Den Polen blieb das Frühstücksbrötchen im Hals stecken, als sie am 4. Mai die Gazeta Wyborcza aufschlugen. Was hatte Lech Walesa dabei nun wieder geritten fragten sie sich, nachdem er noch am 30. April auf dem Europa-Konvent der EVP noch ganz staaatstragende Sätze von sich gegeben hatte. Seine Bitte an die Politiker in Europa, die Danziger Werft als ein «Denkmal des Sieges» über den Kommunismus zu erhalten, rührte die Nation gar.
Doch der Solidarnosc-Held lobt eben nicht nur Konservative, sondern gegen Bezahlung auch nur 24 Stunden später am 1.Mai auch Populisten des Schlages eines Declan Ganley und seiner Libertas, wenn denn die Bezahlung stimmt. Auf einer Wahlkampfveranstaltung der Libertas in Rom hielt Walesa eine Eloge auf Libertas-Gründer Ganley und meinte, dessen Glaubwürdigkeit, sein Intellekt und Ideenreichtum seien herausragend und der Ire habe das Potenzial, Europa zum Besseren zu verändern. Die Menschen müssten wirder zurück zum Kern des Projekts Europa geführt werden, dazu müsse die Botschaft der Libertas überall verbreitet werden.
Diese Ganley-Hymne wurde quer durch die polnische Presse kritisiert, „Quo Vadis Walesa“ titelte die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza, und fragte, warum der Nobelpreisträger sich bei der Suche nach einer neuen politischen Heimat derart verirren konnte. Die Aufregung in seiner Heimat versteht Walesa selbst nicht, seine Loyalität gehöre in erster Linie den Kandidaten der PO. Er habe doch nur der europäischen Idee einen Gefallen damit getan, denn es sei schließlich besser, wenn ein paar Radikale im Europaparlament säßen und sich an die Spielregeln halten müssten, die ansonsten kaum zu kontrollieren sein.
Endgültig einen faden Nachgeschmack erhält die Angelegenheit dadurch, dass Walesa freimütig bestätigte, für diesen und auch weitere geplante Libertas-Auftritte Geld bekommen zu haben, über die Höhe der Zahlungen wollte er nichts sagen. Er verdiene in Polen rund 3000 Zloty im Monat, das reiche ihm nicht, umsonst habe er diese Sache sicher nicht gemacht, erklärte er. Gut informierte Kreise in Warschau sprechen von einem Honorar von 100 000 Euro.
Exkurs: Wofür steht Libertas und wer steht hinter der Libertas? Wer steht hinter Libertas, und wofür steht die Partei? Alles begann beim irischen Referendum zum Vertrag von Lissabon. Mit der Erfolgsformal „Bis jetzt war Europa gut, aber jetzt ist es genug“ hatte der 39jährige Multimillionär und Selfmademan Declan Ganley im Juni 2008 sich an die Spitze einer irische Bürgerinitiative gesetzt und das Unternehmen „nein zum Vertrag von Lissabon“ als Hauptfinanzierer so richtig in Schwung gebracht. Immerhin gestand die Libertas zu, Irland sei einer der Hauptprofiteure der EU gewesen, aber der Einfluss solcher Länder wie Irland würde drastisch schrumpfen, da nicht mehr jedes Land ein Kommissions-Mitglied stellen würde. Der Erfolg in Irland, wo man den Vertrag mit 53,4 % Nein-Stimmen abschmetterte brachte Ganley trotz der Beschuldigungen wegen Unregelmäßigkeiten in der Finanzierung der irischen Kampagne auf die Idee, Libertas in eine europäische Partei umzuwandeln. Um als europaweite Partei anerkannt zu werden, brauchte die Libertas die Unterstützung von mindestens sieben Parlamentariern aus den europäischen, einem nationalen oder regionalen Parlament. Im Februar 2009 legte die Libertas einen entsprechenden Gründungsantrag vor und wurde zugelassen. Mit dieser Zulassung war auch die Zusage der Zuschüsse für den Wahlkmapf in Höhe von 200 000 Euro verbunden. Inzwischen bestritten zwei der genannten Parlamentarier, der Este Igor Grazin und der Bulgare Hristov Kuminev ihre Unterschriften. Die Libertas ist damit die erste europaweite Partei, die nicht aus den Strukturen einer nationalen Partei hervorging. Bisher kann kein Programm der Libertas erkannt werden, nur das, wogegen die Partei sich ausspricht. Ganleys Parteigänger bekräftigen immer wieder EU-Berfürworter zu sein, aber gegen die Eurokratie in Brüssel zu sein und gegen eine weitere Integration, daher lehne man den Vertrag von Lissabon ab. Anders als mit einem konkreten Programm, kann man mit diesem Statement viele Politiker und Wähler hinter sich vereinen, denen dieses Europa zu viel wird und die um die souveränen Rechte ihres Staates fürchten.
(c) Brigitte Jäger-Dabek