Polen: Tusk übersteht die Vertrauensfrage im Parlament

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Donald Tusk, Ministerpräsident von Polen, Foto: European People's Party

Polens Ministerpräsident Donald Tusk ist dem Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski und dem bereits angekündigten Misstrauensvotum im Parlament Sejm zuvorgekommen und hat die Vertrauensfrage gestellt und gewonnen. 233 Abgeordnete sprachen ihm  das Vertrauen aus, 219 stimmten gegen die Regierung, damit steht auch der Koalitionspartner PSL hinter Tusk. Zumindest die Koalition erscheint also derzeit stabil.

Die schwer unter Druck geratene Regierung Tusk hat sich so wenigstens ein wenig Luft verschafft, denn die größte Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit PiS und deren Vorsitzender Kaczynski haben in ihrer Herbstoffensive bereits angekündigt, der regierenden Bürgerplattform PO und Ministerpräsident Tusk nun keine Ruhe mehr lassen zu wollen.

Die Umfragewerte für Tusk und die PO befinden sich seit einigen Wochen im freien Fall, mittlerweile hat Tusk eine bisher satte Mehrheit in den Umfragen verspielt. Nur noch ein Viertel der Polen steht derzeit hinter der Regierung Tusk belegen jüngste Umfragen, der Abstand zur nationalkonservativen Oppositionspartei PiS beträgt derzeit nur noch Dabei hatten vor einem Jahr bei der Wahl die Polen erstmals seit der Wende eine Regierung wiedergewählt. Rund 40 % der Wahlberechtigten hatten für Tusks Bürgerplattform gestimmt. Die neueste Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Polska für die liberale, eher regierungsfreundliche Tageszeitung Gazeta Wyborcza ergab sogar erstmals eine leichte Führung von 28% für die PiS gegenüber nurmehr 27% Zustimmung für die PO. Nur noch 26% der Polen möchte, dass Tusk und die PO weiter regieren, während 44 % jemand anderen an der Regierungsspitze sehen wollen. Immer größer werden die Zweifel, ob die Regierungskoalition von PO und Bauernpartei PSL die ganze Legislaturperiode durchhalten wird.

Auch in der PO ist längst nicht alles harmonisch: Rund 40 der 206 PO-Abgeordneten hatten sich am Mittwoch dem Antrag der nationalkonservativen Gruppe „Solidarisches Polen“ für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts angeschlossen. Bei der Fraktionssitzung am Donnerstag sei es heiß hergegangen, twitterte Regierungssprecher Pawel Gras. Am Freitag machte Tusk im Parlament deutlich: „Wer will, dass mehr Kinder geboren werden, muss den Müttern helfen und sie nicht bestrafen. Frauen sollen nicht wählen müssen, ob sie ein Kind haben oder ihre Arbeit behalten wollen.“

Die Unzufriedenheit der Polen mit Donald Tusk ist nicht an einem einzelnen Punkt festzumachen, es ist die Summe vieler einzelner Kleiner und großer Unzulänglichkeiten. Immer wieder genannte Kritikpunkte sind das neue Renteneintrittsalter von 67 Jahren als größter Streitpunkt der Rentenreform. Dazu beginnt sich die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise langsam, aber sicher auch auf Polen auszuwirken. Besonders die Pleitewelle in der Baubranche wirbelte Staub auf. Persönlich wird Tusk vor allem die Amber Gold Affäre und der Umgang mit der Verstrickung seines Sohns Michal Tusk, sowie der lasche Umgang der Justiz mit den bankähnlichen Finanzdienstleistern und teils mehrfach einschlägig vorbestraften Firmengründern solcher Firmen. Immer schwerer gelingt es Tusk auch, konservative und liberale Flügel seiner Partei zusammenzuhalten.

Das zeigte sich am Mittwoch, als sich eine ganze Reihe der PO-Abgeordneten dem Antrag der nationalkonservativen Gruppierung „Solidarisches Polen“ für eine Verschärfung des Abtreibungsrechts zustimmten, was ein Donnerwetter bei der Fraktionssitzung am Donnerstag zur Folge hatte.  So war Tusk bei seiner der Vertrauensabstimmung zuvorgegangenen in Polen Expose genannten Regierungserklärung auch dieses Thema aufgedrängt. Doch Tusk zog sich gut aus der Affäre und erklärte, wer wolle, dass in Polen mehr Kinder geboren werden, müsse den Müttern helfen und sie nicht bestrafen. Frauen sollten nicht wählen müssen, ob sie ein Kind haben oder ihre Arbeit behalten wollen, fügte der polnische Ministerpräsident an.

Hauptinhalte der Regierungserklärung waren die Zukunfts-Pläne der Regierung. Im Zetrum sstnaden dabei die Wirtschaft und soziale Fragen. Als Hauptaufgabe seiner Regierung für das kommende Jahr 2013 sieht es Tusk, das Wirtschaftswachstum auf dem bisherigem Niveau zu erhalten, denn darin sieht der Regierungschef die einzige Möglichkeit, ein Ansteigen der  Arbeitslosigkeit zu verhindern. Familienfreundlicher möchte die Regierung die politischen Rahmenbedingungen gestalten und den Mutterschaftsurlaub auf ein Jahr verlängern.

Die Politikwissenschaft in Polen sieht diese Punkte als vorgezogene Weihnachtsgeschenke fürs Volk, die Wirtschaftsexperten sehen die von Tusk propagierten Maßnahmen als verspätet, denn deren Effekte würden sich frühestens Ende 2013 auswirken, die Wachstumsdelle werde sich aber schon viel früher auswirken. Auch bei manchen der eingeplanten wachsenden Staatseinnahmen sehen Experten mit sehr wackeliger Wahrscheinlichkeit eher im unsicheren Bereich und nicht als seriöse Kalkulationsgrundlage.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1611 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".