Vor 30 Jahren: General Jaruzelski ruft das Kriegsrecht aus.

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Wojciech Jaruzelski Kriegsrecht Polen 13.12.1981

Wojciech Jaruzelski Kriegsrecht Polen 13.12.1981,

Liest man die Zahl 30, reibt man sich fast die Augen. Tatsächlich ist es schon 30 Jahre her, dass General Wojciech Jaruzelski in Polen das Kriegsrecht ausrief. Es ist einer dieser Tage, an dem man noch heute genau weiß, was man damals getan hat, als die Nachricht kam. Niemand, der damals in irgendeiner Beziehung zu Polen und Menschen in Polen stand, wird den Tag je vergessen.

Hektische Anrufe: „Mach mal den Fernseher an und verfolge die Nachrichten, da passiert irgendetwas in Polen.“ Hektische Versuche, irgendwie telefonisch nach Polen durchzukommen. Hektische Versuche von Korrespondenten und Fernsehreportern, ein Bild der Lage zu gewinnen. Eine hektische Bundesregierung, die auf dem falschen Fuß erwischt wird. Bundeskanzler Helmut Schmidt, der zu Besuch in der DDR weilt, wird in Güstrow eine gespenstische leere Stadt vorgeführt, je 20.000 Stasileute und Volkspolizisten verhinderten jeden Kontakt zur Bevölkerung. Um 6:30 Uhr erfuhr die bundesdeutsche Delegation von Jaruzelskis Verhängung des Kriegsrechts, nur eine halbe Stunde, nachdem es geschehen war. Man hatte damit gerechnet, dass in Polen irgend etwas geschehen würde, aber nicht zu diesem Zeitpunkt.

SED-Genralsekretär Honnecker gab den Ahnungslosen und log Schmidt damit schlicht an, wie sich später herausstellte. Wieder einmal in der Geschichte waren die Deutschen mit sich selbst beschäftigt und nahmen die Ereignisse in Polen nur am Rande wahr, das kam Honnecker, der noch immer ein Überschwappen der Solidarnosc-Idee auf die DDR befürchtete sehr entgegen.

Bei einer Pressekonferenz erklärte Helmut Schmidt Honecker sei genauso bestürzt wie er selbst, dass dies nun notwendig gewesen sei. Er hoffe , dass es der polnischen Nation gelinge, ihre Probleme zu lösen. Sie würden ja nun schon lang andauern, und die wirtschaftlichen und finanziellen Hilfsmöglichkeiten anderer Staaten zugunsten Polens seien nicht unbegrenzt. Die Schmidtschen Formulierungen erweckten den mehr als unglücklichen Eindruck, dass die Solidarnosc-Polen den Versuch der deutsch-deutschen Annäherung erschwert, wenn nicht sabotiert hätten. Besonders diese Reaktion ruft bis heute Verbitterung in Polen hervor, besonders der SPD gegenüber.

Dann kamen irgendwann die ersten Bilder zum Geschehen, später die Fernsehrede von Jaruzelski. Weiterhin waren die Leitungen tot, die damals noch bestehende Handvermittlung nach Polen war eingestellt, die Grenzen geschlossen. Ein Frieren steigt hoch und langsam die kalte Angst, die Lieben in Polen womöglich gar nicht, oder erst in langer Zeit wiederzusehen. Urplötzlich war man mitten in der satten, sicheren bundesrepublikanischen Gemütlichkeit wie gegen eine Wand gekracht und begriff das Gefühl hilfloser, ohnmächtiger Furcht vor der Zukunft in seiner ganzen Tragweite gepaart mit grenzenlosem Zorn.

Es folgte Paketsendung um Paketsendung, der hilflose Versuch, wenigstens irgend etwas zu tun, nur so zeigen zu können, dass man an sie dachte dort in Polen. Es herrschte Kontaktsperre, außer diesen Paketen ging nichts rein nacvh Polen und kaum etwas oder jemand kam heraus. Wir wussten nicht, wie es unseren Lieben in Polen erging, wussten ja um ihre Einstellung zum Geschehen, wussten nicht, ob sie lebten, ob sie womöglich interniert waren.

Dann war Weihnachten, immer noch keine Nachricht. In der Bundesrepublik wurde in allen Kirchen der Polen gedacht, für Polen gebetet und nicht nur ich hatte Tränen in den Augen. Die Sylvesterfeier machte keinen Spaß 1981.

Eines Tages kam ein Brief mit westdeutscher Briefmarke, ohne Absender. Aber das ist doch die Schrift vom Onkel? Mit zitternden Fingern und sehr behutsam wurde der Brief geöffnet. Lachen, Erleichterung, eine Riesenfreude kam auf. Tatsächlich, eine Nachricht von den Lieben aus Polen. Sie lebten und sie waren den Umständen entsprechend wohlauf. Der Onkel hatte den Brief in aller Eile geschrieben und ihn an mich adressiert. So hätte man aufgrund des anderen Namens nicht so schnell auf die Identität des Absenders schließen können. Es war ja immerhin möglich, dass der Brief bei Kontrollen entdeckt wird. Er hatte ihm einem Fahrer mitgegeben, der mit einem Hilfstransport in Polen war.

Das Kriegsrecht wurde erst am 22. Juli 1983 wieder aufgehoben, die Solidarnosc wurde im Oktober 1982 verboten. Aber man konnte wieder nach Polen fahren 1982, ich bekam ein Visum und fuhr im Sommer 1982 nach Polen. Die Szenerie wirkte beklemmend. An fast jeder Straßenkreuzung in den Städten stand ein Panzer, alle paar Kilometer gab es Straßensperren. Bis an die Zähne bewaffnete Polizisten fragten nach dem Woher, Wohin und Warum, ließen sich die Pässe zeigen und winkten ohne viele Worte weiter. Aber einige Uniformierte riskierten ein paar Worte. Wir hörten Sätze wie :“Dass Ihr gekommen seid!!“ oder „Vergesst uns nicht!“. Wirtschaftlich war die Lage so katastrophal wie zuvor. Alles ging auf Lebensmittelmarken, aber oft gab es die Rationen nicht einmal. Bückware war die Rettung und Beziehungen. Die meisten Menschen waren mit dem Überlebenskampf ausgelastet. Es ist für und Wohlstandskinder kaum vorstellbar, wie mühsam die Existenz in einer solchen Mangelwirtschaft ist. So sah ich, wie die ganze Stadt im Kreis herumlief.  Das ging so: Ein Bekannter hatte Kartoffeln, dem verschaffte man die dringend benötigten Kindermäntel. Für die erhaltenen Kartoffeln tauschte man dann bei einem Verwandten Schnaps ein und konnte dafür die ebenso dringend benötigte Autobatterie  erhalten. Der Widerstand war überwiegend passiv geworden, passiv, aber hartnäckig. In Warschau zeigte mir mein Schwiegervater das Blumenmeer am Grabmal des unbekannten Soldaten. Immer wieder wurden die Blumen weggeräumt. Am nächsten Tag lagen dafür noch mehr da – ein hartnäckiger, symbolträchtiger Kampf.

Ein halbes Jahr später war die Solidarnosc auch formell verboten, der Zorn wurde dadurch keinesfalls kleiner, die wirtschaftliche Lage, vor allem die Versorgung nicht besser. Ich erlebte die Angst vor dem Winter und fuhr noch einmal im November nach Polen. Der Onkel war gestorben und ich hatte auf das Telegramm hin in Berlin bei der polnischen Militärmission ein Visum erhalten. Es war Winter geworden, aber die Lager der Kirche waren gut gefüllt. Der Pfarrer kam und bot Zucker und Mehl an, ich ging mit und traute meinen Augen nicht. Mit dem Lagerbestand hätte man die Gemeinde Monate über Wasser halten können. Immer deutlicher wurde der Machtzerfall, da konnten noch so viel Panzer an den Straßenecken herumstehen. Der Eindruck erwies sich viel später als richtig. Es war alles nur noch eine Frage der Zeit. Fraglich war nur, ob es friedlich abgehen würde.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1606 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".