hat sich noch am Wahlabend für den Fraktionsvorsitz der SPD im Bundestag entschieden.

Für das radikal-katholische und extrem-nationalistische Blatt Nasz Dziennik schreibt Waldemar Maszewski aus Hamburg. Auch hier fast gegen die sonstigen Gewohnheiten kein Kommentar-Element im Artikel nur eine relativ nüchterne Auflistung mit vielen Zahlen und einigen Erklärungen zum deutschen Wahlsystem. Als einziges der großen polnischen Blätter macht sich der Autor die Mühe sämtliche Parteien Deutschlands aufzulisten, die am rechten und linken Rand unseres politischen Spektrums stehen, erwähnt aber immerhin, dass diese Parteien sämtlich nicht in den Bundestag gewählt wurden.

Der polnische Bild-Klon „Fakt“ führt auf der Startseite überhaupt nur Polanski, auf Seite zwei einen schreienden Ahmadineschad und die iranische Raketenbedrohung vermischt mit einer nackten Frau, von der niemand weiß, was sie mit dem Thema zu tun hat. Ganz klein im Inhalt dann das Thema Wahl in Deutschland, man beschränkt sich auf die Ergebnisse und ein schlichtes „Merkel bleibt“.

Eines ist allen Berichten gemein: Niemand fragt groß, was die neue Berliner Koalition für Polen bedeutet. Die Berichterstattung ist sachorientiert und baut keine neuen Bedrohungsszenarien für Polen auf, wie es sonst oft durch „Wprost“ und „Nasz Dziennik“ geschieht. Es ist, wie es unter guten Nachbarn sein sollte. Man ist nicht uninteressiert,guckt kurz auf, nimmt wahr, dass sich in den Beziehungen nichts Grundlegendes ändern wird und gehr zur Tagesordnung über. Es wäre schön, wenn das so bleibe.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".