Yezidische Flüchtlinge, Foto: DFID – UK Department for International Development, CC BY 2.0
Polen tut sich schwer mit der Aufnahme an Flüchtlingen, sowohl was das politische Warschau betrifft, als auch den „kleinen Mann“ auf der Straße. Grundsätzlich wird in Polen von der weit überwiegenden Mehrheit die Aufnahme dunkelhäutiger Migranten und Muslime abgelehnt. Auch in Polen gibt es Aufmärsche in Pegida-Art mit ähnlichen Parolen wie „Wir wollen keine Migranten und Flüchtlinge in Polen“, auch rechtsextreme Pöbeleien, die den Willen nach einem „weißen und sauberen Polen“ in die Welt hinausposaunen. Man hört tausend Argumente, die gegen die Aufnahme sprechen und so gut wie keines, das für die Aufnahme aufgrund schlichten christlichen Erbarmens spricht.
Eine im Juni durchgeführte Meinungsumfrage des Meinungsforschungsinstitut Ipsos für das Ausländeramt über die Haltung der Polen Migranten gegenüber ergab, dass über zwei Drittel der Polen Arabern und Muslimen gegenüber generell misstrauisch sind und 51% der Befragten sie für ein Sicherheitsrisiko für ihr Land halten. Dazu meinen 43% dass Polen bei Arbeitsplätzen Ausländern gegenüber den Vorrang haben sollten und Ausländer am besten andere Arbeitsplätze erhalten sollen als die Polen. Nur 38% der Polen meinen, dass Ausländer den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt haben sollen.
Das verblüffendste Argument gegen das Asyl für Flüchtlinge das mit unterkam war: „Die Flüchtlinge, die übers Mittelmeer kommen, sind Euer Problem, das sind Folgen des Kolonialismus und damit hatte Polen nichts zu tun.“
Gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge argumentierte im Juni selbst für Ministerpräsidentin Kopacz damit, dass Polen freiwillig christlichen syrischen Familien helfe, dazu nehme man Ukrainer auf, und sogar Tschetschenen. Polen könne nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen, das sei dem Land nicht möglich. Allerdings haben die Ukrainer weder Flüchtlingsstatus noch erhalten Sie Asyl. Asyl erhielten in Polen im vergangenen Jahr nur 750 Personen. Im ersten Halbjahr dieses Jahres haben nach Angaben der Ausländerbehörde gut 4.100 Menschen in Polen einen Asylantrag gestellt, das seien elf Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Die Mehrzahl der Asylsuchenden kamen aus Tschetschenien und der Ukraine. Doch hat kaum einer dieser Asylsuchenden Aussichten auf eine Anerkennung als Flüchtlinge. Unter den 273 Flüchtlingen, die in diesem Jahr Asyl erhalten haben, waren nur Syrer, Ägypter und Iraker.
Um die Aufnahme von 4-5.000 Flüchtlingen aus Syrien und Eritrea auf freiwilliger Basis hatte die EU Polen gebeten, mit deutlichem Unwillen wurde die Aufnahme von 2.000 Flüchtlingen zugesagt. Dabei muss Polen nicht einmal die Kosten tragen, die EU sagte der polnischen Premierministerin Ewa Kopacz die Übernahme aller Kosten zu. Da half auch nicht die Erinnerung an die Zehntausende von polnischen Flüchtlingen, die in westeuropäischen Ländern während der Kriegsrechtszeit Zuflucht fanden, Wohnung, Eingliederungsbeihilfen und kostenlose Ausbildungen erhielten. Auch in den 1980er Jahren wurden in Westeuropa weitere Hunderttausende Polen als Flüchtlinge aufgenommen, auch unter ihnen waren Wirtschaftsmigranten. Nicht alle erhielten Asyl, aber die meisten Bleiberecht.
Am Montag ergriff Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande Stellung zur Flüchtlingsproblematik. Beide Länder würden von allen EU-Mitgliedsstaaten die volle Umsetzung der EU-Richtlinien zum Asylverfahren erwarten. Man erwarte, dass alle Mitglieder Flüchtlinge aufnehmen und Asyl nach einem EU-konformen Verfahren zu gewähren.
Polens stellvertretender Außenminister Trzaskowski kommentierte der Presse gegenüber, dass unter den ersten EU-Ländern war, das Maßnahmen traf, um Asylsuchende aus Flüchtlingscamps in Griechenland und Italien aufnehmen zu können. In Europaparlament und Europarat habe man ein Programm mit verabschiedet, das die Flüchtlingsströme in die EU abhalten sollten, erklärte Trzaskowski.
Dieses Programm basiere darauf, dass man zwischen Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten unterscheiden müsse. Die EU müsse daher eine gemeinsame verbindliche Liste sicherer Länder aufstellen, in die man Migranten sofort zurückschicken können, denn man könne nicht alle aufnehmen. Das derzeitige EU-Asylprogramm gelte für zwei Jahre, Polen habe zugestimmt auf freiwilliger Basis 2.000 Flüchtlinge aufzunehmen, fügte Trzaskowski an.
Polen versucht sich für Flüchtlinge so unattraktiv, wie möglich zu halten. Sogar das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisiert die in Polen fehlenden Integrationshilfen, da die polnische Bevölkerung Flüchtlingen gegenüber voller Misstrauen ist. Das Asylverfahren dauert zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Psychologische Hilfe gibt es so gut wie gar nicht. Nach der Anerkennung folgt ein einjähriges Integrationsprogramm, danach verlassen die Flüchtlingen die Sammelunterkünfte, in denen sie kostenlos wohnten und verpflegt wurden. An Taschengeld erhielten sie dort 18 Euro monatlich. Nach dem Integrationsjahr müssen die Asylanten dann selbst klarkommen. Mit mangelhaften Sprachkenntnissen haben sie auf dem Arbeitsmarkt außer als Erntehelfer schlechte Chancen, auf dem Wohnungsmarkt sieht es nicht besser aus.
Die UNHCR sieht in einem Land wie Polen mit 40 Millionen Einwohnern und einem Ausländeranteil von nur knapp einem Prozent keine Probleme wirtschaftlicher oder logistischer Natur 2.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Dies erklärte der UNHCR-Sprecher Tadesuz Kostrzynski der Presse gegenüber. Auch sei die Beschränkung auf ausschließlich christliche Flüchtlinge wegen angeblich besserer Integrationsmöglichkeiten für die UNHCR inakzeptabel.
Mit der Aufnahme von Flüchtlingen kann in Polen keine Partei punkten, denn drei Viertel der Polen sind mehr oder minder strikt dagegen. Es ist Wahlkampf, denn die Parlamentswahl findet in zwei Monaten statt. Die regierende Bürgerplattform PO und Ministerpräsidentin Ewa Kopacz kämpfen ums politische Überleben. Bisher sehen alle Meinungsfrageinstitute die nationalkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit PiS vorn. Da wird es sich die PO kaum leisten wollen, das Flüchtlingsproblem etwa zum Thema zu machen und liberaler anzugehen.
Einzig die Kirche meldete sich schon Ende Juni gänzlich anderslautend zu Wort und erinnerte die Polen daran, dass sie eine Nation mit christlichen Werten seien. Die polnische Bischofskonferenz setzte sich in einer Erklärung für die Aufnahme von Flüchtlingen in Polen ohne Ansehen ihrer Konfessionszugehörigkeit ein und las so ihren Landsleuten moralisch die Leviten. Dafür erntete sie sogar bei der liberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza großes Lob.