Polen trauert um den Präsidenten und seine Elite

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Polen ist in Trauer versunken seit dem Flugzeugabsturz vom 10. April bei Smolensk, der wie man nun weiß 96 Mitglieder der polnischen Elite das Leben kostete. Den ganzen Sonntag über strömten Zehntausende Polen nach Warschau und verwandelten die Gegend um das Präsidentenpalais in ein Meer von Blumen und Kerzen.

In allen polnischen Kirchen fanden Gedenkgottesdienste statt, die Kirchen reichten bei weiten nicht aus, den Andrang der Gläubigen aufzunehmen, die Messen wurden per Lautsprecher auf die Straßen und Vorplätze übertragen. Diese gemeinsame, öffentliche Trauer hatte man in Polen zuletzt beim Tod von Papst Johannes Paul II. im Jahre 2005 erlebt.

Die Menschen in Polen suchten Gemeinschaft in der Trauer und gegenseitigem Trost – niemand blieb allein in seiner Trauer, auch nicht der politische Gegner. Es herrscht Schulterschluss in Polen, was sich nicht nur dadurch erklärt, dass Vertreter aller politischer, gesellschaftlicher und religiöser Gruppierungen in der Unglücksmaschine saßen. Diese Trauer hat etwas sehr Versöhnliches, auch wenn der polnische Präsident die Meinungen so polarisiert hat, wie kein anderer. Er war trotzdem der Präsident aller Polen und mit dem Gros seiner Gegner, vor allem derjenigen, die zur regierenden Bürgerplattform PO von Ministerpräsident Donald Tusk gehören, verband die Kaczynskis die gemeinsame Solidarnosc-Vergangenheit. So haben sich die Kaczynski-Zwillingen, Lech Walesa oder Donald Tusk und Bronsilaw Komorowski weit von den jeweiligen alten Kampfgefährten wegentwickelt. Doch der gemeinsame Kampf um die Freiheit, der gemeinsame Antikommunismus, und ein tiefes Misstrauen russischen Regierungen gegenüber hat sie über alle Gräben hinweg wie durch ein unsichtbares Band verbunden.

Wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde in Polen die russische Anteilnahme. Die russische Führung – sowohl Premier Putin als auch Präsident Medwedjew – zeigen sich äußerst bemühnt, die Aufklärung der Absturzursache zügig aber gründlich durchzuführen und zwar gemeinsam mit polnischen Experten. Jeder Hauch eines Anscheins von Vertuschung würde das zarte Pflänzchen Versöhnung, dass vor wenigen Tagen in Katyn gepflanzt wurde, rasch verdörren lassen. Auch die Geste Putins, der den trauernden Tusk umarmte und am Sonntag mit dem polnischen Botschafter rote Rosen am auf dem Flugfeld von Smolensk aufgebahrten Sarg Kaczynskis niederlegte, hat man sehr wohl wahrgenommen in Polen. Auch, dass der Staatssender Rossija das Fernsehprogramm änderte, und zur besten Sendezeit den Wajda-Film „Das Massaker von Katyn“ ausstrahlte. Es könnte also sein, dass die zweite Katastrophe von Katyn, die Versöhnung der beiden Nachbarländer befördern könnte.

Besonders groß ist die Erschütterung in Polen, weil es um Katyn geht, diese offene, nicht heilen wollende Wunde im Gedächtnis aller Polen, die Erlösung wohl nur in einer förmlichen Anerkennung und Entschuldigung von russischer Seite finden kann. Wieder starb ein nicht unbedeutender Teil der polnischen Elite bei Katyn, starb, weil sie den Toten des Jahres 1940 die Ehre erweisen wollten. Die Polen, die in ihrer Geschichte so oft mit historischen Tragödien zu tun hatten, sehen sich mit einer Katastrophe konfrontiert, deren Tragik für viele Menschen in unserem Nachbarland wie ein Deja-vu-Erlebnis ist, ein Vorfall, wie sie ihn sich anderswo nur Schriftsteller ausdenken.

Nach dem ersten Schock haben auch die polnischen Medien begonnen, über die Absturzursache zu spekulieren. Fest stehen dürfte bisher, dass sowohl ein Attentat, als auch ein technischer Defekt als Grund des Unfalls ausscheiden. Bleibt die Vermutung: menschliches Versagen. Dreimal soll die Maschine einen Landeanflug gestartet haben, bevor der vierte Anflug in der Katastrophe endete. Alles soll so weit gepasst haben, nur kam die Maschine viel zu tief herein. Nicht ganz geklärt ist bisher, ob es sich bei den ersten drei Versuchen um richtige Versuche handelte, die Maschine zu landen, oder nur um Orientierungsanflüge. Unstrittig ist, dass die Flugüberwachung empfohlen hat, wegen des Wetters nach Moskau oder Minsk auszuweichen, wie es zur gleichen Zeit auch einen russische Maschine getan hatte. Bleibt die Frage offen, warum die Piloten der Maschine Hauptmann Arkadiusz Protasiuk und Major Robert Gzywna sich zur Landung entschloss. Tat er das aus freien Stücken, oder gab es Druck von Seiten seines Vorgesetzten, des Chefs der Luftstreitkräfte, oder wollte gar Präsident Kaczynski pünktlich in Katyn sein? In diesem Zusammenhang ist bekannt, dass der polnische Präsident schon einmal 2008 einen Piloten, der aus Sicherheitsgründen im Georgienkonflikt dem zwingen wollte, nicht in Baku, sondern direkt in Tiflis zu landen. Der Pilot wurde später entlassen. Fest steht, dass die Maschine der polnischen Delegation spät dran war. Zu Unfallzeitpunkt hätte man schon in Katyn sein sollen, wo die Feierlichkeiten mit 450 weiteren, mit dem Sonderzug angereisten Polen um 9.00 Uhr beginnen sollten. Man hofft nun, dass die Fahrtenschreiber der Maschine Hinweise geben werden.

Die Leichen der Opfer sind bei weitem noch nicht alle identifiziert. Nur einem Drittel konnte die Identität zweifelsfrei zugeordnet werden, der Rest muss nun durch einen DANN-Abgleich identifiziert werden. Inzwischen ist die Leiche der Präsidentengattin Maria Kaczynska identifiezeirt werden. Sie wir morgen nach Warschau überführt werden. Sejmmarschall Bronislaw Komorowski gab heute bekannt, dass die offizielle Trauerfeier für die Opfer der Katastrophe am Samstag auf dem Pilsudski-Platz stattfinden wird. Für die Bundesrepublik werden den dem Staatsakt Bundespräsident Hort Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Für den Tag des Staatsaktes ordnete Innenminister Thomas de Maiziere in der Bundesrepublik Trauerbeflaggung an.

Der Sarg des verstorbenen polnischen Präsidenten wird ab morgen aufgebahrt, dann kann die polnische Bevölkerung sich von ihm verabschieden und seiner Trauer Ausdruck verleihen. Viel mehr Zeit als bis zum Wochenende wird nicht bleiben für die Trauer und die Verarbeitung des Geschehenen, das Land muss funktionieren und zahlreiche Posten müssen neu besetzt werden. Vor allem aber muss die überparteiliche Solidarität noch eine Weile anhalten. Man mag zur PiS stehen wie man will, sie repräsentiert einen nicht unerheblichen Teil der Polen und man muss sich überlegen, wie man ihr einen angemessenen Anteil im öffentlichen und politischen Leben Polens ermöglichen kann, denn diese Partei hat den stärksten Aderlass durch dieses Unglück zu verzeichnen.

Es täte Polen nicht gut, wenn die regierende Bürgerplattform Polens Politik vollends dominieren würde. Offen ist auch noch die Frage der Präsidentenwahl. Ein Termin ist schnell angesetzt, aber mit welchen Kandidaten. Mit Lech Kaczynski und Jerzy Szmajdzinski sind zwei der drei vorgesehenen Kandidaten tot.

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Über Brigitte Jaeger-Dabek 1605 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".