Foto: Polens Gastronomie mit kreativen Ideen, pixabay.com/CC0
In der heutigen Zeit ist der Besuch in einem Restaurant oft weit mehr als nur Mittag- oder Abendessen. Oft geht es dabei um das Erlangen neuer kultureller Erfahrungen oder das neuartige Anregen der eigenen Sinne. Ein nach Warschau ausgewanderter Koch bringt diese Attribute mit seinen Variationen auf den Tisch. Im “Senses” in Warschau werden Speisen synthetisch hergestellt, was möglicherweise einen Trend der Zukunft bedient.
Ein Stern für Küchenchef Camastra
Egal ob Vorspeise, Hauptgang oder Dessert verspeist wird – keine der angebotenen Gerichte ist hier wirklich “echt”. Für die Zubereitung werden frische Zutaten in der Küche durch künstlich angefertigte Stoffe ersetzt – diese tragen den kreativen Namen “Baliquin” oder “Senses No. 15”. Starkoch Andrea Camastra, der vom Guide Michelin einen Stern für seine Küche erhielt und seit 2011 Gourmetfreunde aus aller Welt anzieht, ist der Kopf hinter der Warschauer Synthetikküche. Die Kombination aus künstlichen Stoffen, Proteinpulver, Farbstoffen und Carrageene sei für ihn nicht nur völlig normal, sondern sei der Beginn eines neuen Gourmet-Zeitalters. Er nennt es “Notenküche”.
Das viele Personen bei diesem Konzept zunächst eine Abwehrhaltung zeigen, ist für den aus Italien ausgewanderten Koch keine neue Situation. “Diese Neophobie, ist völlig normal und weit verbreitet wenn es ums Essen geht”, schildert Camastra. “Um die Notenküche zu verstehen, muss man sich von alten Mythen und Denkmustern lösen. Es gibt in der Küche wenig Natürliches. Eine Kuh ist natürlich, ein Steak nicht. Oder Käse. Käse ist ein künstlich erzeugter Reifungsprozess aus geronnenem Eiweiss, Lab und Bakterien. Pure Chemie.”
Ein breit gefächertes Angebot
Da Camastra bestens darüber Bescheid weiß, dass seine “Notenküche” ein noch vorsichtiges Herantasten erfordert, bietet die Speisekarte seines Restaurants entsprechende Abwechslung. Neben synthetisch hergestellten Speisen findet sich hier auch Fleisch und Fisch und auch Gerichte aus der Molekularküche, die für Camastra als besondere Inspiration gilt. “Bei der Molekularküche achten Köche darauf, den physikalischen Aufbau der Lebensmittel zu verändern und andere Zubereitungstechniken zu verwenden”, weiß auch der gelernte Koch René Huber vom digitalen Gourmet- und Kochportal Sternefood. “Beispielsweise erfolgt das Garen von Fleisch hier auf Niedrigtemperatur. Es benötigt zwar deutlich mehr Zeit, aber die Konsistenz ist deutlich saftiger und samtiger”.
Der Erfinder und Visionär dieser Küche zählt für Camastra zu seinen größten Inspirationen. Auch durch seinen Werdegang ist Camastra besonders motiviert, seine Notenküche zu etablieren. Anfang der Neunziger Jahre stieß auch diese neuartige Cuisine größtenteils auf Ablehung, bis schließlich mehrere Auszeichnungen, unter Anderem drei Michelin-Sterne, folgten.
Forschung und Restaurant wird kombiniert
Für die Arbeit an seinem Konzept hat sich Camastra einen speziellen Ort ausgesucht. Obwohl Polen dafür bekannt ist, sehr viel Fleisch zu konsumieren und hauptsächlich Hausmannskost auf dem Teller landet, kann er sich hier gut entfalten. Zusätzlich zu seinem regelmäßig gut gefüllten Restaurant arbeitet der Starkoch auch an der Zukunft. Nebenbei betreibt er noch ein eigenes Food-Labor. Spezielle “Gadgets” sowie die kulinarischen Ideen, die letztendlich im Restaurant serviert werden, werden hier ausgearbeitet und schließlich verfeinert.