Der polnische Präsident Lech Kaczynski (60) war mit seiner Frau und einer Delegation hochrangiger Polkitiker sowie mit Angehörigen der Katyn-Opfer zu einer Gedenkfeier zum 70. Jahrestag des Massakers von Katyn unterwegs, als sein Flugzeug beim Landeanflug auf Smolens verunglückte. Keiner der vermutlich 132 Passagiere – andere Quellen nennen 96 Opfer – überlebte den Absturz. Sowohl offizielle Stellen in Polen als auch der Gouverneur von Smolensk bestätigten, dass es beim Absturz um 8:50 mitteleuropäischer Sommerzeit keine Überlebenden gegeben hat.
Wie Augenzeugen des Absturzes berichteten, soll es zur Unglückszeit sehr neblig gewesen sein, die Maschine sei etwa 1,5 Kilometer vor dem Flughafen zu früh zu tief geflogen und habe einige Bäume gestreift. Dann sei die Maschine auseinandergebrochen und habe Feuer gefangen. Bei dem verunglückten Flugzeug handelt es sich um eine etwa zwanzig Jahre alte Tupolew TU-154 M. Zwar gab es mit diesem Flugzeugtyp in den letzten zehn Jahren zehn schwere Unglücke, doch hatten diese vor allem auf dem schlechten Wartungszustand der Maschinen beruht. Auch habe es in Polen ob des Alters der Regierungsmaschinen Diskussionen gegeben, doch gelte dieser Fluzeugtyp allgemein als zuverlässiges Arbeitstier, urteilten Flugzeugexperten über die Tupolew.
Inzwischen werden immer mehr Einzelheiten des Absturzes bekannt. So soll der Nebl sehr dicht gewesen sein, so dicht, dass der Smolensker Militärflughafen sogar zweimal kurzfristig geschlossen wurde, da er über kein Instrumentenlandesystem verfügt. Dem Piloten der polnischen Präsidentenmaschine soll empfohlen worden sein, einen Ausweichflughafen wie Minsk in Weißrussland anzusteuern. Doch der Pilot versuchte die Landung in Smolensk gleich mehrfach, bis es beim vierten Anflugsversuch zum Absturz kam. Inzwischen wurde die „Black Box“ der Unglücksmaschine gefunden.
Die zuständige russische Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen und untersucht in die drei Richtungen Wettereinflüsse, technischer Defekt und Pilotenfehler, ein Attentat schließt man ob des Unfallhergangs aus. Inzwischen ließ der russische Präsident Medwedjew eine Untersuchungskommission unter der Leitung Ministerpräsident Putin bilden.
Die Delegation mit dem Präsidentenpaar wollte sich mit weiteren Angehörigen der Katyn-Opfer, die in einem Sonderzug angereist waren, an der Gedenkstätte Katyn treffen, die nur wenige Kilometer außerhalb von Smolensk liegt. Dort wollte man gemeinsam der 1940 hier ermordeten 22.000 polnischen Offiziere und Intellektuellen gedenken.
Die Liste der Opfer des Flugzeugabsturzes liest sich wie ein Who-is-who der polnischen Politik. Unter den ebenfalls getöteten Delegationsmitgliedern befanden sich neben Lech und Maria Kaczynski
Sejm-Vizemarschall Jerzy Szmajdzinski, Ex-Verteidigungsminister, Abgeordneter der SLD und Kandidat der Linken für die kommende Präsidentschaftswahlen, Ryszard Kaczorowski, Polens letzter Staatspräsident im Londoner Exil, der Leiter der Kanzlei des Präsidenten Wladyslaw Stasiak, Polens Ex-Verteidigungsminister Aleksander Szczyglo, Ex-Arbeitsminister Pawel Wypych , der polnische Botschafter in Russland Jerzy Bahr, der Präsident der polnischen Zentralbank Slawomir Skrzypek,der Vorsitzende des Instituts für Nationales Gedenken IPN (Instytut Pamieci Narodowej) Janusz Kurtyka, Bischof Tadeusz Ploski sowie General Franciszek Gagor, Stabschef der polnischen Armee.
Lech Kaczynski war seit 2005 Präsident Polens und wäre wohl auch im Hertbst zur Wiederwahl angetreten. Amtsnachfolger für den Rest der Kadenz wird nun Sejm-Marschall Bronislaw Komorowski, der als Sieger der Vorwahl der regierenden Bürgerplattform Kandidat für die Päsidentschaftswahl im Herbst ist. Glaubt man den bisherigen Umfragen hätte er bei dieser Wahl auch den nun verstorbenen Amtsinhaber Kaczynski geschlagen.
Polen ist zutiefst schockiert ob dieser Tragödie, auch Menschen, die keine Kaczynski-Anhänger waren, zeigen sich tief betroffen. Die Menschen in Warschau strömen zu Tausenden zum Präsidentenpalais, um dort Blumen niederzulegen und Kerzen anzuzünden, alle Kirchenglocken der polnischen Hauptstadt leuteten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich tief betroffen über den Tod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und sagte in Schwielowsee bei Potsdam. „Ich bin zutiefst bestürzt über den Absturz und den Tod des polnischen Präsidenten.“
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) reagierte ebenfalls schockiert über den Tod von Lech Kaczynski . Dies sei eine tragische Stunde für Polen, sagte er am Samstag in Kapstadt. Europa verliere mit Kaczynski und den anderen Opfern der fürchterlichen Tragödie Persönlichkeiten, auf die man habe bauen können, wenn es darauf ankam.
Update 10.April 2010, 19:00
Wie die russische Nachrichtenagentur Nowosti berichtet, ist die Leiche des polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski inzwischen gefunden worden. Es wurde bekannt, dass Zwillingsbruder Jaroslaw Kaczynski mit einer Sondermaschine an den Unglücksort nach Westrussland geflogen. Ebenfalls nach Smolensk geflogen ist Donald Tusk, der dort mit Putin zusammen am Abend eine Pressekkonferenz halten wird.
Bestürzung und Schock paralysieren Polen derzeit, ein ganzes Land trauert um seine politische Elite. Ministerpräsident Donald Tusk nannte den Absturz das „tragischstes Ereignis in der polnischen Nachkriegsgeschichte“. Besonders schockt die Polen der tragische Zusammenhang mit Katyn, der auch an den Absturz des Exil-Premiers Sikorski von 1943 wenige Wochen nach der Entdeckung der Massengräber von Katyn erinnert.
Polen hat nicht nur seinen Präsidenten verloren, inzwischen weiß man mehr über die Opfer unter denen sich die komplette Armeeführung befand. Neben dem Generalstabschef der Polnischen Armee, General Franciszek Gagor, starben fünf weitere Generäle – unter ihnen der Befehlshaber der Streitkräfte, Bronislaw Kwiatkowski, sowie die Befehlshaber der Luft-, See, Land, und Spezialstreitkräfte und der Kommandant der Warschauer Garnison. Unter den Toten ist auch die Bürgerrechtlerin Anna Walentynowicz sein, die Ikone der Danziger Solidarnosc.
Bronislaw Komorowski hat mittlerweile wie es die polnische Verfassung vorsieht, als Marschall des Parlaments Sejm die Amtsgeschäfte des Präsidenten übernommen. Am Vormittag erklärte Komorowski: „Im Angesicht dieser nationalen Katastrophe sind wir heute zusammen. Es gibt keine Linke, keine Rechte, es gibt keine Unterteilungen, keine Unterschiede. Wir fühlen mit den Familien der Opfer der Katastrophe von Smolensk.“ Als erste Amtshandlung als amtierender Präsident verhängte er eine einwöchige Staatstrauer.
Polen trauert um den Präsidenten und seine Elite
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