Polnische Kirche vergleicht In-vitro-Befruchtung mit Nazi-Rassenhygiene

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In-vitro-Befruchtung, Foto: Eugene Ermolovich (CRMI)

In-vitro-Befruchtung, Foto: Eugene Ermolovich (CRMI),

Seit geraumer Zeit ist die gesetzliche Regelung der In-vitro-Befruchtung in Polen das Top-Thema im gesellschaftlichen Diskurs und schlägt hohe Wellen. Bisher gibt es gar keine gesetzliche Regelung zur In-vitro-Befruchtung in Polen.

Damit ist Polen das einzige Land der EU, in dem die In-vitro-Befruchtung keine gesetzliche Grundlage hat. So unterliegt die In-vitro-Befruchtung derzeit keinerlei Beschränkungen, und schwebt quasi im rechtsfreien Raum, in dem nicht reguliert wird, was mit den bei In-vitro-Befruchtungen entstehenden überschüssigen Embryonen geschieht.

Niemand kontrolliert, ob diese Embryonen eingefroren werden, vernichtet, an andere Paare verkauft oder zu Forschungszwecken veräußert werden. Es ist also alles erlaubt, die Kosten allerdings müssen die Paare selbst tragen.

Nun hatte sich das die Regierung Tusk aufgerafft, und einen Gesetzentwurf erarbeitet, über den neben fünf anderen Gesetzesvorlagen im Parlament abgestimmt werden sollte, doch dazu kam es nun nicht. Gesundheitsministerin Ewa Kopacz hatte einen Entwurf vorgelegt, bei dem jungen Paaren die Kosten von 1.500 bis zu 4.000 Euro erstattet werden sollen, sofern vorher alle anderen medizinischen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.

In Anbetracht dessen, dass jedes fünfte polnische Paar ungewollt kinderlos ist und in Polen immer weniger Kinder geboren werden, ist es kein Wunder, was jüngste Meinungsumfragen bestätigen: Über die Hälfte der Polen (59%) würde bei ungewollter Kinderlosigkeit auch die In-vitro-Befruchtung in ihre Überlegungen mit einbeziehen. Diese jüngste Untersuchung führte das Instytut Homo Homini durch, wie die polnische Newsweek berichtet.

Das Thema rief die Kirche auf den Plan, die strikt gegen jede Freigabe der In-vitro-Befruchtung ist. Erzbischof Henryk Hoser, Erzbischof Jozef Michalik, der Vorsitzende der polnischen Bischofskonferenz und weitere Kirchenvertreter schrieben einen Brief an die polnischen Abgeordneten und den Präsidenten, der unter anderem die Bemerkung enthielt: In vitro to mlodsza siostra eugeniki, die In-vitro-Befruchtung ist die jüngere Schwester der Eugenik. Weiter argumentieren die Kleriker, die In-vitro-Befruchtung verursache enorme menschliche Kosten, denn damit ein Kind geboren werde, müssten viele andere Leben zerstört werden. Um den Druck noch zu erhöhen, drohte Erzbischof Hoser an, jeden Politiker exkommunizieren zu lassen, der für die In-vitro-Befruchtung stimme. Die nationalkonservative Opposition der Kaczynski-Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) stieß ins gleiche Horn. Ihre Gesetzesentwürfe sehen ein totales Verbot der In-vitro-Befruchtung vor.

Für eine wissenschaftliche Argumentation ist die aufgeheizte Debatte im Nachbarland nicht empfänglich. Mediziner sehen nicht, dass bei der In-vitro-Befruchtung Leben zerstört werden. Nach wissenschaftlicher Argumentation seinen im Labor produzierte, befruchtete Eizellen noch kein Leben, also könne man auch nicht von Tötung reden. Auch bei natürlicher Befruchtung würde sich nur ein Teil der Embryonen weiter entwickeln.

Plötzlich sah sich die Mehrheit der Sejm-Abgeordneten, die für ein In-vitro erlaubendes Gesetz aber mit verstärktem Embryonenschutz waren, in eine Ecke mit Mördern, Nazis, und den Befürwortern der nationalsozialistischen, pseudowissenschaftlichen Rassenhygiene gestellt. Zwar äußerte Präsident Komorowski, er habe keine Angst vor der Exkommunikation und die Regierung Tusk ließ die „Erpressung“ der Kirche von ihrem Sprecher Pawel Gras zurückweisen, doch war die Abgeordneten-Beteiligung an der ersten Debatte äußerst mager.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass das Parlament bei seiner Debatte am heutigen Freitag, den 29.10  beschloss, zunächst einmal nichts zu beschließen und fünf der sechs Entwürfe weiter in den Sejm-Kommissionen zu prüfen. Das betrifft die Gesetzesentwürfe, die von Malgorzata Kidawa-Blonsk? und Jaroslaw Gowin (PO) sowie Boleslaw Piech (PiS) eingebracht wurden. Der Entwurf von Teresa Wargocki (PiS) wurde zurückgewiesen

Damit ist bisher nur eines klar: Egal wie das Gesetz eines Tages aussehen wird, eine Strafe für In-vitro-Befrtuchtungen wird es nicht geben. Der Entwurf der ultrakonservativen Teresa Wargocki (PiS), der bis zu fünf Jahren Haft vorsah, ist vom Tisch.

Gewinner gibt es so keine, auch wenn die Kirche im Verein mit der PiS die Muskeln spielen ließ, ihren Einfluss demonstrierte und es im Kampf gegen den Regierungsentwurf nun 1:0 steht. Das Kuriose an der Situation ist nämlich, dass auf diese Art die In-vitro-Befruchtung weiterhin völlig freigegeben bleibt, mit allen möglichen Auswüchsen einschließlich dem Embryonenhandel.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1613 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".