Es ist erst fünf Jahre her, dass der inzwischen bei der Flugzeugkatastrophe von Smolensk verstorbene nationalkonservative polnische Staatspräsident Lech Kaczynski in seiner damaligen Funktion als Stadtpräsident (Bürgermeister) von Warschau die Parada Rownosci, die Gleichheitsparade der Schwulen und Lesben verboten hatte. Dennoch marschierten damals an die 3.000 Menschen durch Warschau, unter ihnen die deutschen Grünen-Politiker Claudia Roth, Renate Künast und Volker Beck. Es kam gewalttätigen Übergriffen von rechtsextremen und national-katholischen Kreisen. Kaczynski kritisierte damals, dass die Polizei die Teilnehmer der von ihm verbotenen Demonstration beschützt habe und nicht die Gegendemonstranten.
Doch die Zeiten haben sich gewandelt, auch in Polen, das belegt besonders „Ars Homo Erotica„, die Ausstellung homoerotischer Kunst im Warschauer Nationalmuseum. Am 17. Juli wird nun erstmals in einem Land des östlichen Mitteleuropas die EuroPride, das wichtigste Festival von Schwulen und Lesben, stattfinden. Zu dem bunten Umzug am 17. Juli durch das Zentrum der Stadt werden zehntausende Teilnehmer aus ganz Europa erwartet.
Der EuroPride zählt zu den größten Veranstaltungen für Schwule, Lesben und Transsexuelle und wird jedes Jahr in einem anderen europäischen Land veranstaltet. Bei den traditionellen Paraden, mit denen an den Christopher Street Day erinnert wird, nahmen in den vergangenen Jahren jeweils mehrere Hunderttausend Menschen teil. Motto in Warschau: Freiheit, Gleichheit Toleranz.
In Polen setzen sich die Veranstalter kleinere Ziele. Doch wenn die Rechnung aufgeht, dass etwa zehnmal so viele Teilnehmer kommen wie bei den Gleichheitsparaden (parada rownosci) in den vergangenen Jahren, dann dürften mehr als 50.000 Teilnehmer und Besucher den Warschauer Königsweg bevölkern und den polnischen Schwulen und Lesben den Rücken stärken. Erwartet werden auch prominente ausländische Politiker wie der Grüne Volker Beck und Künstler wie Boy George.
Der Umzug am 17. Juli wird der Höhepunkt der Aktivitäten während des EuroPrides 2010 sein, der vom 9. bis 18. Juli dauert. Geplant sind in dieser Zeit verschiedene Ausstellungen, Konzerte und Konferenzen. Unter anderem findet ein von namhaften Firmen wie IBM unterstütztes Business-Forum statt. Zu den kulturellen Höhepunkten gehört ein Konzert des London Gay Men’s Chorus in der Kongresshalle des Warschauer Kulturpalastes. Nach der Parade wird ein großes Open-Air-Konzert im Syrenka-Stadion veranstaltet. Daneben sind Feste in mehreren Warschauer Klubs geplant. Treffpunkt der Community während des EuroPrides ist das Kulturzentrum „Nowy Wspania?y Swiat“ in der bekannten Einkaufsstraße Nowy ?wiat.
Bereits am 1. Juli startete in Warschau ein schwul-lesbisches Filmfestival, das ebenfalls bis zum 18. Juli dauert und internationale Produktionen zeigt. Schon seit Juni zeigt eine große Ausstellung im Warschauer Nationalmuseum unter dem Titel „Homo Ars Erotica“ homoerotische Kunst von der Antike bis zur Gegenwart. Sie ist dort noch bis zum September zu sehen.
Die Veranstaltungen sind ein Zeichen dafür, dass sich der Umgang mit Homosexuellen in Polen gerade die ersten Schritte auf dem Weg in Richtung Normalisierung macht. Längst hat sich nicht nur in Warschau, sondern auch in anderen polnischen Städten ein Netzwerk aus Kneipen, Klubs und Läden für die schwul-lesbische Community gebildet. Und trotz vereinzelter Proteste sieht eine Mehrheit dem Ereignis eher gelassen entgegen.
Weitere Informationen:
- Ausführliche Auskünfte über den EuroPride 2010 Informationen über Unterkünfte sowie zahlreiche Angebote für ein touristisches Rahmenprogramm und Programm in englischer Sprache
- Informationen über das Nationalmuseum in Warschau
- Adressen aus der schwul-lesbischen Community (nur auf Polnisch)