Bilanz: Polen 10 Jahre in der EU

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10 Jahre EU-Mitglied Polen, Foto: Gnesener 1900, CC-BY-SA-3.0

Polens Politiker und Medien ziehen Bilanz, denn am 1. Mai 2014 feierte unser Nachbarland die zehenjährige EU-Mitgliedschaft. Was vor zehn Jahren mit einer Mischung aus Freude, verhaltener Skepsis und einem etwas mulmigen Gefühl begann, mauserte sich zu einer ausgesprochenen Erfolgsstory.

Man hatte damals Angst, in der EU am Katzentisch die Brosamen der EU-Granden knabbern zu müssen. Zehn Jahre später ist Polen das Land, das Dynamik in die EU bringt. Es passiert gerade das, was auch viele EU-Befürworter in westlichen Europa gegen den Bürokratismus, die Reformunfähigkeit der Gemeinschaft und so manche satte Selbstzufriedenheit erhofft hatten: Die „Neuen“ haben sich emanzipiert und treten selbstbewusst auf. Das hatte man vor allem von Polen, dem bei weiten größten der damaligen Beitrittsländer erhofft.

Mit seinem Wirtschaftwachstum selbst in Krisenzeiten ist Polen auch längst ein wichtiger und stabiler Wirtschaftsfaktor. Und nun ist es so weit: Polen wird auch zum politischen Schwergewicht und Polens Ministerpräsident Tusk treibt im Verein mit Außenminister Radek Sikorski sogar Bundeskanzlerin Merkel – auf freundschaftliche Weise – vor sich her in Sachen Ukraine. Polens Chefdiplomaten entwickeln immer wieder neue Ideen und denken laut über neue gemeinschaftliche Energiekonzepte für die EU nach.

Durch dieses vergleichsweise dynamische Vorgehen sehen die EU-Altmitglieder selbst zuweilen alt aus. Auch entlarvt die Ukraine-Krise die gelegentlich etwas beschämende Haltung einiger Altmitglieder wie Deutschland, bei denen partikulare Wirtschaftsinteressen vor gemeinsamem Handeln geht, wo man nicht einmal bereit ist, Einbußen wenn schon nicht der Solidarität mit einem europäischen Land halber hinzunehmen, so dann wenigstens der gemeinsamen Sicherheit wegen. Das bringt zumindest verkrustete Strukturen ins Bröseln und bricht Denkblockaden auf.

Gern vergessen wird vor allem bei populistischen und Wahlkampfparolen, wie viel mehr Sicherheit die Westintegration nicht nur Polens, sondern weiterer der einst hinter dem Eisernen Vorhang liegenden Staaten nicht nur für diese Länder selbst, sondern für die ganze EU bedeuten. Man sieht es gerade an der Ukraine. Ein zerrissenes Land, eine vorsichtig formuliert unglückliche EU-Politik diesem Land gegenüber, ein Land, das viele Jahre vom Rest Europas bestenfalls über den Namen Klitschko wahrgenommen wurde. Was für ein Kontrast zu Polen oder den baltischen Staaten. Waren die Nachwendevoraussetzungen annähernd gleich

Doch nicht nur in Polens Außenpolitik, sondern auch im Land selbst ist es nicht zu übersehen: Die EU-Mitgliedschaft ist eine Erfolgsgeschichte. Die Zahlen sprechen für sich in der Bilanz die Ministerpräsident Tusk verkündete. Die Polen könnten vor allem auch auf ihre eigene Effizienz anstoßen. Dem Land sei es gelungen trotz mancher innenpolitischer Turbulenzen den EU-Beitritt als einen der wichtigsten Schritte in der Geschichte des Landes zu meistern. Das dies ein Erfolg ist, sehen auch Tusks Landsleute so: 89% sind zufrieden damit EU-Mitglied zu sein, erklärte Tusk Journalisten gegenüber, das sei die höchste Zustimmungsrate der EU.

Tatsächlich flossen in den vergangenen zehn Jahren netto 61 Milliarden Euro netto nach Polen, das bedeutet 1.600 Euro pro Einwohner Polens. Das seien Zahlen, die nur mit dem Marshall-Plan zu vergleichen sein, der nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend dabei half, das Westliche Europa wirtschaftlich wieder auf die Beine zu stellen, kommentiert Witold Orlowski von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC in der Rzeczpospolita.. Polen habe insgesamt 92,4 Milliarden EU-Zuwendungen erhalten, das mache umgerechnet ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts aus. Dazu habe Polen die auch nicht geringe Quote von 31,4 Milliarden an die EU gezahlt, fügt der Wirtschaftsfachmann an. Polen ist damit größtes Nehmerland der EU.

Ein weiterer Artikel in der Rzeczpospolita sieht weitere positive Aspekte der zehnjährigen EU-Mitgliedschaft. Wie Manna vom Himmel regnet es Mittel aus den europäischen Strukturfonds zur Entwicklung des ländlichen Raums und der Infrastruktur auf Polens Woiwodschaften, die einen zivilisatorischen Sprung ermöglichten, liest man in dem Blatt.

Zwar habe es schmerzhafte Reformen in Polen gegeben, dabei sei bei weitem nicht alles perfekt gelungen. Die anfänglichen Befürchtungen aber relisierten sich nicht. Polens Landwirtschaft ging nicht unter, ganz im Gegenteil, sie entwickelte sich zum Exportschlager. Dennoch bleiben die ländlichen Regionen – besonders in dünn besiedelten, strukturschwachen Regionen eine Baustelle. Eine weitere in schwärzesten Farben an den polnischen Himmel gemalten Bedrohungen trat nicht ein: Der Ausverkauf polnischen Bodens fand nicht statt.

Der Euro rollt in Polen. Niemand hat so schnell gelernt, Projekte aufzustellen und EU-konform zu begründen, wie Polen, das gilt mittlerweile auch für die Provinz. Dort sieht man die Veränderungen, die in der Infrastruktur, die viele dieser Orte attraktiver machten und große Sprünge zum Beispiel in der Entwicklung touristischer Infrastruktur zeigen. Dazu kam der Mut, auch einmal groß zu denken.

Nun ist Polen bei aller positiven Entwicklung nicht über Nacht zum Land der Glückseligen geworden, in dem es gebratene Tauben regnet. Es gibt Disparitäten in der Entwicklung und es gibt das alles dominierende Warschau. Und noch immer ist die Lage in den ehemaligen PGR-Dörfern in strukturschwachen Gebieten vor allem dort bisweilen dramatisch, wo diese gehäuft anzutreffen sind, wie in der Abgeschiedenheit Masurens. Dort gab es überdurchschnittlich viele Staatsgüter (PGR), da alle einst deutschen Güter verstaatlicht wurden. Und es gibt historisch bedingte Disparitäten, die ihren Ursprung in der ungleichen Entwicklung der Landesteile in der Teilungszeit Polen zwischen 1772 und 1918, als ich die preußisch und habsburgischen Territorien Polens besser entwickelten, als dir östlichen, von Russland annektierten Landesteile. Schon dies war der Ursprung von Polen A und Polen B.

Doch über alles gesehen: Ja, Polens EU-Mitgliedschaft ist ein voller Erfolg.

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Über Brigitte Jaeger-Dabek 1608 Artikel
Brigitte Jäger-Dabek kennt Polen seit vielen Jahren und ist als freie Journalistin Polen-Expertin. Sie ist Autorin des preisgekrönten Buchs "Länderporträt Polen".