Polenpolitik: Steinbach und CSU gegen Westerwelle

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steinbachIm Streit um den Stiftungsratssitz beim Zentrum gegen Vertreibung holen Erika Steinbach und die CSU zum großen Schlag gegen Guido Westerwelle aus.

Der Frühjahrsstreit um die Besetzung des Beirats der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ist neu entbrannt. Hatte Guido Westerwelle bei seinem ersten Auslandsbesuch, der ihn nach Warschau führte auf die polnische Frage nach Erika Steinbach seine Haltung klar umrissen: „Wir wollen, dass das ein Projekt ist, das unsere Länder zueinander bringt, ein Beitrag zur Versöhnung. Wir werden alles unterlassen, was diesem Gedanken entgegensteht“. In guten Beziehungen zum Nachbarland Polen sieht Westerwelle einen Kernbereich seiner Außenpolitik. Das war in Polen mehr als wohlwollend zur Kenntnis genommen worden. Doch nun droht Ungemach.

Inzwischen beharrt nämlich die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen auf ihrem Sitz im Stiftungsrat und geht unverhohlen auf Konfrontationskurs zu Außenminister Guido Westerwelle. Erika Steinbach schrieb in einem Artikel für die „Bild“: „Ein deutscher Außenpolitiker irrt, wenn er glaubt, dass sich ein gutes Miteinander und Vertrauen zu anderen Ländern durch Opfergaben zu Lasten eigener Bürger oder Organisationen erkaufen ließe. Respekt lässt sich so nicht gewinnen. Der neue Außenminister Guido Westerwelle hat die Chance, die Fehler seines Vorgängers zu vermeiden.“
Weiter schreibt Steinbach dort, halte das deutsch-polnische Verhältnis so lange für labil, wie man sich von deutscher Seite scheue, die Traumata Millionen deutscher Vertreibungsopfer in Nachbarland Polen zu erklären und um Verständnis zu werben.

Guido Westerwelle nahm bei der ARD-Sendung Beckmann am Montag sehr deutlich Stellung. Persönliche Interessen Erikas Steinbachs müssten angesichts der deutschen und deutsch-polnischen Interessen zurückstehen, sagte er in der ARD: „Ich muss es einfach auf den Punkt bringen: Bei allem Respekt vor den persönlichen Plänen – aber es geht erstmal um unser Land und es geht erstmal um die Beziehungen zwischen unseren Ländern. Da haben persönliche Interessen zurückzustehen, und das wird auch Frau Steinbach wissen.“ Hätte die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach „seinerzeit gemeinsam mit der Regierung Kohl/Genscher für die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze gestimmt, dann hätte sie sicherlich auch nicht diese Vorbehalte bei unserem Nachbarn“, erklärte Westerwelle.

Wie heißt doch der gute Ratschlag: Schiebe eine ungelöste Angelegenheit auf und irgendwann wird ein richtiges Problem daraus. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird dieser Tage manchmal an diesen Rat denken. Schon im Frühjahr hatte der BdV versucht, seine Präsidentin in den Beirat der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung zu entsenden. Nach massiven Protesten aus Polen und auch aus der SPD verzichtete der Bund der Vertriebenen damals darauf, den dritten ihm zustehenden Posten im Stiftungsrat mit seiner Vorsitzenden Erika Steinbach zu besetzen, der Platz blieb frei.

Nur war der Verzicht weder endgültig, noch Ernst gemeint, längst hat er sich als Taktik entpuppt. Der BdV setzte offensichtlich auf einen Wahlsieg der CDU und sah damit die Kritiker der SPD aus dem Weg, die Erika Steinbachs Einzug in den Stiftungsrat verhindert hätten. Mit der schwarz-gelben Koalition glaubte man fertig zu werden.

Doch scheint man die Liberalen unterschätzt zu haben. Die FDP aber hat bereits im Frühjahrsstreit um Erika Steinbach ihre Position klar gemacht. Guido Westerwelle forderte damals von Angela Merkel, das Problem Stiftungsrat zu lösen, denn es läge nicht im deutschen Interesse, die Diskussion über Erika Steinbach weiter treiben zu lassen, obendrein diene ein Verzicht Erika Steinbachs der deutschen Sache. Erika Steinbach hatte seinerzeit gegen die Anerkennung der polnischen Westgrenze gestimmt und wegen der Haltung Polens zur Frage der Vertreibung dessen Aufnahme in die EU in Frage gestellt.

Erika Steinbach hat sich in der CSU schon im Sommer einen lautstarken Verbündeten gesucht. Schon im Wahlkampf war die Besetzung des Stiftungsrates Thema, denn die CSU ist traditionell eng mit den Vertriebenen verbunden. „Die Vertriebenen sind eine ganz treue CSU-Wählerschaft“, erklärte die vertriebenenpolitische Sprecherin der CSU-Landtagsfraktion Christa Matschl.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt forderte den Westerwelle auf, eine Berufung Steinbachs in den Stiftungsrat nicht zu blockieren und sagte dem „Handelsblatt“, die FDP solle nicht den Fehler begehen, der infamen Debatte, die gegen die Person Erika Steinbach von Seiten der SPD und einiger polnischer Politiker losgetreten worden sei, etwa neue Nahrung zu geben. Er sicherte Steinbach volle Rückendeckung seitens der CSU zu. Die Vertriebenen könnten über ihren Sitz im Stiftungsrat frei entscheiden.

Tatsächlich können sie das nicht, denn ein großer Teil der Vertriebenen, Flüchtlinge und deren Nachkommen fühlt sich dem BdV weder nahe, noch fühlt sich diese Gruppe von dem Verband repräsentiert oder steht hinter seiner Politik. Zwei Zahlen dazu: Etwa 2 Millionen eigene Mitglieder nennt der BdV auf seiner Webseite, es gab aber insgesamt 14 mIllionen Deutsche, die von Flucht und Vertreibung betroffen waren. Der BdV, der dem Zwei-plus-Vier-Vertrag und der die endgültige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze genauso erbitterten Widerstand entgegensetzte wie bei der Osterweiterung der EU dem Beitritt Polens und der Tschechischen Republik. Erika Steinbach astimmte im Deutschen Bundestag gegen den Beitritt der beiden Länder. Der BdV erhebt bis heute den Anspruch, die Interessen der von Flucht, Vertreibung und Aussiedlung betroffenen Deutschen, unabhängig von einer Mitgliedschaft, wahrzunehmen. Er tut dies also, ohne dafür in irgendeiner Form legitimiert worden zu sein.

Der CSU-Europaabgeordnete und Sprecher der Sudetendeutschen Bernd Posselt warnte bei Spiegel Online unterdessen vor einer Hexenjagd auf Erika Steinbach. Er fordert die Bundeskanzlerin auf, jetzt das Gespräch mit Westerwelle zu suchen und die Sache auszuräumen.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast merkte zur Causa Steinbach nur trocken an: „Wer möchte, dass international der Weg zur Versöhnung beschritten wird, muss dem Bund der Vertriebenen aufgeben, eine gute Wissenschaftlerin oder einen guten Wissenschaftler zu benennen.“ Sie verlangte von Bundeskanzlerin Angela Merkel den Streit zu beenden.

Niemand kann den BdV daran hindern Erika Steinbach zu nominieren, so steht es auch im Koalitionsvertrag, der besagt, die Einrichtung der Stiftung erfolge nach den gesetzlichen Vorgaben. Die aber besagen, dass die Bundesregierung bei der Besetzung das letzte Wort hat. Der BdV pokert hoch und ließ verlautbaren, dass er sich aus dem Stiftungsrat ganz zurückziehen würde, wenn die Nominierung von Erika Steinbach, die am 17. November erfolgen soll, von der Bundesregierung nicht abgesegnet wird.

Die Frage, die auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sich stellen muss, lautet: Was ist wichtiger für unser Land, die Einzelinteressen Erika Steinbachs oder das schwierige Verhältnis zu unserem Nachbarn Polen. Und darf man einem Verband beziehungsweise seiner Präsidentin erlauben, die Außenpolitik unseres Landes massiv bestimmen zu wollen? Wenn Erika Steinbach die Empathie für die deutschen Opfer wirklich wichtiger ist, als der Posten, dann verzichtet sie. Auch der BdV muss erkennen, dass eine entkrampfte Disskussion mit Polen über die deutschen Vertriebenen und Flüchtlinge nur ohne Erika Steinbach und ihr schneidiges Auftreten möglich ist. Es wird Zeit, die das Thema deutsche Opfer betreffende Erinnerungskultur unserer Gesellschaft nicht mehr dem BdV allein zu überlassen.

Jörg Lau bringt es auf den Punkt und fasst es in der Zeit vom 11.11.2009 so zusammen: Der BdV steht am Scheideweg: Was ist wichtiger – die Profilierung Erika Steinbachs oder die wachsende Empathie unserer Nachbarn auch für deutsche Opfer?

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1611 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".