Hinter den Kulissen tobt die Werbe- und PR-Schlacht: Facebook hat zum Großangriff geblasen, um dem bisher so beliebten polnischen Eigengewächs Nasza klasa.pl den Garaus zu machen. Hatte Nasza Klasa dem Branchengiganten bisher auf dem polnischen Markt keinen Stich gelassen, hat sich das nun radikal geändert und Facebook entwickelt sich anders als StudiVZmehr und mehr zu einem Ernst zu nehmenden Konkurrenten für Nasza Klasa.
Das deutsche Erfolgsportal mit seinen 4,8 Millionen Nutzern war es nicht gelungen, in Polen gegen Nasza Klasa einen Fuß auf den Boden zu bekommen. Der polnische Ableger studentIX.pl ging im Januar 2009 sang- und klanglos wieder vom polnischen Markt. Denn die Zahlen von Nasza Klasa waren erdrückend: mehr als 13 Millionen Polen sind derzeit bei Nasza Klasa aktiv, fast ein Drittel aller Polen! Das sind alles in allem allein in Polen fast halb so viel User, wie Facebook in ganz Europa hat.
Das weckt Begehrlichkeiten, doch hatte es Facebook bisher schwer und kam gerademal auf eine Viertelmillion User in Polen. Scheibar keine Chance also lässt Nasza Klasa der Konkurrenz. Das im November 2007 gestartete soziale Netzwerk von Maciej Popowicz hatte einen Traumstart hingelegt. Das Konzept erinnerte stark an das amerikanische Portal „classmates“. Auch Nasza Klasa will dabei helfen, mit der alten Schulklasse, Studiengruppe oder sogar den Kindergartenfreunden in Kontakt zu bleiben und alte Schulkameraden wieder zu finden. Dazu kann man ein eigenes Profil erstellen, sich im Forum austauschen und Fotos herunterladen.
Nach dem Scheitern von studentIX.pl/StudiVZ hatte sich bisher auch Facebook an Nasza Klasa die Zähne ausgebissen, doch das Blatt scheint sich zu wenden. Plötzlich beginnt Facebook ein rasantes Wachstum hinzulegen. Binnen nur einer Woche im Oktober 2009 legten 300.000 Polen ein Konto bei Facebook an. Das ist ein stärkerer Zuwachs, als selbst in China!
Die meisten dieser User suchen bei Facebook den Austausch mit Freunden und Bekannten auch über größere Entfernungen hinweg. Der Soziologe Kazimierz Krzysztofek sieht in diesem rasanten Anwachsen von Facebook den Anfang vom Ende des bisherigen Branchenprimus, der den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht habe. Drei Gründe sieht Krzysztofek dafür: zum einen ist es auf Dauer weniger interessant, sich nur mit den Schul- und Spielkameraden von einst zu befassen, als mit Menschen in aller Welt, die ähnliche Interessen haben. Das nämlich ist schon das zweite Motiv zum Wechseln: die Internationalität. Der dritte Grund liegt darin, dass Facebook schlicht „in“ ist, Facebook ist der virtuelle Treffpunkt, bei Facebook muss man dabei sein.
So nimmt es denn nicht Wunder, dass Facebook-User in Polen überwiegend aus den Großstädten kommen und hochgelildet sind, 57% von ihnen sind Frauen, das Durchschnittslater liegt zwischen 20 und 35 Jahren. Nasza-Klasa-User hingegen kommen meist aus dem kleinstädtischen Milieu und sind weniger gut ausgebildet. Immer mehr Kulturschaffende und Institutionen haben in Polen Facebook-Konten, darunter sogar das Museum Auschwitz.
Jan Galkowski von der Universität Rzeszow meint, Nasza Klasa sei nur das Phänomen einer Saison gewesen, denn Facebook sei auf Dauer einfach vielfältiger.