Der Wahlkampf zur polnischen Parlamentswahl geht in die entscheidende Runde. Nur noch zehn Tage sind es bis zur Wahl. Regierungschef Donald Tusk und die regierende PO setzen auf die Darstellung einer Art Omnipräsenz in den Weiten des ländlichen Raums und fahren mit dem „Tuskobus“, Donald Tusks rollender Wahlkampfzentrale durchs Land und schauen heute in Masuren und morgen in Masowien kurz vorbei, Motto: Seht her, wir kümmern uns um Euch. Doch der Eurofighter Tusk hat natürlich seine Probleme mit der Finanz- und Eurokrise, eine Kerbe, in die sein Kontrahent nur zu gerne schlägt und den Ausverkauf polnischer Interessen vor allem an das Euroland der EU prophezeit. Dazu gibt er natürlich ausschließlich der Regierung die Schuld für steigende Benzin- und Lebensmittelpreise, die ein sensibles Thema in Polen sind.
Jaroslaw Kaczynski und seine PiS verlassen sich mehr auf eine Multimedia-Offensive und erreichen noch immer mehr mediale Beachtung als die relativ unspektakulären Bustouren durchs Land. Kaczynski polarisiert wie immer und weiß sich der Medien zu bedienen. So polternd und vereinfachend er daher kommt: Seine Kampagnen sind immer ausgeklügelt und regelrechte Massenfänger, wie immer, wenn Populisten die Volksseele streicheln. Es wäre gefährlich Kaczynski so zu sehen, wie man das hierzulande gern tut, denn bei aller Beschränktheit der Sichtweise ist er ein durchaus kluger Kopf. Dazu haben Tusk und Kaczynski ähnliche politische Wurzeln, beide stammen aus der Solidarnosc-Bewegung.
Kaczynski nimmt nun die Rolle des Anwalts der kleinen Leute ein, vor allem derer, die bei der Wende zu kurz gekommen sind mit Versprechungen, die auf der deutschen politischen Landkarte ganz auf dem linken Flügel wären. In diesem Polen B vor allem der ländlichen Gebiete, der schlecht Gebildeten und am Katholizismus Hängenden versucht nun Tusk auf Stimmenfang zu gehen. Wie weit das gelingt, bleibt fraglich.
Genauso fraglich ist es, ob Tusk diesen Menschen die Sichtweise eines: Es geht vorwärts, Polen kommt voran, die Zukunft ist im Bau seiner Kampgane „Polen im Bau“ wirklich nahe bringen kann. Was nützen dem kleinen Mann mit Familie und ohne Job in einem abgelegenen Ort Masurens schicke Autobahnen. Er hat kein Auto, konnte gerade die Schulbücher für die Kinder nicht bezahlen und die Lebensmittel werden auch immer teurer. Das Dilemma ist die bei allem Boom in Polen die immer weiter aufklaffende soziale Schere, dem wachsenden Abstand zwischen Polen A und B. Schon werden Stimmen laut die meinen, das sei nicht die bestmögliche Wahlkampfstrategie und Tusk hätte sich vor allem auf die Stärken der PO besinnen sollen.
Dazu hat Kaczynski ein weiteres Feld besetzt, dass ihm auch niemand streitig macht: die Katastrophe von Smolensk mit dem Absturz der Präsidentenmaschine am 10. April 2010, bei dem sein Zwillingsbruder, der damalige Präsident Lech Kaczynski starb. Weiter wird mit den Emotionen der Wähler gespielt – geschickt, wie man zugeben muss – Versäumnisse werden der Regierung nachgetragen, Verschwörungsszenarien geschürt. Die eng geknüpfte Verbindung mit Katyn macht vergessen, dass Smolensk ein Unglück war und kein Verbrechen und dass auch Katyn kein Völkermord war. Die Hochstilisierung dieses Konglomerats zum mit viel Pathos versehenen größten polnischen Drama verbunden mit nebulösen Verschwörungstheorien hat sich zu einem politischen Totschlagthema entwickelt, das von Kaczynski und anderen nationalkonservativen Kreisen immer wieder hervorgeholt wird, wenn Bedarf an nationalem Schulterschluss besteht, der keinen Widerspruch duldet und die Regierung mitsamt ihren Anhängern vom Gefühl „wir Polen“ ausschließen soll. Natürlich ist das ein Tanz auf der Rasierklinge, der Polen tief spaltet.
Jaroslaw Kaczynski setzt bei seinem Wahlkampf aus multimediale Präsenz. In diesen Tagen stellte er zuerst mit viel Rauschen im Medienwald sein Buch : „Polska naszych marzen”, „Das Polen unserer Träume“ vor, in dem er über das Polen schreibt, wie er es sich erträumt. Am Montag legte er nach. Ein 40-minütiger Film über seinen politischen Werdegang mit dem ähnlichen Titel „Polska moich Marzen“, „Das Polen meiner Träume“ wurde wiederum mit viel medialer Aufmerksamkeit vorgestellt. Dabei macht Jaroslaw Kaczynski natürlich eine gute Figur, er ist schließlich ein Profi und schauspielerte mit seinem Bruder zusammen bereits in Kindertagen, als die beiden Stars waren. Inzwischen verbreitet sich der Trailer des Films über You Tube und ähnliche Kanäle rasend schnell im Internet.
Kaczynski scheint den Nerv seiner Wähler zu treffen, mehr als Tusk, das zeigen auch die jüngsten Umfragen. Nur noch fünf Prozent beträgt der Abstand zwischen PO und PiS, schreibt die Tageszeitung Polska The Times. Das habe eine Unfrage des Instituts Homo Homini ergeben. Demnach käme die PO auf 31%, die PiS auf 29%. Als Grund sieht man dort den verspäteten Beginn des PO-Wahlkampfes, der unter dem Motto steht „Polen im Bau“, die PiS habe mit ihrem üblichen Einsammeln der Frustrierten die Oberhand gewonnen. Die PO-Abgeordnete Malgorzata Kidawa-Blonska erklärte der Zeitung, die PO betreibe eine durchgeplante Kampgane, die in verschiedenen Abschnitte unterteilt sei, vor allem bemühe man sich um die große Zahl unentschlossener Wähler.
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