Pilgern in Polen: Marias Legionen erreichen Tschenstochau

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Pilger aus Masuren auf dem Weg nach Tschenstochau,

Pilger aus Masuren auf dem Weg nach Tschenstochau, Foto: B.Jäger-Dabek,

Pilgern in Polen

Heute, am 15. August, ist in Polen Feiertag. Den Feiertag Maria Himmelfahrt kombinieren viele Polen zum langen Wochenende und damit schon traditionell beenden die Hauptferienzeit. Da reisen Familien noch einmal für ein paar Tage aus Warschau ins relativ nahe Masuren, oder machen wenigstens einen Ausflug in die Umgebung.

Vor allem aber ist Maria Himmelfahrt ein wichtiger katholischer Feiertag und Hochsaison im Pilgerkalender. Höhepunkt sind – ebenfalls traditionell – die Feiern im Kloster auf dem Hellen Berg (Jasna Gora) bei der Schwarzen Madonna von Tschenstochau.

Der polnische Pilger

Tausende Pilger werden dann das Kloster zu Fuß erreichen, wenn auch die Zahl der mit Bahn oder Bus anreisenden Pilger von Jahr zu Jahr steigt. Pilgerten in den Vorwendejahren noch rund 400.000 Gläubige jährlich zu Fuß nach Tschenstochau, sind es heute „nur“ noch 100.000. Obwohl: die Zahlen steigen wieder leicht, zeigen die akribisch geführten Statistiken des Paulinerklosters. Demnach hat sich die soziale Durchmischung der Pilger geändert.

Der heutige Durchschnittspilger ist Akademiker, 40 Jahre alt und katholisch, aber nicht strenggläubig. Auf der Suche nach Gott, dem Sinn des Lebens und nach spirituellem Erleben hofft und nicht zuletzt auf der Suche nach sich selbst hat er sich auf den Weg gemacht. Auch darin scheint Polen angekommen zu sein im heutigen EU-Europa, denn die Zu-Fuß-Pilger auf den großen, anstrengenden Pilgerwegen wie dem Jakobsweg nach Santiago de Compostella sind ebenfalls in immer größerer Zahl nicht Dankende oder Tiefgläubige, sondern Suchende.

Nach Tschenstochau zu Mariä Himmelfahrt pilgert man in Polen gut organisiert in Gruppen von etwa 200 Pilgern, ein Priester ist immer dabei. Mehrere dieser Gruppen bilden dann eine Legion, die Legionen wiederum zusammen eine Pilgerfahrt ausmachen. Eine Pilgerfahrt auf Schusters Rappen ist kein Zuckerschlecken. Die Tschenstochau-Pilger sind bis zu drei Wochen unterwegs, denn so lange dauert die Wanderung aus Masuren und anderen nördlichen Landesteilen in den Süden Polens
Man geht täglich zwischen 30 und 40 Kilometern und alles, was man braucht, trägt ,man im eigenen Rucksack. Übernachtet wird in Heuschobern, im Zelt oder in kargen Herbergen.

Auf dem Weg wird gebetet und gesungen. In den Marschpausen hält der Priester zuweilen kleine Andachten. Für das leibliche Wohl der Pilger sorgen die Anwohner in den Dörfern und Städten am Rand der großen Pilgerwege. Da werden Pilger mit Getränken, Brot, Kuchen und Obst versorgt – alles für ein „Bog zaplacz“, ein Vergelts Gott. So gehören diese Helfenden mit zu der großen Gemeinschaft der Brüder und Schwestern – so nenne sich die Pilger – auf der Pilgerschaft. Und genau deshalb erfreuen sich diese spartanischen Pilgerfahrten noch immer großer Beliebtheit: Es ist das Gefühl der Zugehörigkeit, das Erleben christlicher Gemeinschaft, das viel Pilger zu Wiederholungstätern macht.

Das Paulinerkloster auf dem Jasna Gora

Dazu ist das Paulinerkloster mit der Schwarzen Madonna nicht irgendein Wallfahrtsort. Für die Polen hat er eine ganz besondere Bedeutung als Nationalheiligtum. Übers Jahr kommen fünf Millionen Pilger in Polens spirituelles Zentrum, um die Schwarze Madonna anzubeten.

Der Piastenherzog Wladyslaw von Oppeln hatte im Jahr 1382 Paulinermönche aus Ungarn nach Tschenstochau geholt und schenkte ihnen eine Kirche. Für diese Kirche überreichte er ihnen zwei Jahre später auch eine Ikone, die später so genannte Schwarze Madonna von Tschenstochau. Die Legende besagt, der heilige Lukas habe es auf einem Brett des Tischs der heiligen Familie gemalt. Dunkel und fast schwarz wurde das Bildnis von Maria mit dem Jesuskind erst im Laufe der Jahrhunderte.

Das Gnadenbild wurde in den folgenden Jahrhunderten zum Zentrum von Tschenstochau. Anders als in Wallfahrtsorten wie Fatima hat es in Tschenstochau keine Marienerscheinung gegeben. Es ist die Schwarze Madonna selbst, die den Ort zum Nationalheiligtum machte. Sie ist zugleich Schutzpatronin Polens, wurde in den schwersten Zeiten um Hilfe angefleht und spendete den Gläubigen Trost. Von Anfang an immer wieder Hilfe bei schweren, schicksalhaften Bedrängungen nachgesagt.

Als 1655 die protestantischen Schweden in Polen einfielen, nahmen sie große Teile des Königreichs im Sturm ein, nur nicht den 293 Meter hohen Jasna Gora und das befestigte Paulinerkloster. Eine Prozession soll mit der Schwarzen Madonna ums Kloster gegangen sein und die Rufe „Maria hilf“ sollen die schwedischen Geschosse umgeleitet haben. Das Wunder von Tschenstochau verbreitete sich rasch und stachelte den Widerstandswillen an. Mit einer großen Kraftanstrengung gelang es, Polen zu befreien. Zum Dank kam König Jan II. Kazimierz seinem Gelübde nach und Bestimmt Maria 1656 zu Königin Polens.

Marienverehrung in Polen

Ein weiteres Geschichtsereignis, der 15. August 1920 wird von tiefgäubigen Polen ebenfalls der Hilfe Marias zugeschrieben. An diesem Tag besiegten polnische Truppen im polnisch sowjetischen Krieg die Rote Armee in einer Schlacht vor den Toren Warschaus, dem „Wunder an der Weichsel“ und besiegten die Sowjetunion schließlich.

So ist es für gläubige Polen bis heute ein Herzenswunsch, wenigstens einmal im Leben nach Tschenstochau zu pilgern. Die meisten kommen natürlich im August, wenn der tief in Polen verankerte Marienkult seinen Höhepunkt erreicht, denn nicht nur Mariä Himmelfahrt wird dann gefeiert, sondern am 26. August folgt der Tag der Schwarzen Madonna und am 8. September enden die Marienfeierlichkeiten mit Marias Geburtstag.

Dann klingt es wieder tausendstimmig „Boze! Cos Polske“, die religiöse Weise, die um Gottes Beistand für Polen bittet und zur zweiten Nationalhymne Polens wurde, sogar die Glocken vom Glockenturm stimmen sie an.

Es ist die hohe Zeit der polnischen Marienverehrung, die immer eng mit den Geschicken des Landes verbunden war. Viele Gläubige Polen sehen Maria wie eine verständnisvolle Mutter die hilft, tröstet, verzeiht und dabei den Alltagsproblemen der Menschen nahe ist.

Der Marienkult ist nicht nur tief im polnischen Volk verankert, er ist – zumindest in Tschenstochau – auch ein Geschäft. In der 250.000-Einwohnerstadt in der Woiwodschaft Schlesien sind der Marienkult und das Pilgerwesen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Die Stadt hat sich auf den „Tourismuszweig Pilgern“ eingerichtet. Unterhalb des Jasna Gora im Westen der Stadt herrscht das ganze Jahr über Jahrmarkt, ein Devotionalienhandel am anderen beglückt die Pilger mit Erinnerungen an ihre Wallfahrt. Wo früher Einheimische ihr Auskommen ind der Produktion solcher Souvenirs fanden, liegt heute nur im Handel mit China-Importen Gewinn. Dabei sind die kirchlichen Verkaufsstellen der weltlichen Konkurrenz immer um eine Nasenlänge voraus: Der Standortvorteil direkt am Heiligtum ermöglicht höhere Preise.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".