Polen und Obama: Warschauer Einschätzungen nach der Wiederwahl

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Barack Obama, Präsident der USA, Foto: The Obama-Biden Transition ProjectMan ist irgendwie zwar erleichtert nach der Wiederwahl des US-Präsidenten Barack Obama, denn für alle Europäer sei Obama dem Republikaner Mitt Romney gegenüber der berechenbarere Politiker, seine Reaktionen erscheinen vorhersehbarer. Doch sieht das politische Warschau durchaus auch mit gemischten Gefühlen über den Atlantik. Hatte der große Visionär Obama schon in seiner ersten Amtszeit Probleme, im Kongress und Senat Mehrheiten für seine Politik zu finden, sind die Verhältnisse nun nicht leichter geworden. Man befürchtet in Warschau einen atlantischen Partner USA, der uneins und kompromissunfähig ist wie selten.

Der polnische Politologe Bogdan Szklarski erklärte dem polnischen Rundfunk gegenüber, Obama habe den Amerikanern im Wahlkampf keine schlüssige Zukunftsvision vorgestellt. Er befürchte, dass Obama keine großen Reformvorschläge einbringen werde, fügte er an.

Natürlich weiß man auch in Warschau, dass Obama vor allem drei inneramerikanische Probleme anzugehen hat: die weiterhin hohe Arbeitslosigkeit, das niedrige Wirtschaftswachstum und die gewaltige Staatsverschuldung. Dabei hat er weiterhin mit eisigem Gegenwind von Republikanern, den christlichen Fundamentalisten des Biblebelts, die Totalopposition betreiben wegen Obamas Haltungen Homosexuellen, der Homosexuellenehe sowie Abtreibungen betreiben, und der gehobenen Mittelschicht gegenüber, die den Unterschied zwischen sozial und sozialistisch negiert. Da bleibt nicht viel Luft für eine amerikanische Europainitiative, zumal Obama sich selbst als pazifischen Präsident sieht.

Auch bekommt man in Warschau die sich ändernden Mehrheitsverhältnisse innerhalb der Bevölkerung der USA in den Blick. Was man bei der ersten Wahl gern Obamas Charisma zuschrieb, entwickelt sich bei diesem zweiten Wahlsieg als relativ stabile Koalition aus Latinos, Afroamerikanern, jungen Leuten und Frauen. Die Entwicklung hat also deutlich weg von der Schicht der weißen Protestanten, die seit Gründung der USA staatstragend und bestimmend waren,  hin zu den Minderheiten der Farbigen.

So sieht auch die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza ein neues Amerika und fragt sich, ob der Republikaner Mitt Romney und mit ihm das alte, konservative Amerika das neue Amerika der Afro- und lateinamerikanischen Wähler unterschätzt hat. Dass die Republikaner damit ein Problem haben, sähe man auch an den in einigen Staaten der USA mit der Präsidentenwahl zusammen durchgeführten Abstimmungen. So hätten sich die Bürger von Colorado und Washington für eine Freigabe und Legalisierung von Marihuana ausgesprochen, was aber genauso im Gegensatz zu föderalem Recht steht, wie die Zulassung der Homosexuellen-Ehe, die in Maryland, Mayne und Washington glatt durchging.

Die wahlentscheidende Rolle sieht die Gazeta Wyborcza wiederum bei den Afroamerikanern und Latinos. Deren Einfluss habe Mitt Romney unterschätzt, seine Patzer im Wahlkampf haben obendrein zu seiner Niederlage beigetragen, liest man in der Gazeta Wyborcza.

Nach Meinung der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna liegen die politischen Ansichten von Europäern und Amerikanern so weit auseinander, wie selten. Während das erwartete Kopf-an-Kopfrennen zwar ausblieb und das Rennen relativ früh entschieden war, stimmten die amerikanischen Wähler dennoch keinesfalls einhellig für Obama.

Der Dziennik zitiert eine aktuelle Studie, die belegt, dass rund 90% aller europäischen Wähler für Obama stimmen würden, den sie als den besseren Kandidaten sehen, denn sein Rivale Mitt Romney wird von Europäern als zu konservativ und zu weit rechts stehend beurteilt, berichtet das Blatt. Wie die Studie berichte, würden Europäer Obama hingegen als Liberal-Konservativ, also ähnlich wie den polnischen Regierungschef Donald Tusk einstufen. Dazu wüssten die Europäer mit Romney nicht viel anzufangen, was sich besonders nach seiner Europareise zeigte. Auch Dziennik/Gazeta Prawna meint, den Europäern erscheine Obama als ein vorhersehbarer und verlässlicher Partner.

In einem Artikel vom 7. November sucht der Dziennik nach den Gründen für Obamas Wahlsieg und sieht diese in erster Linie in den Fehlern von Mitt Romney und dem Hurrikan Sandy, der kurz vor der Wahl Obama als umsichtigen Krisenmanager mit viel Einfühlungsvermögen für die betroffene Bevölkerung zeigte.

Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski gratulierte Barack Obama am Morgen nach der Wahl. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski zeigte sich erleichtert, denn ein Sieg Romneys hätte die Wahrscheinlichkeit eines Kriegs mit dem Iran erhöht, was schlecht für Polen wäre.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1631 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".