Obamas Abkehr vom Raketenschild enttäuscht Polen

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Der Tag war denkbar schlecht gewählt, denn am 17. September vor 70 Jahren marschierten Stalins Truppen in Ostpolen ein und besiegelten Polens vierte Teilung. So waren denn auch überall im Land Gedenkfeiern anberaumt, zu denen die Politprominenz des Landes unterwegs war.

Doch die US-Delegation, die aus Tschechien kommend nach Polen reiste, sollte nicht etwa an diesen Feiern teilnehmen, sondern wie zuvor den Tschechen, nun auch den Polen schonend klarmachen, dass Präsident Barack Obama sich von den Raketenschildplänen seines Amtsvorgängers George W. Busch endgültig verabschiedet hat.

Völlig unerwartet kam die Entscheidung nicht, hatte doch Obama bereits im März einen entsprechenden Brief nach Moskau geschickt, in dem er die Möglichkeit zu einem Verzicht auf das System mehr als nur andeutete. Sein Amtsvorgänger Bush hatte das System als Reaktion auf eine vermeintliche akute Bedrohung atomar bestückter Langstreckenrakten des Irans geplant. Vor einem Jahr hatten daraufhin der polnische Präsident Kaczynski und Regierungschef Tusk mit der amerikanischen Außenministerin Rice einen Vertrag unterzeichnet, nach dem zehn Abfangraketen in Polen stationiert werden sollten.

Das bedeutete damals eine neue Eiszeit in den Beziehungen der USA sowohl zu Russland als auch zum Iran. Inzwischen bestätigen neueste Erkenntnisse, dass der Iran zu einer Bedrohung mit Langstreckenraketen und Atomwaffen derzeit nicht in der Lag ist. Das sieht selbst der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak nicht anders. Für einen Neuanfang der Atomverhandlungen mit dem Iran, die im Oktober anstehen, wäre eine Unterstützung durch Russland mehr als hilfreich. Die wird nun durch Obamas Schritt quasi als Gegenleistung erwartet.

In Polen hatten alle Parteien in seltener Einmütigkeit den Raketenvertrag befürwortet. Entsprechend durchgängig ist nun die Empörung über Obamas Entscheidung. Ex-Präsident Walesa polterte beim Fernsehsender TVN 24, man müsse die polnische Haltung den USA gegenüber ändern und zeigte sich genauso enttäuscht wie Jaroslaw Gowin von der regierenden Bürgerplattform PO, der sagte, die Entscheidung Obamas bedeute, dass Osteuropa nicht im Mittelpunkt des Interesses der US-Regierung stehe. PiS-Politiker Blaszcak betonte, die Nachricht sei desillusionierend. Die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita schreib gar von einer Kapitulation der USA vor den Forderungen Wladimir Putins. In Polens politischer Öffentlichkeit sieht man nun Polens Sicherheit bedroht. Als Verrat gar bezeichneten polnische Medien den Verzicht der USA auf den Raketenabwehrschild in Polen „Die USA haben uns an Russland verkauft und uns von hinten erstochen“,titelte die Boulevardzeitung Fakt, die polnische Bild. Präsident Lech Kaczynski mit den Worten: „die Entscheidung von US-Präsident Barack Obama ist aus polnischer Sicht sehr schlecht“.

Premierminister Donald Tusk und Außenminister Radek Sikorski gaben sich staatsmännisch und ignorierten den Affront des tschechischen Premiers Jan Fischer, der die Polen informiert und seine Pressekonferenz abgehalten hatte. Tusk konnte der neuen Situation sogar Gutes abgewinnen. Es gäbe in der nächsten Zeit die Chance, die polnisch-amerikanische Zusammenarbeit bei der Verteidigung auf eine ganz neue Ebene zu heben. Er habe die Zusage von Obama, dass Polen da eine ziemlich exklusive Position einnehmen werde. Polen rechnet nun mit der Stationierung einer Batterie Patriot-Abwehraketen und eventuell einem amerikanischen Marinestützpunkt.

Eines wird derzeit aber übersehen in Polen: bei dem Raketensystem ging es nie um den Schutz Polens, sondern in erster Linie um den der USA vor iranischen Angriffen. Für Polen hätte die Stationierung eher eine Gefährdung durch mögliche Terrorangriffe mit sich gebracht. Die angedachten Trostpreise Obamas in Gestalt der Patriot-Raketen und des Marinestützpunktes dürften eher ein Äquivalent für die nun entgangenen Gegenleistung für die Bereitschaft zur Aufstellung der Raketen sein, die Polen den USA in den zähen und harten Vertragsverhandlungen sowieso schon abgerungen hatte.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".