Ukraine: Timoschenko zurück auf der Polit-Bühne

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 Julia Timoschenko auf dem Kongress der EPP, Foto: European People's Party, CC-BY-2.0

Auch die Journalisten in Polen kommen kaum mit dem Tempo der Veränderungen in der Ukraine mit. Versuchte man kürzlich noch, Janukowitsch Zugeständnisse abzuringen, ist er 82 Tote weiter aus dem Amt gejagt, auf die Flucht gegangen und vermutlich in Charkiw oder Donezk, vielleicht aber auch auf der Krim untergetaucht, den Hochburgen seiner Anhängerschaft im Osten der Ukraine. Inzwischen wird er wegen „Massenmords“ gesucht. Selbst seine eigene „Partei der Regionen“ hat sich inzwischen von Janukowitsch distanziert.

Das vor Tagen noch Undenkbare ist geschehen. Julia Timoschenko wurde im Eiltempo aus dem Gefängnis entlassen. Im Blitztempo wurde die gesetzliche Grundlage, auf der Sie verurteilt und inhaftiert worden war außer Kraft gesetzt. Janukowitsch wurde abgesetzt und ein neuer Präsident einer Übergangsregierung wurde im ukrainischen Parlament, dem obersten Rat durchgewinkt. Neuer amtierender Übergangspräsident ist nun Parlamentspräsident Olexander Turtschinow, ein Timoschenko-Vertrauter aus ihrer Vaterlandspartei, der die Abgeordneten aufforderte, sich bis Dienstag auf eine Regierung der nationalen Einheit zu einigen.

Im nächsten Eildurchlauf wurde die Neuwahl des Präsidenten auf den 25. Mai festgesetzt. Julia Timoschenkeo hatte bereits bei ihrer ersten, bewegenden Rede auf dem Kiewer Maidan nur wenige Stunden nach ihrer Freilassung ihre Kandidatur angekündigt. Vitali Klitschko hatte bereits vor Monaten seine Kandidatur bei der nächsten Wahl bekanntgegeben.

Übergangspräsident Turtschinow betonte in seiner ersten Rede zwar die Bedeutung guter Beziehungen zum Nachbarn Russland, diese müssten aber auf Augenhöhe stattfinden. Vorrang habe es für die Ukraine, zum Kurs einer  Annäherung an Europa zurückzukehren. Die Ukraine müsse in den Kreis der europäischen Länder zurückkehren.

De facto ist also die Timoschenko-Partei – als einzige Oppositionsgruppe mit hohem Organisationsgrad – dabei, die Macht zu übernehmen. Das aber macht die Ukraine nicht weniger fragil als zuvor, könnten sich doch andere Oppositionsgruppierungen um die Früchte ihres Kampfes gebracht sehen, denken viele Medien in Polen bereits über das Aktuelle in der Ukraine hinaus.

Doch ist Timoschenko in Polen längst nicht der Nachrichtenaufhänger wie in Deutschlands Medien. In Polen erinnert man sich durchaus daran, dass Timoschenko zwar als Ikone der orangenen Revolution, zugleich aber als Gasprinzessin gilt, die nach dem Zerfall der UdSSR ab 1991 ein derartiges Vermögen angehäuft, dass selbst von vielen Ukrainern bezweifelt wird, ob sie „saubere Hände“ hat. Auch in Polen wird von Medien darauf hingewiesen, dass Julia Timoschenko einst selbst Teil des Systems gewesen sei. Doch hat sie in jedem Fall das, was andere Oppositionelle nicht haben: Das Zeug zur Volkstribunen mit Charisma. Mit ihrer sofortigen Rückkehr auf die politische Bühne der Ukraine ist das mühsam erreichte Gleichgewicht unter den Oppositionskräften noch fragiler geworden. Das umso mehr, als sie gleich in ihrer ersten Rede einen Misstrauenskeil zwischen die Maidan-Aktivisten und die Oppositionspolitiker tieb, die das Abkommen mit Janukowitsch unterschieben hatte. Bereits vor ihrer umstrittenen Inhaftierung wegen Amtsmissbrauchs vor zweieinhalb Jahren hatte sie bewiesen, dass sich nicht nur eine ausgezeichnete Rednerin ist, die Zuhörer auf ihre Seite ziehen kann, sondern notfalls auch Populismus.  Doch ist noch längst nicht entschieden, als was Timoschenko in die Geschichte der Ukraine eingehen wir: als Gasprinzessin oder Galionsfigur der neuen Ukraine.

Gedanken macht man sich in Polen über eine Gefahr, die längst nicht vorüber ist: Eine Spaltung der Ukraine. Der Osten mit seiner überwiegend prorussischen Haltung müsse einbezogen werden in den Annäherungsprozess an die EU, dazu sei auch ein gutes Verhältnis zu Russland nötig. Einer neuen Regierung müsse es gelingen, seinen westlich orientierten Westen und das Zentrum mit dem prorussischen Osten versöhnen, liest man in der Gazetra Wyborcza.

In der konservativen Rzeczpospolita heißt es, die Ukraine bräuche zum Überleben jetzt schnell einen Marshallplan und eine Roadmap, für die der Plan der die EUvetretende deutschen und polnischen Außenminister Steinmeier und Sikorski ein Diskussionsentwurf sein könnte. Fast unisono liest man in polnischen Medien, dass Polen sich in der EU und den USA für die rasche Schnürung eines Hilfspakets für die Ukraine einsetzen sollte, falls es zu dem nötigen politischen Kompromiss in der Ukraine komme.  Dann nämlich könnte die Ukraine nur noch Tage bis zum finanziellen Kollaps durchhalten, wenn die Russen den Geldhahn zudrehen würden.

Szcze ne wmerla Ukraina – noch ist die Ukraine nicht verloren heißt es auf dem Titelblatt der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza in Anklang an die polnischen Nationalhymne (Noch ist Polen nicht verloren). Mit dieser Formulierung äußerte sich der polnische Präsident Bronislaw Komorowski in einem Interview der Tageszeitung Rzeczpospolita gegenüber.

 

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".