Kopernikus-Gruppe mahnt zur deutsch-polnischen Verständigung

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Deutsch-polnische Regierungskoalitionen, Foto: KPRM, public domain

Der deutsch-polnische Gesprächskreis der Kopernikus-Gruppe besteht aus 21 Experten und trifft sich seit dem Jahr 2000 zweimal jährlich um Empfehlungen zur deutsch-polnischen Zusammenarbeit zu erarbeiten. Für diese Arbeit, die in den Arbeitspapieren auch der Öffentlichkeit zugänglich ist, wurde die Gruppe mit dem Viadrina-Preis ausgezeichnet.

Die Kopernikus-Gruppe traf sich kürzlich in Berlin zu seiner wie immer nicht öffentlichen 33. Sitzung. Kurz vor dem 25. Jahrestag des deutsch-polnischen Partnerschaftsvertrags erarbeiteten die Kenner des deutsch-polnischen Verhältnisses, die beide Sprachen beherrschen, ihr 27. Arbeitspapier unter dem Titel „Perspektiven der deutsch-polnischen Beziehungen unter der PiS-Regierung am Vortag des 25-jährigen Jubiläums der deutsch-polnischen Partnerschaft“.

Die Kopernikus-Gruppe ermahnte sowohl die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo anlässlich der 14. deutsch-polnischen Regierungskonsultationen, die Gräben nicht noch weiter zu vertiefen, sondern pragmatisch über die Arbeit an gemeinsamen Projekten zu einem neuen Arbeitsverhältnis zu finden und im Interesse beider Nationen handlungsfähig zu bleiben. Als Richtlinie könnte nach Meinung der Expertengruppe das 90 Punkte umfassende „Programm der Zusammenarbeit“ der Kopernikus-Gruppe dienen, das sie zum 20. Jahrestag des Nachbarschaftsvertrags  im 2011 verabschiedet hatten.

Lesen Sie folgend den Test des Arbeitspapiers:

Arbeitspapier XXVII

Deutsch-polnische Partnerschaft – ein Schatz, den es zu bewahren und zu mehren gilt

Grundthesen:

Nach 25 Jahren guter Nachbarschaft und fortschreitender Integration sind die polnischen und die deutschen Interessen untrennbar miteinander verwoben.
Die neue PiS-Regierung stellt die Vorteile in der Bilanz dieser 25 Jahre jedoch in Frage. Daraus resultiert eine erhebliche Distanz zu Deutschland.
Die Dichte und Tiefe der Partnerschaft werden zwangsläufig leiden, wenn die beiden Regierungen in der neuen Phase nicht zu gemeinsamem Handeln fähig bleiben.

Ungeachtet der gesellschaftspolitischen Differenzen müssen Warschau und Berlin sich jetzt auf die verbliebenen gemeinsamen Interessen und Ziele konzentrieren.
2016 gilt noch genauso wie 1991: Der politische Wille zur Gemeinsamkeit ist das A und O guter Nachbarschaft.

Die Entwicklung der deutsch-polnischen Nachbarschaft in den zurückliegenden 25 Jahren ist ein Glücksfall der Geschichte. Sie ist ein Wert an und für sich, den es auch in Zeiten tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten zu bewahren gilt. Erstmals verfolgen Deutschland und Polen ihre nationale Interessenpolitik in einem gemeinsamen Rahmen, der durch die Europäische Union und die transatlantische Ausrichtung gesetzt ist. Sie lassen sich dabei von gemeinsamen Grundwerten leiten. Sie erkennen das Axiom der bilateralen Verständigung und der europäischen Integration als Voraussetzung für gesicherten Frieden in Europa an. Dies schloss und schließt Dissens und erhebliche Wahrnehmungsunterschiede in unterschiedlichen Politikfeldern (Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts-, Energie- und Klimapolitik u. a.) nicht aus. Das ist freilich auch in den Beziehungen zwischen befreundeten Staaten selbstverständlich. Davon zu unterscheiden ist ein Verständnis der Innen- und Außenpolitik, das grundsätzlich von Antagonismus und Polarisierung geprägt ist.

Diese Nachbarschaft profitiert von Erfahrungen mit der Integration in Westeuropa. Ohne den deutsch-französischen Ausgleich hätte die westeuropäische Integrationspolitik keinen Erfolg gehabt. In vergleichbarer Weise war die Westintegration Polens und der anderen ostmitteleuropäischen Demokratien von Anfang an von der Annäherung zwischen Polen und Deutschen abhängig und wäre ohne sie gescheitert. Die sogenannte „Rückkehr nach Europa“ konnte nur über und mit Deutschland als Hauptverbündetem erfolgen.

Vor sechs Jahrzehnten hatte Frankreich den Türöffner für die junge Bonner Republik gespielt. In vielen Politikbereichen bietet sich der Vergleich zwischen den deutsch-französischen und den deutsch-polnischen Beziehungen direkt an – obwohl zugleich richtig ist: Die Ausgangsbedingungen für den Aufbau von politischen und gesellschaftlichen Beziehungen im deutsch-polnischen Verhältnis unterscheiden sich stark von denen im deutsch-französischen Verhältnis. Allerdings sollte man die Asymmetrie im deutsch-polnischen Verhältnis, die oft wie ein Mantra beschworen wird, nur sehr zurückhaltend ins Feld führen. Denn auch die Beziehungen zwischen Paris und Bonn waren bis zum Ende der alten Bundesrepublik politisch und völkerrechtlich asymmetrisch (Viermächteverantwortung hier, Status minderer Souveränität da).

Dennoch zog die alte Bundesrepublik viel Nutzen aus der Partnerschaft. Die deutsch-polnische Partnerschaft kann von diesem Vergleich lernen und profitieren. Er sollte dazu dienen, der trilateralen deutsch-polnisch-französischen Zusammenarbeit in der EU einen neuen Impuls zu geben. Das Weimarer Dreieck feiert im August ebenfalls sein 25-jähriges Jubiläum. Ohne enge politische Zusammenarbeit zwischen Paris, Berlin und Warschau kann die Zukunft der EU nicht stabilisiert werden.

Seit dem Regierungswechsel zur PiS werden viele Vorteile in der Bilanz der 25-jährigen deutsch-polnischen Partnerschaft in Zweifel gezogen. Die Skepsis gegenüber dem Modell der liberalen Demokratie, dem westeuropäischen Kultur- und Zivilisationsmodell, dem 1990 eingeschlagenen ökonomischen Entwicklungspfad und gegenüber der politischen Integration mit den westeuropäischen Demokratien war in (national)konservativen Intellektuellenzirkeln bereits früher formuliert worden. Nun sind diese Zweifel zum Regierungsprogramm geworden. Die PiS nennt die Neuorientierung einen „guten Wandel“. Doch daraus resultiert eine erhebliche Distanz zu Deutschland. Bisweilen wird der westliche Nachbar in Polen sogar als Gefahr für die europäisch-christliche Zivilisation beschrieben und gilt nicht mehr als ein erfolgreiches Beispiel einer offenen Gesellschaft.

Andererseits nennt auch die neue polnische Regierung Deutschland ihren wichtigsten wirtschaftlichen Partner und ist sich bewusst, dass sie eine intensive Zusammenarbeit auf vielen Gebieten anstreben muss (Wirtschaft und Finanzen, Infrastruktur und Verkehr, Energie, Wissenschaft und Forschung, Verteidigungspolitik, Russland und die Ukraine u.a). Ohne Deutschland geht es nicht – und das ist gut so: für Polen und für Deutschland. Die polnischen und die deutschen Interessen sind untrennbar miteinander verwoben.

Deshalb wird das bisher erreichte Niveau der Dichte und Tiefe der deutsch-polnischen Beziehungen zwangsläufig leiden, wenn die beiden Regierungen  in der neuen Phase, die die PiS eingeläutet hat, nicht zu gemeinsamem Handeln fähig bleiben. Wir empfehlen, dass beide Regierungen – und beide Gesellschaften – den Jahrestag des Nachbarschaftsvertrags und die anstehenden Regierungskonsultationen nutzen, um ihre gemeinsamen Interessen im bilateralen wie im internationalen Bereich zu definieren. Sie können die Gemeinsame Erklärung der Regierungen vom 21. Juni 2011 und das mehr als 90 Punkte umfassende „Programm der Zusammenarbeit“ als roadmap nehmen, ihre Inhalte kritisch gegenbürsten und neue Felder der Zusammenarbeit ergänzen. Nicht alles, was im bilateralen Bereich unerledigt geblieben ist, können sie an die EU abgeben. Vielmehr kann das bilaterale Programm dazu dienen, den europäischen Gedanken zu fördern und zur institutionellen Infrastruktur der Union beizutragen.

Eine Grundbedingung ist 2016 ist ebenso aktuell wie 1991: Der politische Wille zur Gemeinsamkeit ist das A und O einer aussichtsreichen deutsch-polnischen Partnerschaft und guten Nachbarschaft.  Eine Gefahr liegt darin, dass Polen tatsächliche Interessenunterschiede in wichtigen Politikfeldern zum Anlass nimmt, in der Partnerschaft nicht mehr einen Wert an und für sich zu erkennen.
Deutsche und Polen brauchen schon aus Eigeninteresse eine EU, die Zukunft hat. Es ist eine Illusion, dass Polen oder Deutschland das Ziel der europäischen Integration aufgeben können, ohne Schaden zu nehmen. Das Ideal eines völlig souveränen Nationalstaats, dem manche politische Kräfte in Polen anhängen, ist im Zeitalter der Globalisierung realitätsfremd.

Es gibt gewiss Alternativen zu einem integrierten Europa, aber es gibt keine Alternative, die für Deutsche und Polen anstrebenswert wäre, solange sie sich an den grundlegenden gemeinsamen Werten orientieren. Zu diesen Werten gehören eine liberale Demokratie, der Wertepluralismus, die Bindung an Grundwerte und Grundrechte, Achtung und Respekt gegenüber den Minderheiten unterschiedlicher Art. Hilfreich wäre ein offener und ehrlicher Diskurs darüber, was Gesellschaften akzeptieren müssen und was sie ablehnen, weil es die Grundwerte der europäischen Zivilisation und Grundlagen des Zusammenlebens in Frage stellt. Die reichen Erfahrungen aus den mehr als 25 Jahren der intensiven deutsch-polnischen Zusammenarbeit, Partnerschaft und Freundschaften auf allen Ebenen und in zahlreichen Bereichen belegen: Es lohnt sich, auf einen freundschaftlichen Diskurs über die grundlegenden Gemeinsamkeiten und die Differenzen im Einzelnen zu setzen. Deutschland und Polen sind Schlüsselländer für den Erfolg oder das Scheitern der europäischen Verständigung und Integration.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1605 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".