Donald Tusk, polnischer Ministerpräsident seit 2007 und Vorsitzender der regierenden liberal-konservativen Bürgerplattform PO will nicht. Als ausgemacht und sicher galt bisher, dass Tusk bei der polnischen Präsidentschaftswahl im Herbst dieses Jahres kandidieren würde. Glaubt man den Umfragen, wäre er der haushohe Sieger: in den jüngsten Umfragen der Gazeta Wyborcza liegt Tusk mit 35% gegenüber 18% von Amtsinhaber Lech Kaczynski klar vorn.
Hatte Tusk kürzlich seine Kandidatur noch kürzlich an eine Verfassungsänderung gebunden, teilte er am vergangenen Donnerstag Vormittag in der Warschauer Börse seinen Verzicht mit und sorgte damit für gehörige Überraschung im Land.
Die Kommentare nach Tusks Verzicht auf den Wahlkampf sind im polnischen Parlament grundverschieden. Während die Opposition von Angst und Feigheit spricht, sehen die Regierenden in Tusk einen Politiker mit Vision, der über eine Legislaturperiode hinaus denkt.
Tusk erklärte seinen Verzicht damit, dass sich die reale Macht in der Regierung befindet und nicht im Palast, so sei für ihn die Fortsetzung des erfolgreichen Wirtschaftskurses wichtiger als der Sitz im Präsidentschaftspalast. Er wolle Chef der Regierung und seiner Partei, der Bürgerplattform, bleiben, sagte der polnische Ministerpräsident. Sein Ziel sei es, aus Polen ein attraktives und modernes Land zu machen, das werde kein einfacher Weg sein, aber er werde alles tun, um den Plan zu realisieren, betonte Donald Tusk.
Wenn man nach den Hintergründen fragt, fällt schon der Ort der Verkündung des Verzichts auf, die Warschauer Börse. Weg von den jüngsten Skandalen will die PO sich als Pertei der Wirtschaftsfachleute profilieren, die Polen auf Kurs halten. Da kommen die jüngsten Zahlen des polnischen Statistischen Hauptamtes GUS vom vergangenen Mittwoch gerade recht: 1,7 Prozent ist Polens Wirtschaft im vergangenen Krisenjahr gewachsen und ist damit EU-weit der Primus. Diesen Weg will Tusk mit aller Kraft weitergehen und das wirtschaftliche Nachwende-Aschenputtel Polen weiter zum boomenden Wirtschaftszentrum im östlichen Mitteleuropa entwickeln.
Tusk ist kein Mann, der irgendetwas spontan entscheiden würde. So hat er auch diesen Schritt wie es seine Art ist genau durchdacht und tut ihn im Rahmen einer langfristigen Strategie, denn Tusk gilt als ein Mann, der weiter denkt, als bis zur nächsten Wahl. So dürfte auch seine Strategie über diese Legislaturperiode hinausgehen. Donald Tusk sieht sich als einen Mann mit Visionen für Polen, die ganz nebenbei seiner Karriere nützen.
Tusks Chancen bei den nächsten Parlamentswahlen stehen eigentlich nicht schlecht, wenn ihm keine weiteren Groß-Skandale dazwischenkommen und er heiße Reformeisen wie das Gesundeheitswesen und die Schwerindustrie anzupacken wagt. Er hat Polen aus der europäischen Isolation geführt, in die die Kaczynski-Brüder das Land gewurschtelt hatten und hat aus dem ewigen EU-Querulanten einen europaweiten Partner gemacht, der konstruktiv mitarbeitet und viel Kreativität beisteuert, die anti-deutsche Karte der Kaczynskis hat ausgespielt, Polen ist von den westlichen EU-Ländern nicht ausgeraubt worden und auch nicht zum verwestlichten Sündenpfuhl geworden, dazu pflegt Tusk einen kooperativen Führungsstil. Zudem kann er beginnen, auf den demographischen Faktor zu hoffen: eine junge Generation mit eigenen, neuen Vorstellungen stellt nun bald das Gros der Wahlberechtigten. Er hat also keine schlechten Aussichten, Ministerpräsident zu bleiben.
Eine Präsidentschaftswahl ist auch in Polen viel mehr eine Personenwahl, als eine programmatische Wahl. Das bedeutet nachtürlich, das es immer auch möglich ist, einen Gegenkandidaten durch Schmutzkampagnen zu desavouieren, wie den Kaczynskiy das vor zwei Jahren gelang, als Tusk schon einmal wie der sichere Sieger aussah und dann doch mit 46 gegen 54 Prozent gegen Lech Kaczynski unterlag. Hauptsächlich lag das an der Kampagne gegen seine Herkunft, den Tusk hat kaschubische Wurzel und sein Großvater war während der deutschen Besatzungszeit zwangsweise Wehrmachtssoldat. Die Unwägbarkeiten sind also trotz positiver Umfragen groß und Tusk will das Risiko nicht eingehen für ein Amt, das zwar das höchste des Landes ist und dessen Inhaber die Politik der Regierung zwar blockieren kann, sie aber nicht aktiv gestalten kann. Ein große Politiker kann man daher nicht als Präsident werden. Dazu könnte er als Ministerpräsident das schaffen, wofür jetzt die Zeit zu kurz ist: eine Verfassungsänderung, die ein Kanzlersystem a la Bundesrepublik einführt, in dem der Präsident eine ausschließlich repräsentative Rolle hat.Präsident kann er schließlich auch in fünf Jahren noch werden.
Wie es nun weitergeht ist noch nicht ganz klar. Zuerst hieß es, ein Parteitag im Mai würde den Kandidaten der PO bestimmen, inzwischen sickerte durch, dass die Entscheidung bereits in nächstes Zeit fallen würde. Als aussichtsreichste PO-Kandidaten für die Präsidentenwahl werden derzeit Sejmmarschall Bronislaw Komorowski und Außenminister Radek Sikorski gehandelt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass beide in der Lage wären, Amtsinhaber Kaczynski im zweiten Wahlgang zu schlagen.