Das Geeiere um die Benennung eines neuen polnischen Wirtschaftsministers hat im Dezember ein Ende gefunden. Am 6. Dezember erklärte sich der neue Parteivorsitzende der Bauernpartei PSL bereit, die Nachfolge des nach der Niederlage in der Abstimmung um den Parteivorsitz der PSL von allen Ämtern zurückgetretenen Waldemar Pawlak antreten zu wollen. Damit wird Piechocinski auch Vizepremier.
Zwar hatte Piechocinski die Übernahme des Wirtschaftsministeriums und des Postens des Vizepremiers zunächst vehement abgelehnt, denn er strebe keine Regierungsämter an. Doch dann entschied er sich um, auch mangels parteiinterner Alternativen, und weil sich niemand vorschicken lassen wollte. Er habe „sich in den Dienst der Partei gestellt“, begründete er seinen Entschluss.
Doch es war wohl Ministerpräsident Donald Tusk von der Bürgerplattform PO, der die Hängepartie durch Druck beendete. In PO-Kreisen hört man es krasser: Donald Tusk habe Piechocinski die Pistole auf die Brust gesetzt. Öffentlich erklärte Tusk süffisant, er empfehle diese Idee nicht, mitregieren zu wollen, aber für nichts Verantwortung tragen zu wollen. Auch die Medien waren ob des großen Zauderns zu Sarkasmus übergegangen und schrieben von „Hamletyzowanie“, dem großen fruchtlosen Zögern und davon, dass Tusk Piechocki zu Regieren getragen habe.
Damit haben die Spekulationen ein Ende und die Koalition zwischen dem Seniorpartner Bürgerplattform PO und dem Juniorpartner PSL ist nun wieder im ruhigen Fahrwasser. Bleibt die Frage: Was wird sich ändern in der polnischen Wirtschaftspolitik und in der Koalition.
Auf jeden Fall gilt der „Neue“ in der Bürgerplattform PO als der unbequemere Ministerkollege verglichen mit seinem Vorgänger Pawlak. Zwar kündigte er nach seiner Wahl an, er wolle eine große Mission beginnen, um die polnische Politik und die Demokratie zu heilen und das Vertrauen in die Politik wiederherzustellen. Obendrein erklärte Piechocinski , die Änderung des Koalitionsvertrags anzustreben. Doch werde die PSL unter seiner Führung ein verlässlicher Koalitionspartner bleiben, versicherte der neue PSL-Vorsitzende.
Der Vorgänger Waldemar Pawlak galt seit der Wende als der Unabwählbare der polnischen Politik. Doch offenbar hatte er nicht wahrgenommen, dass sein Rückhalt sowohl beim Wahlvolk als auch innerhalb der Partei zu schwinden begann. Diese Partei aber steht mit dem Rücken zu Wand und befindet sich in einer Lager, die der de deutschen FDP gar nicht so unähnlich ist. Wäre heute Parlamentswahl in Polen, wäre es mehr als fraglich, ob die PSL die Fünfprozenthürde überspringen könnte.Die reine Klientelpartei, die als Interessenvertreter für Bauern und eigene Parteifunktionäre gilt, leidet an programmatischer Dürre und steht in dem Ruf, jede Politik mitzutragen, die der eigenen Klientel nicht wehtue.
Pawlak galt als die soziale Korrekturfigur im Kabinett Tusk, er federte so manche wirtschaftsliberale Entscheidung mit ein wenig Sozialkosmetik ab. So setzte er bei der Heraufsetzung des Rentenalters auf 67 Jahre einen erweiterten Ausnahmenkatalog durch und verhinderte die Gleichstellung der Landwirte bei der Gesundheits- und Altersfürsorge mit den anderen Unternehmern Polens.
Piechocinski, der in der Partei einst wegen des mangelnden Stallgeruchs aufgezogen wurde, weil sein Wohnsitz in Warschau ist und nicht auf dem Land, hatte zumindest die Absicht verkündet, die Partei erneuern zu wollen, die keine Antworten auf die veränderten politischen und gesellschaftlichen Realitäten Polens habe. In der Regierung ist von ihm eine härtere Gangart in Sachen Renten- und Agrarreform zu erwarten, wie sie die Parteibasis der PSL will. In jedem Fall muss er, der ja nicht nur Minister, sondern auch PSL-Vorsitzender ist, der Partei ein neues Profil erschaffen, dass sie auch für Nicht-Bauern wählbar macht. Man ist gespannt darauf in Polen, wie er diesen Spagat hinbekommt.