Das Thema Amber Gold und die Verstrickung des Ministerpräsidentensohns Michal Tusk halten Polen in Atem, denn alle Redaktionen recherchieren fast ununterbrochen und drehen jedes Blatt um. Galt Premierminister Donald Tusk bisher als der Saubermann was Vetternwirtschaft betrifft, scheint sich dieses Image plötzlich in nichts aufzulösen und Tusk steht auf einmal da wie das Schmuddelkind der Nation, dem ein Gschmäckle anhaftet. Eingebrockt hat er sich das zum Teil selbst, zum Teil war es sein Sohn Michal Tusk.
Amber Gold, die Schattenbank
Alles begann mit der Pleite der Billigfluglinie OLT und deren Geldgeber, dem Finanzunternehmen Amber Gold. Das Polen Magazin berichtete darüber. Inzwischen ist die Gesellschaft insolvent und wird aufgelöst, wie am 13. August auf der Webseite mitgeteilt wurde. Zwar wird den besorgten Kunden – meist Kleinanleger – versichert, dass alle Verträge gekündigt seien, das Kapital würde aber voll verzinst ausgezahlt worden. Woher diese fetten Renditen von 14,1% kommen sollen, wird nicht mitgeteilt. Inzwischen geht man davon aus, dass es sich tatsächlich um an die 50.000 Kunden handeln dürfte und eine Investitionssumme von um die %0 Millionen Zloty.
Parabank oder Schattenbank nennt man das Geschäftsmodell der Amber Gold. Als solche unterliegt sie nicht den strengen Regeln der Bankenaufsicht unterliegen. Laut Gazeta Wyborcza schöpfen Unternehmen die Amber Gold einen Markt von derzeit 3 bis 4 Millionen Polen ab, also immerhin etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Das Geschäftsvolumen dürfte laut Gazeta Wybircza um die zwei Milliarden Zloty liegen. Banken dürften diesen „Anlegern“ nach den rechtlichen Verschärfungen der Bedingungen für Kreditgewährungen keine Kredite geben. Da kommen Firmen wie Amber Gold ins Spiel, die großzügig Kredite gewähren und sich selbst frisches Geld durch sagenhafte Renditeversprechen besorgen. Einlagensicherungen irgendwelcher Art gibt es bei diesem Geschäftsmodell nicht.
Tatsächlich ist das Geschäft von Amber Gold also wie vermutet ein Schneeball- oder Pyramidensystem, das so lange funktioniert, wie genug frisches Geld hereinkommt. Stockt der Geldzufluss, stürzt das Kartenhaus ein. Zlota piramida – die goldene Pyramide nennt nicht nur das Internet-Wirtschaftsmagazin bisnes.pl dieses System, sondern das bestätigte auch Andrzej Jakubiak, Chef der polnischen Finanzaufsicht der Tageszeitung „Rzeczpospolita“.
Marcin Plichta und die Justiz
Mit Amber-Gold-Chef Marcin Plichta haben sich die polnischen Medien ebenfalls ausführlich befasst, die Recherchen brachten Erstaunliches zutage. Bisher wusste man nur von einer zur Bewährung ausgesetzten Vorstrafe gegen Plichta wegen Veruntreuung in Sachen Multikasa. Inzwischen weiß man, dass Plichta alias Stefanski (vor der Eheschließung) in den letzten sieben Jahren insgesamt sechs Mal zu Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zwei Jahren verurteilt. Erstaunlich daran sind zwei Punkte. Erstens: Wie kann es sein, dass alle diese Strafen aus dem Bereich Veruntreuung, Krediterschleichung und Urkundenfälschung weiter auf Bewährung liefen, schon die erste Wiederholungstat hätte ja zur Inhaftierung führen müssen. Außerdem ist nicht zu verstehen, dass Plichta nie zur Rückzahlung und Schadenswiedergutmachung verurteilt wurde. Wie die Tageszeitung Gazeta Wyborcza berichtet, sei diese Milde so außergewöhnlich, dass das Justizministerium Untersuchungen der Danziger Gerichtsurteile begann. Dazu habe Generalstaatsanwalt Andrzej Seremet die Berufungsstaatsanwaltschaft Danzig aufgefordert, die Urteile zu überprüfen. Zweiter merkwürdiger Punkt ist die Frage, warum Plichta ungehindert neue Firmen wie Amber Gold auf seinen eigenen Namen eintragen lassen konnte.
Hat die staatliche Aufsicht versagt?
Die Zweifel an der Wirksamkeit der polnischen Finanzaufsicht sind groß in der polnischen Öffentlichkeit. Man fragt sich, warum das Geschäftsmodell von Amber Gold nicht zum Einschreiten des Staates geführt hat, zudem es offensichtlich war, dass es sich um ein Schneeballsystem handelte. Bei der Finanzaufsicht KNF Komisja Nadzoru Finansowego wird seit 2009 gewarnt, dass Amber Gold zudem Kreditgeschäfte betreibe und im Edelmetallgeschäft tätig zu sein, ohne die dafür nötige Banklizenz zu besitzen. Genauso lange ist Amber Gold auf der „Schwarzen Liste der Parabanken“ der KNF, berichtet der Bild-Clon „Fakt“. Insegesamt sechzehn solche Schattenbanken stehen auf dieser Liste.
Die Verstrickung von Michal Tusk
Besonders im Leben des Ministerpräsidentensohns Michal Tusk wurde recherchiert. „Fakt“ hat da auch noch andere Unkorrektheiten gefunden, an denen immer Tusks Sohn und Tochter beteiligt waren, die Privilegien gern in Anspruch nahmen, wie die ausgiebige Nutzung von Autos der staatlichen Fahrbereitschaft. Auch die liberale Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ hat ihren ehemalige Redakteur einmal genauer unter die Lupe genommen. Inzwischen ist die „Gazeta Wyborcza“ sogar deutlich auf Abstand zu ihrem ehemaligen Redakteur gerückt und nennt die Affäre mittlerweile „MichalTuskGate“. Sie veröffentlicht eine bitterböse Zusammenfassung der Ereignisse. Besonders, dass ausgerechnet das Politmagazin „Wprost“ herausgefunden hat, Tusk sein zeitweise gleichzeitig noch bei der „Gazeta Wyborcza“ beschäftigt gewesen, aber auch schon Mitarbeiter des Danziger Flughafens gewesen, der überwiegend in staatlicher Hand ist – ein dreifacher Interessenkonflikt also.
Der Premierssohn habe im Gespräch mit der „Gazeta Wyborcza“ versichert, er habe immer journalistische Standards eingehalten bei seiner Arbeit als Redakteur und gab dort die Zusammenarbeit mit der OLT als PR-Berater zu. Was er für OLT getan habe, fragt die Gazeta Wyborcza“ in dem zusammenfassenden Artikel rhetorisch? Er habe geholfen durch ein „Interview“ mit dem OLT-Chef Jaroslaw Frankowski. Wie Jan Grzechowiak, Chef der Danziger Redaktion der „Gazeta Wyborcza“ erklärte, habe Michal Tusk die „Gazeta Wyborcza“ zudem betrogen, war doch sein Interview mit Jaroslaw Frankowski, dem OLT-Chef ein Fake – Tusk hat seine eigenen Fragen gleich selbst beantwortet.
Ministerpräsident Donald Tusk erklärte zu den Vorgängen, seine Kinder hätten immer auf eigene Verantwortung gehandelt und ihn nie um seine Hilfe gebeten. Auch sein Sohn sei diesen Weg allein gegangen. Er habe seinen schweren Fehler zugegeben , dafür zahle er jetzt einen hohen Preis. Für die Regierung aber hätten die Vorgänge keine Konsequenzen erklärte Tusk der Presse. Er könnte sich irren.
Lesen Sie hier im ersten Artikel, wie alles begann mit der Amber Gold Affäre.