Polen: Wird der Hochgeschwindigkeitszug Pendolino zum Desaster?

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Polnischer Pendolino bei der Vorstellung, Foto: JJajjo, CC-BY-SA-3.0

Was sich bei der ersten Präsentation der für die polnische Bahn PKP Intercity bestellten Hochgeschwindigkeitszüge im Hauptbahnhof in Wroclaw (Breslau) noch wie eine Revolution im polnischen Bahnverkehrs ausnahm könnte in einer Blamage enden. Toll hatte es sich angehört: Schnellere Verbindungen zwischen verschiedenen Großstädten mit Zügen in der Art eines polnischen TGV oder Shinkansen und mit dem Start des Winterfahrplans sollte es schon losgehen!

Dann nämlich wollte das polnische Bahnunternehmen PKP Intercity die ersten Schnellzüge vom Typ Pendolino des französischen Herstellers Alstom im Regelbetrieb auf der Nord-Süd-Achse über die Hauptstadt Warszawa (Warschau) einsetzen. Das hätte für viele Fahrgäste schnellere Verbindungen bedeutet und viel mehr Komfort.

Die Reisezeiten sollten sich teilweise drastisch verkürzen. So hätten Reisende beispielsweise in knapp drei Stunden auf erneuerten Gleisen von der Ostseemetropole Gda?sk (Danzig) in die polnische Hauptstadt Warschau gelangen können, wo die Reise doch bislang noch rund viereinhalb Stunden dauert.

Schneller würde es künftig auch von Warschau nach Kraków (Krakau) oder Katowice (Kattowitz) gehen. Für diese Strecken würde der Schienenflitzer künftig nur etwa zweieinhalb Stunden brauchen. Eine deutliche Verbesserung würde es dann auch auf der Strecke zwischen Warschau und der niederschlesischen Metropole Wroc?aw (Breslau) geben. Die Züge würden dann über Czestochowa (Tschenstochau) und Opole (Oppeln) geführt, die Fahrtzeit würde sich von etwa fünf auf dreieinhalb Stunden verringern.

Pendolino – Der polnische TGV

Für diese schöne neue Bahnwelt hat die PKP Intercity im Jahr 2011 insgesamt 20 Pendolino-Züge der neuesten Generation bestellt: Bestellvolumen: 665 Millionen Euro. Die in Italien produzierten Fahrzeuge des Alstom-Konzerns bestehen aus sieben Segmenten, die Platz für insgesamt 402 Passagiere bieten, davon 57 in der ersten Zugklasse. Vorhanden sein werden auch Plätze für behinderte Reisende, eine Wickelmöglichkeit für Säuglinge sowie ein Zugbistro. Auf der zentralpolnischen Zugmagistrale könnten zunächst Spitzengeschwindigkeiten von rund 200 km/h erreicht werden. Perspektivisch sollen die Pendolino-Züge mit bis zu 250 km/h verkehren können.

Doch es kam anders. Beim mit hohen EU-Summen geförderten Ausbau der polnischen Infrastruktur, die im Zuge der Ausrichtung der Fußball-EM 2012 noch einmal einen Schub bekam, blieb der Schienenverkehr immer das Aschenputtel.

Fehlende Infrastrukturerneuerung

Schon 2008 hatte man groß angelegte Modernisierungen des polnischen Bahnnetzes angekündigt, doch im Endeffekt erneuert wurde nicht viel, bis 2011, dem Zeitpunkt der Pendolino-Bestellung war nicht einmal jeder zehnte Bahnkilometer im Land für Geschwindigkeiten von mehr als160 km/h zugelassen. Explizit dafür ergoss sich ein warmer Geldregen von 6,6 Milliarden Euro über Polen. Allein der Ausbau der Hauptstrecke die von Posen und Breslau über Lodz nach Warschau führen sollte aber hätte diesen Förderrahmen bereits nahezu ausgeschöpft. So wurde das Projekt noch Ende 2011 in aller Stille auf Eis gelegt. Verkehrs- und Transportminister Nowak erklärte, man wolle nun zuerst alle Kräfte in der Netzmodernisierung bündeln.

Die Pendolino-Züge waren da gerade bestellt, und die Bestellung wurde weder storniert, noch der Liefertermin hinausgeschoben. Völlig übersehen wurde bei der Projektierung, dass wenn die Pendolinos tatsächlich schneller als 160 km/h fahren sollen, das derzeitige Stromnetz nicht in der Lage ist, die Stromversorgung des erhöhten Bedarfs für die Lokomotiven sicherzustellen, teilte der Stromversorger PKP Energetyka mit. Um die Pendolinos fahren zu lassen ist also auch noch ein Ausbau des Bahn-Stromnetzes nötig. Langsam sickerte es dann auch noch durch, dass man eine Sparversion der Züge bestellt hatte, bei der nicht einmal die Neigetechnik, die für ein schnelles Durchfahren von Kurven benötigt wird, vorhanden ist.

Die falsche Entscheidung?

In den Focus der medialen Öffentlichkeit geriet das Thema wieder durch die derzeit tobende Schlacht der Genehmigungsanträge, bei dem sich Alstom und die polnische Regierung den Schwarzen Peter gegenseitig zuschieben. Alstom hat die ersten acht Pendolinos nicht termingemäß geliefert und begründete das mit der fehlenden Streckenzulassungen in Polen für Geschwindigkeiten von 250 km/h. Da die Züge aber in Polen zugelassen werden und fahren sollen, könne man nicht woanders die vorgeschriebenen Testverfahren durchführen. Alstom stellte daher einen Antrag auf Zulassung für Geschwindigkeiten von bis zu 160 km/h, mit der Begründung, dass man höhere Geschwindigkeiten auf polnischen Schienen nicht testen könne und daher auch keine Zulassung der Züge für höhere Geschwindigkeiten erhalten könne. Das Verkehrsministerium warf daraufhin Alstom vor, vertragsbrüchig zu sein. Vizepremier Piechocinski (PSL) meinte dazu, man könne daher sehr wohl den Vertrag annullieren. PKP Intercity stellte nun einen Antrag auf Zulassung für Tempo 220 km/h.

Womöglich ein Millionengrab?

Wo dieses Tempo in Polen aber zulässig ist und wie sinnhaft dieser Antrag ist, fragt sich nicht nur die Opposition im Land. Dass die Pendolino-Züge schick sind und damit ein Hauch von Modernität über Polens marode Bahnnetze rollen wird? Einen ganz viel anderen Sinn wird man nicht finden bei diesem Schildbürgerstreich. Tempo 160 in der Stunde schaffen nämlich auch die konventionellen alten Lokomotiven. Bis das polnische Schienennetz eine Geschwindigkeit von 250 km/h oder gar 300 km/h hergeben könnte, werden die schicken neuen Pendolinos verrostet werden, witzelt man im Land.

Doch könnte der Flop noch ein teures Nachspiel haben. Kommt es doch noch zu einem Vertragsrücktritt, könnte sich die PKP Intercity zur Rückgabe der bereits erhaltenen EU-Fördergelder genötigt sehen. Das würde die PKP Intercity fast unvermeidlich in die Pleite führen und es müssten teure Rettungsprogramme auf Steuerzahler-Kosten aufgelegt werden.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".