Sehnsüchtig erwartet ist es nun endlich so weit: Der Oberlandkanal in Westmasuren ist wieder in Betrieb. Seit dem 25. April fährt die Weiße Flotte wieder über Land.
Schon seit mehr als 150 Jahren fahren im Westen Masurens die Schiffe über Berge. Auf Schienen werden sie über fünf geneigte Ebenen gezogen, um so den enormen Höhenunterschied von fast 100 Metern im Verlauf des Oberlandkanals (Kanal Ostrodzko-Elblaski) auszugleichen. Mehr als zwei Jahre lang war das technische Denkmal wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten geschlossen. Nun können Ausflugsschiffe, Hausboote und Kajaks dort wieder verkehren. Der Kanal zählt zu den größten Touristenattraktionen in Masuren. Allein die Weiße Flotte der Schifffahrtsgesellschaft Zegluga Ostrodzko-Elblaska beförderte vor der Schließung rund 40.000 Passagiere im Jahr.
Gut zehn Stunden brauchen die Ausflugsschiffe für die 80 Kilometer lange Strecke zwischen Ostróda (Osterode) und Elbl?g (Elbing). Gemächlich zieht die grüne Landschaft vorbei, entspannt können die Gäste an Deck die Fahrt genießen. Doch sobald sich das Schiff dem ersten „Berg“ nähert, kommt Bewegung in die Runde. Ängstliche halten ihre Gläser und Flaschen fest. Der Bug hebt sich wie von Geisterhand. Ein Karren nimmt das Schiff huckepack, dann wird es auf Schienen über eine schiefe Ebene gezogen. Am Rande des Kanals verfolgen Neugierige das Geschehen und erleben, wie nur mit Wasserkraft der Mechanismus aus Winden und Seilen in Bewegung gesetzt wird. Das raffinierte System hatte sich der preußische Ingenieur Georg Steenken vor mehr als 150 Jahren ausgedacht. Damals wurde der Kanal gebaut, um Masuren mit der Ostsee zu verbinden. Für Gütertransporte hatte er kaum eine Bedeutung, dafür ist er heute umso mehr ein touristisches Ziel.
Für mehr als 27 Millionen Euro musste der in die Jahre gekommene Kanal grundlegend saniert werden – Es war die erste so umfangreiche Sanierung von Grund auf. Vor zwei Jahren wurde er deshalb für den Schiffsverkehr geschlossen. Das von Steenke erdachte System der geneigten Ebenen blieb bei der Renovierung erhalten, die technischen Komponenten wie Schienen, Seilzüge, Wasserräder oder Winden mussten mit viel Fingerspitzengefühl und Handarbeit erneuert werden. Einige Abschnitte des Kanals mussten zudem von Schlick und Sand gereinigt und vertieft werden, an den vier Schleusen im Abschnitt zwischen Ostroda und Milomlyn (Liebesmühl) wurden die Wände verstärkt, elektrische Antriebe für die Tore und neue Sicherheitsanlagen installiert. Auch Hinweistafeln wurden im Zuge der Arbeiten erneuert. An der geneigten Ebene in Buczyniec (Buchwalde) entstand zudem ein multimedialer Ausstellungspavillon zur Kanalgeschichte.
Die zuständige Behörde, die Regionale Verwaltung für Wasserwirtschaft (RZGW) in Gdansk (Danzig), teilte mit, dass die Arbeiten bis auf Uferbepflanzungen und ähnliches soweit abgeschlossen sind. Nun ist der Kanal wieder für den öffentlichen Verkehr mit Segel- und Hausbooten, Kajaks und Ausflugsschiffen geöffnet. Am 25. April haben die weißen Ausflugsdampfer der Gesellschaft Zegluga Ostrodzko-Elblaska den Betrieb zwischen Elblag und Ostroda wieder aufgenommen. In den vergangenen beiden Jahren mussten diese auf alternative Routen ausweichen.
Klassische Oberlandkanal-Route: Elbl?g-Ostróda oder Ostróda-Elbl?g, Dauer 11 Stunden
Drewenzsee: Schiffsrundfahrt auf dem See mitten in Osterode, Dauer 1 Stunde
Der älteste Teil des Oberlandkanals: Von Osterode nach Liebemühl oder umgekehrt, Dauer 2 Stunden
Schillingsee-Route: Von Osterode nach Alt Jablonken oder umgekehrt, Dauer 2,5 Stunden
Wikinger-Route: Von Elbing zum Drausensee, Dauer 2,5 Stunden
Jagiellonen-Route: Von Elbing nach Marienburg oder umgekehrt, Dauer 5 Stunden
Auf den Wellen der Geschichte: Von Marienburg nach Weissenberg an der Weichsel oder umgekehrt, Dauer 2,5 Stunden
Die fünf Rollberge: Von Elbing nach Buchwalde oder umgekehrt, Dauer 4,5 Stunden
Die Nogat-Route: Schiffsrundfahrt auf der Nogat. Start- und Endpunkt Marienburg, Dauer 1 Stunde.
Mehr über den Oberlandkanal lesen Sie im Ermland-Masuren-Journal.