Polen: Tusk will kostenlose künstliche Befruchtung einführen

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In-vitro-Befruchtung, Foto: Eugene Ermolovich (CRMI)

In-vitro-Befruchtung, Foto: Eugene Ermolovich (CRMI),

Nun kommt sie wohl doch, diese „Versuchung des Teufels“, wie die katholische Kirche Polens die künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) gern nennt. Ministerpräsident Donald Tusk erklärte dem Fernsehsender TVN24 gegenüber, falls das Parlament weiterhin einen entsprechenden Gesetzesentwurf blockiere, könne man die Kostenübernahme durch die Krankenversicherung auch auf dem Verordnungsweg realisieren. Darüber würde er sich mit dem Gesundheitsminister Bartosz Arlukowicz nun austauschen.

Eine gesetzliche Regelung zur In-Vitro-Befruchtung fehlt derzeit in Polen. Es gibt keinerlei gesetzliche Einschränkungen für die künstliche Befruchtung, es fehlt aber eine Klärung der Kostenübernahme. Bisher ist de facto alles erlaubt, muss aber privat bezahlt werden. Schon vor Jahren hatte Tusk versucht ein Gesetz durchzubringen, doch kam keiner der 2010 im Parlament zur Abstimmung stehenden fünf Gesetzesentwürfe durch. Selbst in Tusks Partei Bürgerplattform PO streitet man bis heute über den Embryonenschutz.

Nun sollte im November ein neuer Gesetzesentwurf eingebracht werden, doch damit hat Tusk Probleme in der eigenen Partei, weil die In-Vitro-Befruchtung eng mit dem Thema Abtreibung verbunden ist. In der vergangenen Woche erhielt ein Gesetzesentwurf der rechtsnationalen Fraktion „Solidarisches Polen“ von Zbigniew Ziobro, einem Ex-PiS-Mitglied, im polnischen Parlament Sejm, der in der ersten Lesung immerhin so viele Stimmen erhielt, dass er zu weiteren Beratungen zugelassen wurde. Demnach soll in Polen, das heute schon mit Irland und Malta zusammen das restriktivste Abtreibungsrecht in der EU hat, künftig Abtreibungen im Fall einer Vergewaltigung oder bei schweren Missbildungen verboten werden.

Weiteren Beratungen zu diesem Gesetzesentwurf hatten 40 Abgeordnete der Regierungspartei Bürgerplattform PO zugestimmt. Nur durch diese Zustimmung aus Reihen der PO war das Begehren erfolgreich. Den Abgeordneten, die sich auf die Abstimmungsfreiheit und Gewissensentscheid bei einem brisanten ethischen Thema beriefen, wurden parteiinterne Konsequenzen angedroht. Donald Tusk schwoll der Kamm und er erklärte, dass eine Verschärfung des Abtreibunsggesetzes mit ihm nicht machbar sei.

So pickte sich Donald Tusk mit dem Bereich künstliche Befruchtung ein Randthema der Abtreibung heraus und hängte das Ganze an einer kürzlich durch die südpolnische Stadt Czestochowa/Tschenstochau eingeführte Regelung auf, nach der die Gemeindekassen künftig künstliche Befruchtungen erstatten. Ungewollt kinderlose verheiratete Paare, bei denen die Frau zwischen 20 und 37 Jahre alt ist, bekommen die 730 Euro für die Behandlung erstattet. Die Stadtverwaltung schätzt den Bedarf auf rund 8.00 Ehepaare.

Die von Donald Tusk geplante Lösung geht noch weiter, verkündete der Premier beim Fernsehsender TVN24. Demnach könnten nicht nur Ehepaare, sondern auch unverheiratete Frauen im Alter von 18 bis zu 40 Jahren jeweils drei Versuche der In-Vitro-Befruchtung beantragen können und von der Krankenversicherung bezahlt bekommen. Binnen drei Jahren sollen nach diesem Programm 15.000 Paare der Erfüllung des Kinderwunsches näher kommen. Dabei würden Kosten von rund 60.000 Millionen Euro entstehen.

Gegen die Kostenübernahme und die künstliche Befruchtung generell sind die katholische Kirche und die nationalkonservative Opposition mit Jaroslaw Kaczynskis Partei Recht und Gerechtigkeit PiS und Zbigniew Ziobros Solidarisches Polen PS. Kaczynski kommentierte der polnische Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ gegenüber, er höre in solchen Fragen auf das Wort der Kirche. Er wisse, dass es bei 15.000 künstlichen Befruchtungen zu sehr, sehr vielen Abtreibungen kommen würde. Die katholische Bischofskonferenz hatte schon 2010 mehrfach an das Parlament appeliert, In-Vitro-Befruchtungen zu verbieten, denn das sei die „kleine Schwester der Eugenik“, hatte der Vorsitzende der Bischofskonferenz Erzbischof Jozef Michalik vekündet und verwies dabei auf die Selektion der in der Retorte erzeugten Embryonen. Er hatte damit gedroht, Abgeordnete, die diese Embryonentötung erlaubten, stünden außerhalb der Kirchengemeinschaft. Bedeutungsschwanger hatte er offen gelassen, ob er damit die Exkommunikation meinte.

Die Wahl dieses Themas durch Donald Tusk ist vielleicht nicht einmal ungeschickt für die sich in den Turbulenzen eines herbstlichen Sturms von Oppositionsaktionen befindliche polnische Regierung. Eine deutliche Mehrheit der Polen ist nämlich Kirchendonnerwetter hin, Oppositionsprotest her bei allen Umfragen einhellig für die Freigabe der In-Vitro-Befruchtung. Schätzungen gehen davon aus, dass 1,5% der in Polen geborenen Kinder in der Retorte gezeugt wurden. Rund zwei Millionen polnische Paare gelten als unfruchtbar.

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".