Arbeitsmarktöffnung: Polens Hochqualifizierte meiden Deutschland

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Katowice BauarbeitenAm 1. Mai ist es nun soweit, für Deutschland und Österreich fallen die letzten bei der EU-Osterweiterung von 2004 festgelegten Schutzfristen. Von da an werden  Arbeitnehmer aus acht Beitrittsländern – nur für Bulgarien und Rumänien gilt die Arbeitsmarktöffnung noch nicht – ohne weitere bürokratische Hemmnisse auch in Deutschland und Österreich arbeiten können.

 

In Deutschland ist man skeptisch, obwohl es keinen seriösen Wirtschaftsforscher oder Soziologen gibt, der eine Überschwemmung des deutschen Arbeitsmarkts mit Billigarbeitskräften prognostiziert, vor allem aus dem benachbarten Polen. Dort sehen manche Politiker, die mit der deutschen Angst vor Arbeitsplatzverlusten ihr politisches Süppchen kochen, das größte Zuwanderungspotenzial.

 

Wenn solche düsteren Bilder an bundesdeutsche Wände geworfen werden, verschweigt man gern die Fakten: Die polnische Wirtschaft boomt, die Arbeitslosigkeit ist kaum höher als in Deutschland und mit rund 10 Prozent zum Teil wesentlich geringer als in den grenznahen Neuen Ländern.

 

Billigarbeitskräfte für Saisonarbeit oder die Baubranche winken in Polen bei aller Attraktivität der Nähe Deutschlands zur Heimat eher ab, warum sollte jemand für deutsche Niedriglöhne ausgerechnet hierher kommen, wenn in anderen Ländern wie Großbritannien viel mehr gezahlt wird? Interessanter wird es für qualifizierte Fachkräfte aus Polen, aber die braucht der deutsche Arbeitsmarkt ohnehin dringend. So gibt es Dutzende Nachfragen aus Deutschland mit Angeboten für polnische Fachkräfte. Man lässt sich die Vermittlung von polnischen Arbeitskräften sogar etwas kosten und beauftragt privaten Vermittlungsagenturen in Polen.

 

Nur ein Beispiel von vielen ist die Agentur Work Express in Kattowitz (Katowice), die allein von der Handwerkskammer Aachen 800 Stellenangebote bekam. Unter anderen werden 120 Elektriker, 117 Bauarbeiter, 92 Schlosser, dazu Bäcker, Friseure, ja sogar Optiker gesucht. Work Express rechnet mit weiteren Anfragen, besonders aus Hotelgewerbe und Gastronomie.

 

Sogar Auszubildende suchen viele grenznahe deutsche Kreise im Nachbarland Polen, denn seit 2003 ist in Ostdeutschland nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) die Zahl der Auszubildenden um 115.000 gegenüber diesem Jahr gesunken.

 

Was den Pflegebereich betrifft, sei zwar auch in Deutschland bekannt, dass polnische Krankenschwestern mit ihrem fünfjährigen Ausbildungsgang besser ausgebildet und vielseitiger einsetzbar seien, als ihre deutschen Kolleginnen. Schwierig ist in diesem Bereich allerdings das Sprachproblem.

 

Vor allem der private deutsche Pflegesektor sei zwar ein riesiger, unterversorgter Bereich – 800.000 Pflegekräfte fehlen – aber für examiniertes Pflegepersonal uninteressant, die Löhne im privaten Bereich sind mit sechs oder sieben Euro längst nicht mehr konkurrenzfähig. Von den schätzungsweise 200.000 Polinnen, die derzeit schwarz in der Pflege tätig sind, werden daher die wenigsten ihren Status legalisieren und von dem kargen Verdienst noch Sozialabgaben und Steuern abführen wollen. Examinierte Krankenschwestern aus Polen finden in Großbritannien und den Niederlanden, sowie in Schweden wesentlich höheren Verdienstniveaus vor.

 

Um nennenswerte Zahlen von Medizinern nach Deutschland zu locken, braucht es bessere Arbeitsbedingungen an deutschen Kliniken mit flexibleren Arbeitszeitmodellen, denn es gibt durchaus polnische Ärzte die daran interessiert wären in Blockzeiten zu arbeiten, um ihre Familien in Polen lassen zu können. Auch bessere Aufstiegschancen würde es brauchen.  Wo es solche Modelle gibt, wie in Greifswald, gelingt es auch, polnische Mediziner anzuwerben.

 

Was Experten längst wissen, wird nach dem 1. Mai zur Gewissheit werden: Deutschland hat den Wettlauf um die begehrten Fachkräfte aus Osteuropa schon vor Jahren verloren. Wer in Ländern wie Polen gehen wollte, hat das 2004 getan, als der Unterschied im Lohnniveau größer war und die Arbeitslosigkeit in Polen doppelt so hoch. Zwar hat man in Deutschland 2007 die Notbremse gezogen, als der Mangel an Ingenieuren dramatisch zu werden drohte. Inzwischen sind die Gehälter in Polen ähnlich hoch wie in Deutschland, aber die Aufstiegschancen sind für junge polnische Ingenieure in Polen wesentlich größer als in Deutschland.

 

Im Verhältnis zur Bevölkerung werden in Polen wesentlich mehr junge Frauen und Männer Ingenieur als in Deutschland, Polen entlässt Jahr für Jahr mehr Ingenieurabsolventen ins Berufsleben als irgend ein anderes Land in Europa, doch wer ins Ausland geht, zieht Großbritannien oder auch die USA vor, denn dort sieht man in Polen größere Aufstiegschancen und weniger Mobbing und Diskriminierung beim Wettbewerb um Führungspositionen als in Deutschland.

 

Tatsächlich rechnet das Institut für Arbeitsmarktforschung in Nürnberg für Deutschland  für die nächsten drei Jahr mit einer Zuwanderung von rund 230.000 Menschen aus Polen und noch einmal die gleiche Zahl von Arbeitnehmern aus den übrigen osteuropäischen Ländern, in Warschau rechnet man mit rund 300.000 bis 400.000 Polen, die nach Deutschland zur Arbeit fahren werden.

 

Die Panik der Deutschen, die nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IMAS immer noch zu 70% glauben, die Öffnung des Arbeitsmarkts habe für Deutschland nur negative Folgen, erklären all diese Zahlen nicht, zumal alle Experten erklären, das habe keinen Einfluss auf die Arbeitsverhältnisse deutscher Beschäftigter.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".