Polen: Kaczynski der Schlesierfeind

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Es gibt keine schlesische Nationalität

Es gibt keine schlesische Nationalität,

Es klingt wie eine Provinzposse aus einem fernen Absurdistan, was der weiterhin von seiner Deutschen- und Russenphobie getriebene Jaroslaw Kaczynski sich als neue Kampgane ausgedacht hat. Ein neuer Sündenbock musste ein knappes halbes Jahr vor der polnischen Parlamentswahl her und Jaraoslaw Kaczynski, der Vorsitzende der oppositionellen nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit PiS fand ihn in den Schlesiern.

 

Im „Bericht zum Zustand des polnischen Staates“ der eine Abrechnung mit den vier Jahren der Regierung Tusk darstellen soll und als programmatisch für die PiS gilt, findet sich im Kapitel „Das schamhafte polnische Volk“ der erstaunliche Satz: „Man kann hinzufügen, dass ein Schlesiertum, das das die Zugehörigkeit zu Polen ablehnt schlicht und einfach eine Art ist, sich vom Polentum abzugrenzen und wahrscheinlich eine verdeckte Art, die prodeutsche Option zu übernehmen.“

Dieser Satz ist als Speerspitze auf die Bewegung für die Autonomie Schlesiens RAS gedacht, und wieder wie es bei Kaczynski Methode ist, in dem Dinge vermengt werden, die gar nicht zusammengehören. So suggeriert er mit dem obigen Satz, dass alle Menschen, die sich als Schlesier bezeichnen, eigentlich Deutsche seien. Die RAS agiert in der Wojwodschaft Schlesien (Slaskie), die zu großen Teilen dem ehemaligen Industrierevier Oberschlesien entspricht, in dem über viele Jahrhunderte hinweg Polen, Deutsche und Tschechen zusammenlebten und eine ganz eigene Kultur entwickelten. Daraus leitet die RAS den Anspruch auf Anerkennung als nationale bzw. ethnische Minderheit ab. Deutschstämmige allerdings leben in diesem Gebiet kaum, Siedlungsraum der deutschen Minderheit ist die benachbarte Woiwodschaft Oppeln (Opolskie). Die von der RAS vertretenen polnischen Bürger, die eine schlesische Nationalität reklamieren, haben mit dieser deutschen Minderheit gar nichts zu tun.

Zum Anlass dieses Thema hochzukochen nahm Jaroslaw Kaczynski die am 1. April begonnene zweite Volkszählung, bei der zum ersten Mal die Möglichkeit besteht, in der Rubrik Nationalität sich für „Schlesier“ zu entscheiden. Bei der ersten Nachwende-Volkszählung vor neuen Jahren hatten polenweit 173.000 Menschen auch ohne diese vorgegebene Kategorie angegeben Schlesier zu sein, weitere 153.000 bezeichneten sich als Deutsche. Der RAS-Vorsitzende Jerzy Gorzelik erwartet diesmal sogar eine Verdoppelung des Ergebnisses.

Bernhard Gaida, der Vorsitzende des Verbandes der deutschen Minderheit in Polen – einer anerkannten Minderheit mit verbrieften Rechten – protestierte gegen Kaczynskis Äußerungen, die er als Polemik bewertet und meinte Kaczynski suggeriere, Deutschstämmige seien die schlechteren polnischen Bürger.

Es gab weitere Stimmen, die sich vehement gegen Kaczynskiy Äußerungen wandten. Regierungschef Donald Tusk warf Kaczynski vor, seine Äußerungen zielten auf eine Spaltung Polens ab und würden in jedem Fall die Bewegung für die Autonomie Schlesiens stärken. Auch erwartete er demonstrative Unterstützungsaktionen auch in anderen Regionen, denn niemand wolle in Polen, dass Kaczynski ihm vorschreibe, als was er sich zu fühlen habe.

Zehn Abgeordnete der Regierungspartei Bürgerplattform PO haben inzwischen Strafanzeige gegen Kaczynski gestellt, sie sind allesamt Schlesier. Die Kaczynski-Aussage Schlesier grenzten sich vom polnischen Staat ab und würden heimlich deutsche Interessen vertreten, verstoße gegen Artikel 257 des polnischen Strafgesetzbuches heißt es in der Klageschrift, der die Diskriminierung von Personen oder Gruppen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit unter Strafe stellt.

Filmregisseur Kazimierz Kutz – engagierter Schlesier –  sieht das Ganze mit einem weinenden und einem doch etwas zwinkernden Auge wie auch Jerzy Gorzelik, denn immerhin habe Kaczynski eine gesellschaftliche Diskussion losgetreten, die nicht nur der Entwicklung einer schlesischen Identität dienlich sei, sondern der Entwicklung regionaler Identitäten in Polen allgemein – man solle ihm ein Denkmal setzen, spottete Kutz. Der Schuss könnte also nach hinten losgehen.

 

Kaczynski scheint mit seiner Aktion gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche treffen zu wollen, der Seitenhieb geht in Richtung der „fahnenflüchtigen“ PiS-Abweichler. Ende 2010 waren gleich mehrere PiS-Abgeordnete aus der Kaczynski-Partei ausgetreten und hatten unter Führung der ehemaligen Kaczynski-Mitarbeiterin Joanna Kluzik-Rostkowska die neue Partei PJN gegründet, die für einen Mittelweg zwischen der liberalen Bürgerplattform PO und der national-konservativen PiS steht.

 

In einem offenen Brief an Kaczynski schreibt Kluzik-Rostkowska:  „Ich bin eine Schlesierin,  und ich bin eine Polin. Für Sie bin ich jedoch eine „verdeckte Deutsche“. Ihre Worte halte ich für empörend. Sie zeugen davon, dass sie die Spezifik meiner Heimatregion nicht verstehen. Die Geschichte Schlesiens war sehr kompliziert und schmerzhaft für die Einwohner dieser Gebiete. Ihre Aussagen zeugen nur von Ihrer Ignoranz und darüber, dass Sie sich immer noch nicht von Ihren Beziehungen zu Roman Giertych von der Liga Polnischer Familien gelöst haben“.

 

Was außerhalb Polens wirkt wie eine Posse aus Absurdistan ist doch rationales Kalkül, soweit man ein von Phobien gesteuertes Verhalten als rational bezeichnen kann. In Kaczynskis Arsenal von Wahlkampfwaffen  hat es sich bereits als äußerst wirksam erwiesen und je größer die Ängste, die man schürt, desto williger ist der Wähler, eine scheinbar berechenbare Politik des Bewahrens und Bestandssicherns zu goutieren die auf ein zentralistisches „Polen den Polen“ hinausläuft. Dann sind auch Sündenböcke willkommen, auf die man alles, was im Land nicht rund läuft abwälzen kann, sei das für außenstehende Betrachter auch noch so absurd. Auf genau dieser Klaviatur spielt Kaczynski und das bisher nicht ohne Erfolg. Schließlich hat es auch 2005 geklappt, als die Brüder Kaczynski im Präsidentschaftswahlkampf den heutigen Ministerpräsidenten Donald Tusk diffamierten mit dem falschen Vorwurf, sein kaschubischer Großvater habe freiwillig in der Wehrmacht gedient. In Wirklichkeit war er wie Tausende andere zwangsrekrutiert worden aber Tusk wurde so unterschwellig als aus einer Familie von Landesverrätern stammend abqualifiziert, was ihn vermutlich den fast sicher geglaubten Wahlsieg kostete.

Schlesische Nationalität?

Die beiden Gegenpole schlesische Nation ja oder nein besetzten deutlich die beiden Tageszeitungen Rzeczpospolita und Gazeta Wyborcza.

Rrzeczpospolita:

Eine schlesische Nation gibt es nicht. Das polnische Verfassungsgericht habe diese Sicht in zwei verschiedenen Urteilen bestätigt. Es gäbe in Polen vierzehn staatlich anerkannte nationale und ethnische Minderheiten in Polen die Schlesier gehörten nicht dazu. Das polnische statistische Hauptamt GUS, das die Volkszählung durchführe verstoße gegen geltendes Recht, da es die Nationalitätsbezeichnung „Schlesier“ vorsehe.

Gazeta Wyborcza:

Der Soziologe Jerzy Szacki meint, die Zugehörigkeit zu einer Nation oder Ethnie könne man nicht durch Paragrafen und Regelungen bestimmen, entscheidend sei das subjektive Empfinden der Betroffenen. Es sei nun einmal Tatsache, dass es für viele Menschen ein schlesisches Nationalempfinden gäbe. Ein solche Erwachen nationaler und ethnischer Minderheiten sowie regionaler Identitäten sei ein europaweites Phänomen. Die EU trägt dem mit der programmatischen Idee Europa der Regionen, einer Einheit in Vielfalt Rechnung.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".