Solidarnosc wird 30: Die Helden sind zerstritten und müde

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30 Jahre SolidarnoscAm 14. August 1980 begann einer der folgenreichsten Streiks der Geschichte, als die Arbeiter der Danziger Leninwerft die Wiedereinstellung der am 10. April 2010 bei Flugzeugabsturz von Smolensk verstorbenen Kranführerin Anna Walentynowiscz und Lech Walesas forderten dazu die Errichtung eines Denkmals für die Toten der Streikwelle von 1970 und Lohnerhöhungen forderten. Dass die Forderungen so rasch akzeptiert wurden, war schon nicht alltäglich im Ostblock. Was dann passierte, sollte sich in der Rückschau als Anfang vom Ende des sozialistischen Blocks erweisen.

Anna Walentynowicz und Bogdan Borusewicz, der Chefredakteur einer Arbeiterzeitung setzten sich durch: Der Streik wurde aus Solidarität mit den Streikenden in anderen Betrieben an der ganzen Ostseeküste fortgeführt. Schnell wurde daraus ein Zusammenschluss von Arbeitern, Kirche – der vor kurzem verstorbene, wegen seiner späteren antisemitischen Äußerungen umstrittene Solidarnosc-Priester Henryk Jankowski hielt für die Streikenden auf dem Werftgelände eine Messe ab – und Intellektuellen unter der Führung von Tadeusz Mazowiecki, des späteren ersten nicht kommunistischen Ministerpräsidenten Nachkriegspolens. Am 18. August übergab das Streikkomitee Parteiführung und Werftleitung die berühmten, später zum UNESCO-Welterbe erklärten 21 Forderungen. Die Streikenden blieben auf dem Werftgelände, um nicht wie 1970 auf der Straße vom Regimeapparat zusammengeschossen zu werden. Vier Tage später begannen die Verhandlungen. Der Druck auf die Partei wuchs, denn Tag für Tag wurde die Zahl der mitstreikenden Betriebe größer.

Am 31. August war es soweit, das System war zermürbt und akzeptierte die Forderungen der Streikenden. Dann kam es zu der weltbekannten Unterschrifts-Szene mit Lech Walesa und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Mieczyslaw Jagielski. Als Lech Walesa, der kleine Elektriker mit dem großen Schnauzbart und dem noch größeren Kuli begann Weltgeschichte zu schreiben, schien die Welt für einen Moment atemlos zuzuschauen, so unglaublich war das, was am 31. August 1980 in Danzig geschah.

Längst ist die Solidarnosc nicht nur in Polen zum Mythos geworden, dort aber ganz besonders. Der polnische Sommer 1980 nämlich war die – wie sich später herausstellte – die letzte und zugleich erste einer langen Kette polnischen Volkserhebungen, die von Erfolg gekrönt war. Der finale polnische Aufstand führte Polen mitsamt seinen Nachbarn letztlich in die Freiheit, denn die Solidarnosc-Gründung war der Anfang vom Ende des Ostblocks.

Heute sind die Helden von damals heillos zerstritten, was wie ein Scahtten auf den Jubiläumsveranstaltungen liegt, und sie sind müde geworden. Das jedenfalls sagt der herzkranke Lech Walesa von sich. In den letzten 30 Jahren habe er so gut, wie er nur konnte, dem Vaterland gedient. Jetzt sei er müde und könne daher nicht an den vielen Feiern nicht teilnehmen verkündete er auf seinem Blog. Wegen seines Gesundheitszustandes wolle er nur in Gdansk dabei sein.

„Es begann in Danzig“ lautet das Motto der Feiern zum 30. Jahrestag der Gewerkschafts- und Freiheitsbewegung Solidarnosc. Die Hauptfeier fand am 30. August in Gdynia als Solidarnosc-Jubiläumskongress unter Teilnahme vieler damaliger Streikführer und Solidarnosc-Gründungsmitglieder sowie der Politprominenz, darunter Staatspräsident Komorowski, Ministerpräsident Tusk, PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek statt. Sie alle sind aus der damaligen Solidarnosc-Bewegung hervorgegangen. Die heutige Solidarnosc ist politisch durchweg in der Nähe der PiS beheimatet und so wurde Jaroslaw Kaczynski frenetischer Beifall gezollt. Ministerpräsident Tusk von der der Bürgerplattform PO hingegen, der sagte wirkliche Solidarität schließe Hass aus, wurde gnadenlos ausgepfiffen.

Henryka Krzywonos-Strycharska, ehemalige Straßenbahnführerin und Streikaktivistin des Sommers 1980, als sie mitten in Danzig auf dem Platz an der Oper ihre Straßenbahn der Linie 15 anhielt, war Ehrengast der Veranstaltung. Sie konnte das nicht mehr hören und so ergriff sie das Mikrofon auf der Bühne. Das Wort Solidarnosc verpflichtet, wetterte sie, man soll endlich aufhören, einander ohne jeglichen Respekt zu beschimpfen, man hab schließlich zusammen gekämpft und an Kaczynski gewandt wetterte sie, der PiS-Chef solle aufhören Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Die damals wie heute unerschrockene Henryka Krzywonos wurde vom derzeitigen Solidarnosc-Vorsitzenden Janusz Sniadek vom Mikrofon gezerrt und der Bühne verwiesen.

Video des Auftritts von Henryka Krzywonos-Strycharska:

Über Brigitte Jaeger-Dabek 1611 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".