Straßburg: Polnische Katyn-Hinterbliebene mit Klage gegen Russland gescheitert

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Soldatenfriedhof in Katyn, Foto: Kapsuglan, CC-BY-SA-3.0

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat im Berufungsverfahren die Klage einer Gruppe von Angehörigen und Hinterbliebenen polnischer Katyn-Opfer gegen menschenunwürdige Behandlung seitens Russlands abgewiesen. Zwar habe Russland gegen seine Pflichten verstoßen, und dem Straßburger Gericht nicht alle Dokumente über das Massaker geliefert, doch seien die 15 Kläger nicht menschenunwürdig behandelt worden.

Die 15 Hinterbliebenen hatten Russland angeklagt, das Schicksal der Toten nie vollständig aufgeklärt zu haben, auch seien die Verantwortlichen nie vor Gericht gestellt worden. Dazu habe Russland ihnen nie Einsicht in die Ermittlungsakten gegeben. Diese Vorwürfe aber wies nun im Berufungsverfahren die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte genauso zurück, wie die Forderung nach Schmerzensgeld..

In erster Instanz hatte die Kleine Kammer des Gerichtshofs den Klägern im April 2012 in einigen Punkten ihrer Klage Recht gegeben. Damals begründete die Kammer, die Angehörigen hätten von russischer Seite keine amtlichen Informationen über die Umstände des Todes ihrer Angehörigen erhalten, hieß es im erstinstanzlichen Urteil, was unmenschlich sei.

Die Große Kammer begründete ihre Entscheidung nun damit,  dass die Europäische Menschenrechtskonvention 1998 in Russland in Kraft getreten sei. Zu diesem Zeitpunkt sei Die Erschießung der polnischen Kriegsgefangenen habe damals bereits als historische Tatsache und nachgewiesen gegolten. So hätten die Hinterbliebenen auch keinerlei Ungewissheit mehr über das Schicksal ihres Angehörigen gehabt. Damit sei der Tatbestand unmenschlicher Behandlung nicht erfüllt. Russland hatte bereits 2004 die Kooperation mit Straßburg weitgehend auf Eis gelegt und keine Dokumente mehr geliefert ohne den Gerichtshof über die Gründe zu informieren. Dafür sprach die Große Kammer eine Rüge aus. Berufung kann gegen dieses Urteil nicht eingelegt werden.

Der russische Vize-Justizminister Georgi Matjuschkin zeigte sich in einer ersten Reaktion zufrieden, und nannte den Richterspruch konsequent und logisch. Der stellvertretende polnische Außenminister Artur Nowak-Far erklärte am Montag, er sei ein wenig enttäuscht, denn die Richter hätten in diesem moralisch und historisch bedeutsamen Fall nicht alle Argumente der Kläger berücksichtigt. Außenminister Radoslaw Sikorski sagte, Polen werde nicht nachlassen, alle Aspekte dieses Verbrechens zu erhellen und die Opfer zu rehabilitieren, denn an der Täterschaft an diesem beispiellosen Verbrechens gäbe es keinerlei Zweifel.

Der frühere Premieminister Jozef Oleksy vom Linksbündnis SLD sagte der polnischen Nachrichtenagentur PAP, der Gerichtshof habe den Fall ohne den Hintergrund der historischen Dramatik behandelt. Robert Biedron von der linksliberalen Partei Twoj Ruch (früher Ruch Palikota) meinte, in  Straßburg habe es einen Triumph der Gesetzesparagrafen über die Gerechtigkeit gegeben.Der parteilose (früher SLD) frühere Innenminster Ryszard Kalisz erklärte, er nähme den Richterspruch mit großer Traurigkeit auf.

 

Hintergrund:

Nach dem durch den Hitler-Stalin-Pakt ermöglichten Einmarsch der Sowjetunion in den Osten Polens, wurden von der Roten Armee mehr als 22.000 Polen gefangen genommen und in russische Lager verbracht, die meisten von ihnen waren Offiziere und Intelektuelle. Zwischen dem 3. April und 19. Mai 1940 wurden etwa 4.400 von ihnen nahe der westrussischen Stadt Smolensk in den Wäldern von Katyn von Einheiten des sowjetischen Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten (NKWD) erschossen und in Massengräbern verscharrt. Die Mordaktion gehörte zu einer Reihe von Massenmorden, denen rund 24.000 Polen zum Opfer fielen – angeordnet wurden sie von Stalin persönlich. Die ganze Mordserie wurde unter dem gemeinsamen Begriff „Katyn“ in Polen zum Symbol sowjetischer Verbrechen am polnischen Volk. Anfang 1943 wurden die Massengräber von Soldaten der deutschen Wehrmacht entdeckt und vom NS-Regime propagandistisch ausgeschlachtet. Die Sowjetunion wiederum wies die Schuld an diesem Massaker dem Naziregime zu und lehnte lange Jahre jegliche internationale Untersuchung ab. Erst im Zuge von Glasnost und Perestroika übernahm die Sowjetunion 1990 offiziell die Verantwortung für die Mordaktion und leitete Ermittlungen ein, die aber 2004 ohne Ergebnis beendet wurden. Erst im Nachgang zum tragischen Absturz der polnischen Präsidentenmaschine vom 10. April 2010 kam Bewegung in die Angelegenheit und viele Dokumente wurden ins Internet gestellt, dazu wurden Dokumentationen und der Spielfilm Katyn von Andrzej Wajda im russischen Fernsehen gezeigt.

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Über Brigitte Jaeger-Dabek 1605 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".