Polen: Kerzen für die Angehörigen und Jazz für verstorbene Musiker

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Allerheiligen auf dem Warschauer Powazki-Friedhof, Foto: Marcin Kargol CC-BY-2.0

Wenn die Tage kürzer werden, kehren bei vielen Menschen Ruhe und Nachdenklichkeit ein. Der Herbst ist auch die Zeit des Totengedenkens. Im katholischen Polen gehören Allerheiligen (Wszystkich Swietych) und Allerseelen (Zaduszki) zu den wichtigsten Festen im Jahreskalender. An diesen Abenden verwandeln sich die polnischen Friedhöfe in wahre Lichtermeere. Auf diese Weise gedenken die Menschen im Land ihrer Verstorbenen. Auch zahlreiche Musikveranstaltungen zum Gedenken an die Toten finden rund um Allerseelen statt.

Stehen zu Allerheiligen am 1. November vor allem die verstorbenen christlichen Märtyrer und Heiligen im Vordergrund, so sind die Zaduszki am 2. November der Tag des Andenkens an alle Verstorbenen. Der „Dzien Zaduszny“, wie das Fest offiziell heißt, knüpft in Polen an den altslawischen Brauch der Dziady, der Totenfeier, an. Den verstorbenen Seelen wurden verschiedene Speisen dargebracht, um sie wohlwollend zu stimmen. An Wegkreuzungen aufgestellte Lichter wiesen verirrten Seelen den Weg in die Häuser der Menschen, wo sie den Abend im Kreise der Lieben verbringen sollten. Diesem bis in heutige Zeiten in ländlichen Regionen noch lebendigen Brauch, setzte der polnische Nationaldichter Adam Mickiewicz in seinem Dramenzyklus „Dziady“ („Totenfeier“) ein bleibendes Denkmal.

Heute weist man den Verstorbenen nur noch selten den Weg in die Häuser, sondern besucht sie an ihren Gräbern, wo man ihnen zu Ehren Kerzen entzündet. Da Allerheiligen als gesetzlicher Feiertag arbeitsfrei ist, nehmen viele Polen die Gelegenheit wahr und reisen Hunderte von Kilometern in ihre Heimatorte. Auch viele im Ausland lebende Polen kommen in dieser Zeit zu Besuch. Die Friedhöfe des Landes sind an den beiden Feiertagen erfüllt mit dem Leben derer, die ihren verstorbenen Verwandten den Totendienst erweisen. Vor der umgebenden Dunkelheit heben sich die durch abertausende Kerzen hell erleuchteten Ruhestätten eindrucksvoll ab. Man muss einmal dort gewesen sein, um zu erleben, was den Polen diese Feiertage bedeuten.

Wer in der Nacht vor Allerseelen den Warschauer Powazki-Friedhof besucht, hat nicht nur Grablichter für nahe Angehörige dabei, sondern oft auch für einige der berühmten Polen, die dort ihre letzte Ruhe fanden. Auf dem ältesten und größten Friedhof der polnischen Hauptstadt wurden seit 1792 mehr als zweieinhalb Millionen Menschen bestattet, darunter große Schriftsteller wie Stefan Zeromski oder Wladyslaw Reymont, Komponisten wie Stanis?aw Moniuszko und Witold Lutoslawski, der Pianist Wladyslaw Szpilman, der Sänger Czeslaw Niemen oder der Dichter Zbigniew Herbert. Auch die bekannten Solidarnosc-Aktivisten und Politiker Jacek Kuron und Bronis?aw Geremek wurden dort vor einigen Jahren beigesetzt. Schon nachmittags leuchten an ihren Gräbern die ersten Kerzen und mit jeder Stunde werden es mehr. Auch die Erinnerungsstätten für die Opfer von Katyn oder des Warschauer Aufstandes sind in helles Kerzenlicht getaucht.

Friedhöfe wie der in Warschau sind für viele Polen auch Stätten der nationalen Identität. Als das Land von der politischen Landkarte Europas verschwunden war, erinnerte man sich dort nicht nur der eigenen Angehörigen, sondern hielt zugleich das Andenken an die Nation aufrecht. Und so erinnert man auch heute noch Anfang November auf vielen Friedhöfen mit einer Kerze der gefallenen Widerstandskämpfer oder der großen Künstler des Landes.

An den Tagen rund um die Zaduszki finden auch zahlreiche Konzerte zum Gedenken an die Toten statt. Neben klassischen Veranstaltungen in den Kirchen haben sich vor allem die Zaduszki Jazzowe einen Namen gemacht. In nahezu allen größeren Städten des Landes erinnern polnische und internationale Jazzmusiker mit Konzertveranstaltungen an ihre verstorbenen Kolleginnen und Kollegen.

So beispielsweise beim Krakauer Allerseelenfestival, das in diesem Jahr bereits zum 58. Male stattfindet.  Es ist dem kürzlich verstorbenen, renommierten Jazzgitarristen Jaros?aw „Jarek” Smietana gewidmet. Konzerte finden vom 2. bis zum 9. November in bekannten Jazzlokalen wie der Piwnica Pod Baranami und Harris Piano Jazz Bar am Rynek Glowny (Altstadtmarkt) statt. Außerdem wird am 4. November eine Jazz-Messe in der Dominikaner-Kirche zelebriert. Im Rahmen des Festivals findet zudem am 9. November ein Konzert im nahe gelegenen Salzbergwerk von Wieliczka statt.

Nicht ganz so alt sind die seit 2002 in Poznan (Posen) stattfindenden Zaduszki Jazzowe, die in diesem Jahr am 5. November in der barocken Pfarrkirche in der Altstadt veranstaltet werden und ebenfalls mit einer Messe beginnen. Bereits am 30. Oktober finden die Zaduskie Jazzowe in Wroclaw (Breslau) statt. Dort tritt an diesem Abend der bekannte polnische Jazztrompeter Tomasz Stanko mit seinem Quartett in der Synagoge Pod Bialym Bocianem (Zum Weißen Storch) auf. Die Veranstaltung ist Teil des Ethno Jazz Festivals, das im Oktober und November in der niederschlesischen Metropole mit bekannten Musikern aus dem In- und Ausland veranstaltet wird. In Bydgoszcz (Bromberg) bilden die Zaduszki Jazzowe am 1. November den Abschluss des Bydgoszcz Jazz Festivals 2013, zu dem zahlreiche polnische und internationale Musiker in der Hauptstadt von Kujawien-Pommern erwartet werden.

Weitere Informationen zu den Jazz-Festivals:

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".