Aufgeregt bis verbittert zeigen sich die Reaktionen polnischer Medien und Politiker auf die populistischen Äußerungen des britischen Premierministers David Cameron. Cameron hatte in einem BBC-Interview am Beispiel von Polen erklärt, wie seine Regierung mit Migranten und Arbeitsmigranten in Großbritannien künftig umgehen möchte.
Vor allem um die Sozialleistungen ging es ihm. Er glaube nicht, dass Großbritannien Kindergeld für Familien zuhause in Polen zahlen solle, lautete sein Statement. Deshalb will Cameron nun an diesen Regelungen einhaken und sie so verändern, dass es Kindergeld nur für in Großbritannien lebende Kinder gibt. Das aber EU-Recht befürwortet die Regelung, dass auch für nicht im Land lebende Kinder gezahlt wird, das der Steuerzahler auch alle Abgaben im Land zahlt, in dem er arbeitet, in diesem Fall Großbritannien. Das müsste nun entweder im Wege von Absprachen oder durch eine Änderung der EU-Verträge neu geregelt werden. Diese neue Kampagne Camerons ist Teil seiner Kampagne konservative EU-kritische Wähler hinter sich zu sammeln.
Schon im November hatte der konservative Cameron vor einem Sturm von Bulgaren und Rumänen auf die britischen Sozialsysteme gewarnt und angekündigt, dass Zuwanderer in seinem Land in den ersten Monaten keine Sozialleistungen mehr beantragen könnten. Generall kritisiert Cameron gern die europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit und kämpft darum, dass das Recht der freien Wahl des Wohn- und Arbeitsortes eingeschränkt wird um Migrationswellen zu verhindern. Durchsetzen möchte er das noch vor 2017, denn dann soll in Großbritannien eine Volksabstimmung zur weiteren Mitgliedschaft des Landes in der EU durchgeführt werden.
In Polen schlugen diese Äußerungen hohe Wellen, man fühlte sich diskriminiert und wies den unterschwelligen Vorwurf des Sozialhilfetourismus zurück und belegte das mit britischen Statistiken.
Premier Tusk erklärte am vergangenen Dienstag in einer Pressekonferenz, diese Versuche Camerons bestehende EU-Gesetze zur Arbeitnehmerfreizügigkeit zu ändern, werde er blockieren. Niemand habe das Recht, Polen so darzustellen, als ob sie generell Missbracuh betreiben und sich ungerechtfertigte Vorteile verschafften.
Auch Außenminister Radoslaw Sikorski, der als anglophil gilt, äußerte sich in einem Interview mit der BBC kritisch. Natürlich habe Großbritannien das Rechts seine Sozialleistungen einzuschränken, dabei müsse aber die Gleichbehandlung aller Steuerzahler gelten. Was den unterschwelligen Vorwurf vom polnischen Sozialtourismus nach Großbritannien beträfe betonte Sikorski, die im Vereinigten Königreich lebenden Polen würden doppelt so viel in die britischen Sozialsysteme einzahlen als herausziehen.
Der polnische Wirtschaftsminister und Vorsitzender des kleinen Koalitionspartners PSL Janusz Piechocinski rief die nationalkonservative Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“ PiS von Jaroslaw Kaczynski auf, umgehend die Fraktion der Konservativen und Reformisten im Europaparlament zu verlassen, der auch die britischen Konservativen angehören.
Weiter geht Jan Bury, der Fraktionsvorsitzende der PSL. Er rief zum Boykott der britischen Supermarktkette Tesco auf. Tesco verdient mit speziellen polnischen Produkten gut an der polnischen Kundschaft in Großbritannien. Tesco trifft das hart, kämpft doch die Kette in Großbritannien mit Umsatzrückgängen. Vor allem ein Boykott in Polen könnte verheerende Folgen haben. Dort beschäftigt Tesco rund 30.000 Mitarbeiter und hat einen Marktanteil von 16,3% und ist die führende Supermarktkette im Land, bei der rund fünf Millionen Polen wöchenlich kaufen (Zahlen: Euromonitor International).
Polen in Großbritannien:Polityka Insight Das polnische Institut Polytika Think Tank Insight ermittelte diese Kennzahlen:
University College London Roman Imielski von der Gazeta Wyborcza zitiert Untersuchungen von Wissenschaftlern des University College London:
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