Polen: Ein Land mauert sich ein

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Die PiS-Franktion im polnischen Parlament Sejm, Foto: Piotr Drabik, CC BY 2.0

Die PiS-Franktion im polnischen Parlament Sejm, Foto: Piotr Drabik, CC BY 2.0

Mauern beginnen meist in den Köpfen. In den Köpfen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS sind diese Mauer schon länger vorhanden. Doch wie schnell sich die Akzeptanz dieser Mauern im Land verbreitet, ist furchterregend. Sie sind mindestens so gefährlich, wie die Zäune, hinter denen sich manche europäische Länder verschanzen, diese Mauern in den Köpfen. Sie verstellen den Blick in die Weite und führen zur vollständigen Selbstzentrierung. Die eigentliche Gefahr ist: Hier wird eine geistige Enge geschaffen, die Kant, die Aufklärung und den Humanismus zurückzunehmen droht.

Wie viele Populisten, beansprucht die PiS die Deutungshoheit für alles. Selbst das Christentum wird verbogen, und um seine wesentlichen Werte gebracht – trotz aller anders lautenden Äußerungen des polnischen Episkopats. Wesentliche Punkte christlichen Glaubens sind die Nächstenliebe, die Barmherzigkeit und die Vorstellung, dass wir alle Kinder Gottes sind. Diese Werte machen nicht an der Grenze der eigenen Glaubensgemeinschaft und der eigenen Nation Halt.

Die ersten Aktionen der Regierung und der radikalen Rechten auf der Straße ließen den Betrachter frösteln und sich die Augen reiben. Ist das auch Polen? Wo war das Polen geblieben, das bisher so freundlich und offen erschien und längst als geschätzter, wichtiger Partner in Europa galt? Mit fremdenfeindlichen Äußerungen aus Regierungskreisen, offenem Rassismus auf der Straße, böswillig falschen Äußerungen gegen „den Islam“?

  • Die rechtsradikalen Nationalisten erobern die Straße, obwohl die Kirche von der Kanzel wettert, Nationalismus sie gegen den Patriotismus. In Breslau brennen EU-Fahnen und der rechte ONR-Mob verbrennt gemeinsam mit der ebenfalls rechtsradikalen Allpolnischen Jugend eine in EU-Fahnen eingehüllte Puppe, die Juden darstellen.
  • Im öffentlichen Raum verschwinden die EU-Fahnen, Premierministerin Szydlo ging im Parlament mit gutem Beispiel voran.Polen macht die Rolle rückwärts, denn Jaroslaw Kaczynski, will Polen in einen souveränen Nationalstaat umbauen, das nicht unter „Merkels Stiefel“ zertreten wird.
  • Außenminister Witold Waszczykowski erklärte, nach den Pariser Terroranschlägen würde Polen ob der Sicherheitslage keine Flüchtlinge aufnehmen. „Der Islam“ wird mit Regierungsrückendeckung verteufelt und mit Islamismus und dem IS gleichgesetzt, da nützt auch der Twitterfeed des Papstes nicht der besagt, Christen und Muslime seien Brüder und sollten sich auch so verhalten.
  • Im Inneren begannen die Schläge gegen eine freiheitliche und demokratische Grundordnung mit der Begnadigung des neuen Geheimdienstchefs Mariusz Kaminski durch Präsident Duda. Kaminski war zu Jahresbeginn wegen Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Präsident Duda hob den Richterspruch auf. Kaminski hatte während der ersten PiS-Regierungszeit 2005-2007 die Anti-Korruptionsbehörde CBA aufgebaut, die als Bespitzelungs- und Kampfinstrument gegen politische Missliebige fungierte. Inzwischen sind sämtliche führende Posten bei den Geheim- und Sicherheitsdiensten mit PiS-Getreuen besetzt.
  • Die Aushöhlung des Rechtsstaats ging weiter mit einem Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz. Fünf noch zu Zeiten der alten Regierung gewählte und bestallte Verfassungsrichter droht ebenfalls die Entlassung, die PiS hat ihre Wahl kurzerhand für ungültig erklärt. Verfassungsrechtler halten das für einen Angriff auf den Rechtsstaat.
  • Freie Medien und eine freie Kulturszene wird es nach dem Willen der PiS in Polen möglichst gar nicht geben. In Breslau versuchte Kulturminister Glinski die Aufführung eines Jelinek-Stücks wegen einiger Nacktszenen als (Pornografie) zu verhindern. Die vorgeschickten Fanatiker wurden von der Polizei gestoppt, und Glinski erschien zum Interview beim Fensehsender TVP. Auf Fragen nach den Zensurgründen wurde Glinksi ausfällig und sprach von einem „Propragandaprogramm“. Wie TVP, das seit Jahren Propaganda bringe und manipuliere, werde man ändern. Man werde die Besitzverhältnisse von Fernsehen, Radiosendern und der Nachrichtenagentur PAP ändern, erklärte er. Auch bei den Printmedien will die PiS eine solche Repolonisierung durchführen. Bei Theatern will die PiS die Avantgarde auf diese Art entfernen.

Erschreckt und ungläubig schauen wir daher darauf, was in unserem Nachbarland Polen passiert. Polen wollte den Wechsel im Wahljahr 2015. Man war des Tempos der seit 25 Jahren dauernden Veränderungen einer Transformation müde, wie sie noch nie zuvor in einem so großen Land durchgeführt wurde. Dauernd veränderte sich etwas, nie war man sicher, was die nächste Reform bringen würde. Immer wieder gab es auch gescheiterte Reformen, dazu Phasen, in denen ein Skandal den Nächsten jagte. Auch hatte der „kleine Mann“ zunehmend das Gefühl, das Wirtschaftswachstum komme bei ihm nicht wirklich an. Für den wechselwilligen Wähler kamen nur der Rockmusiker Kukiz mit seiner Bewegung und die PiS von Jaroslaw Kaczynski infrage. Dazu erschien die PiS sowohl im Präsidentschafts- als auch im Parlamentswahlkampf auf modern getüncht, ohne den poltersüchtigen Parteiführer Kaczynski. Besonders die PiS machte sich zum Anwalt der kleinen Leute nach dem Motto „Die verstehen mich!“, und das führte zum Sieg mit absoluter Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Mit der Kukiz-Berwegung, die bisher geschlossen mit der PiS stimmte, ist die Regierung Szydlo nahe an einer Mehrheit, die sogar Verfassungsänderungen möglich machen. Obendrein stellt die PiS mit Andrzej Duda auch den Präsidenten. Eine solche Machtfülle bei nur einer Partei hat es im Nachwende-Polen nie zuvor gegeben. Entsprechend rigoros und rücksichtslos geht die PiS vor und das in einem atemberaubenden Tempo. Die bisher regierende Bürgerplattform PO ist abgetaucht und damit beschäftigt, den eigenen Zerfall zu verhindern. Dabei wäre jetzt die Zeit sich als Alternative zu profilieren und um ein freies, weltoffenes und wirklich demokratisches Polen zu kämpfen. Sie hätte im Parlament sogar einen möglichen Partner, die neue marktliberale Partei „die Moderne“ von Ryszard Petru, die derzeit diesen Platz des Protestes einnimmt. So verfestigt die PO das Bild eine Partei der Karrieristen zu sein, die sich noch immer weit abgehoben vom Volk befindet.

Was für eine Denke ist das, wenn nicht nur der rechte Mob in Breslau die Fahnen der EU verbrennt, sondern sie auch in Windeseile aus dem öffentlichen Raum verbannt werden? Dass die PiS die EU als Sündenbock für alles ausmacht und instrumentalisiert, ist dabei nicht eben überraschend. Zwar verweigert man die Solidarität mit anderen Ländern, möchte aber andererseits dort, wo es um die Geldtöpfe der EU geht, vollmundig auch noch nachverhandeln. Dabei ist diese anzumerken: Polen ist größter EU-Nettoprofiteur (60 Milliarden Euro) in der EU.

Und wenn es noch so gebetsmühlenartig im neuen Polen propagiert wird, die EU ist nicht Deutschland. Die alte, kleine EU war ohne die Achse Frankreich-Deutschland genauso wenig denkbar wie die heutige große EU. Sie brachte aus der Mitte heraus eine innere Stabilität, die dazu führte, dass innergemeinschaftliche Interessengegensätze aushaltbar und lösbar waren.

Das Wesen der EU beruht auf gemeinsamer Lösung von Problemen, einem gerechten, auf die Möglichkeit der Einzelstaaten ausgerichteten Teilen von Rechten, Lasten und Pflichten sowie der Solidarität der EU-Mitglieder untereinander. Polen entfremdet nicht nur von den Werten dieser EU, sondern schüttelt selbst fundamentale europäische Werte wie Solidarität und Humanismus ab.

Von dieser neuen Engstirnigkeit wird Polen nicht profitieren, im Gegenteil, es wird verlieren – auch die Solidarität der anderen, denen es selbst die Solidarität verweigerte – und droht zu einem autoritären Staat zu werden, der versucht sich geistig einzumauern.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".