Es gab schon lebendigere und härtere Wahlkämpfe in Polen, als es der Wahlkampf um das Präsidentenamt 2015 war, der in diesen Stunden endet. Ohnehin galt er mehr als ein Warmlaufen für die große Wahlschlacht der Parlamentswahl im Herbst dieses Jahres. Einige kleinere Parteien haben so Politiker und Politikerrinnen an den Start der Präsidentschaftswahl gebracht, die eher aus der zweiten Reihe kommen, eher am Rand standen oder gar gänzlich unbekannt waren. Zu unangreifbar erschien die Position des amtierenden Präsidenten Bronislaw Komorowski, als das man angesichts der nahen Parlamentswahl Namen aus der ersten Politiker-Riege jetzt schon hätte verbrennen wollen.
So ist es dann auch kein Wunder, dass sich zumindest für diese Wahl je näher der Wahltag kam, eine umso klarere Bewegung Richtung Zweiparteien-Wahlkampf abzeichnete. Zu groß ist der Abstand zwischen dem aus der Regierungspartei Bürgerplattform PO stammendem Komorowski und seinem Rivalen Andrzej Duda von der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit PiS auf der einen und dem Rest der insgesamt elf Kandidaten auf der anderen Seite.
Den größten Absturz in diesem Wahlkampf erlebte der linksliberale Janusz Palikot, einstiges Enfant Terrible und belebendes Element der Warschauer Politszene und Gründer der Partei Twoj Ruch (Deine Bewegung). Hatte er bei der letzten Parlamentswahl elf Prozent der Stimmen erreicht, kommt der Präsidentschaftskandidat auf gerade mal ein Prozent. Auch die SLD-Kandidatin Magdalena Ogórek findet keinen Anklang in Polen und erreicht nur vier Prozent. Von Barbie bis Frauenfeindin, von Politnaivling bis Blondie außer Kontrolle gingen die bissigen Pressekommentare. Die Frauenbewegung in der Partei entzog ihr genauso die Unterstützung wie auch Ex-Präsident Kwasniewski, der in Parteichef Leszek Miller den Schuldigen für das Experiment Ogorek fand. Ausgerechnet die linke Kandidatin vertritt einerseits wirtschaftsliberale Positionen und andererseits Steuersenkungen.
So war der Wahlkampf im Grunde langweilig und lebte mehr von den Showeinlagen der aussichtslosen Konkurrenten als von inhaltlich geprägten Auseinandersetzungen. Nur der unabhängige Kandidat Pawel Kukiz, ein Rocksänger, brachte etwas Leben in die Bude und das gelangweilte Wahlvolk dankte es ihm mit Stimmenwerten von inzwischen um die 11 Prozent, die ihn zur klaren Nummer 3 unter den Kandidaten machte. Er komme von außerhalb des Systems, wolle ein Mehrheitswahlrecht und ein wirkliches Ende der „Kommune“ sowie der alten Seilschaften umriss er sein Programm. Das aber sind zwar mehrheitsfähige Parolen, mit der in Polen schon mehrere Parteien die Wahlen gewonnen haben. So zeigt sich Kukiz zwar mit mehrheitsfähigen Ideen, die aber allesamt weder neu noch dem Image des Rockrebellen irgendwelche Ecken und Kanten verleihen könnten, die auf Wiederstand hätten stoßen können. Die jüngsten Umfragen wie vom Institut IBRiS zeigen signifikant ansteigende Werte, die Kukiz von 6 auf 11% brachten. Nur der ultrarechte EU-Parlamentarier Kowin-Mikke muss als eine Art „Dark Horse“ gelten. Seine Forderung nach sofortiger Einführung der Todesstrafe und ähnliche Parolen lassen ihn den äußersten rechten Rand markieren. Seine Umfragewerte sind schwer fassbar und einzusortieren. Er könnte bei drei Prozent landen, genauso gut aber auch bei 15 Prozent.
Das Wahlvolk schaute gelangweilt auf die beiden Spitzenkandidaten Bronislaw Komorowski und dem PiS-Mann Andrzej Duda. Die Themen sind seit Jahren immer die gleichen, die Parolen jedoch moderater, vor allem weil der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski sich deutlich zurückhält.
Duda, der Neue als Präsidentschaftskandidat, gab sich als der Mann des Wechsels mit der entsprechenden dies untermalenden Kritik an Komorowski, wie an seiner Unterschrift unter das Gesetz zur Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre und dessen – derzeit nur vage – Pläne einer Euroeinführung. Dazu reibt er sich an der In-Vitro-Fertilisation, womit er sich die Unterstützung der Kirche sicherte. Insgesamt vertrat er zwar ähnliche Positionen wie Kaczynski, brachte aber seine Themen eloquent unters Wahlvolk ohne die übliche Kaczynski-Polarisierung. Er begab sich bei seinen Auftritten selten auf eine rein sachliche Ebene mit angreifbaren harten Fakten. Er lief auf der Schiene des Kleine-Leute-Verstehers und verstand es auch so das spezifische „Wirgefühl“ zu schaffen, dieses „Der versteht mich!“, von dem die Partei der Ultra-Wertkonservativen lebt.
Komorowski wirkte hingegen zuweilen blutleer bis pomadig. Der Wahltermin war extra um die beiden langen Wochenende mit erstem Mai und Verfassungstag am ersten Maiwochenende und heute den Feiern zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs gelegt worden. Er sollte dem amtierenden Präsidenten noch einmal mediale Omnipräsenz vermitteln. Sein Slogan war „Wählt Einheit und Sicherheit“. Damit positionierte sich Komorowski als ein staatstragender Präsident, auf den man sich verlassen kann, und der für Sicherheit im Land sorgt und die gesellschaftliche Spaltung überwinden möchte.
Einen Schluss kann man aus diesem Wahlkampf, der in wenigen Stunden beendet ist, schon ziehen. Es wird schwieriger werden für die Regierungspartei PO von Ewa Kopacz im Herbst. Die Werte der PO bei der Frage, welche Partei man bei der Parlamentswahl bevorzugen würde, wenn am Sonntag Wahltag wäre, liegen zwar einigermaßen stabil bei um die 34%, die PiS aber ist mit 30% nur wenig dahinter. Es könnte aber sein, dass der PO erstmals die möglichen Koalitionspartner ausgehen. Ein kürzlich vom Meinungsforschungsinstitut TNS für den Fernsehsender TVN durchgeführten Umfrage, bei der es um die Parlamentswahl ging, sah den bisherigen Koalitionspartner PSL mit nur 4% relativ deutlich unter der Fünfprozenthürde. Gleiches gilt für das Linksbündnis SLD, das ebenfalls nur vier Prozent erreicht. Janusz Palikot gar stürzt nach nicht enden wollenden innerparteilichen Querelen mit einem Prozent in die Bedeutungslosigkeit. Zwar ist die PiS ein bekannt schwieriger Koalitionspartner – für wen auch immer – und sie hat auch nur kleinere Parteien zur Wahl, aber dafür gleich eine ganze Reihe davon, die sie in bewährter Manier gegeneinander ausspielen kann.
Ob die Präsidentenwahl aber schon am Sonntag entschieden wird, bleibt noch unklar. Klar ist nur, dass sie Umfragewerte von Komorowski derzeit im Mittel bei 42-45% der Stimmen liegen und das würde den zweiten Wahlgang am 24. Mai bedeuten. Gegenkandidat Duda käme auf 29-30%.
Die verfassungsmäßigen Befugnisse des polnischen Präsidenten
Polens Bürger wählen ihren Präsidenten für eine fünfjährige Amtszeit in e allgemeinen, direkten und geheimen Wahlen. Der Präsident kann nur einmal wiedergewählt werden. Präsidentschaftskandidaten müssen die polnischen Bürgersschaft besitzen, das passive Wahlrecht haben, am Wahltag mindestens 35 Jahre alt sein, und eine Liste mit mindestens 100.000 Unterschriften von Personen beibringen, die qualifizierte Unterstützter sind. Funktionen des Präsidenten:
Wird der Präsident einer Verletzung der Verfassung, des polnischen Rechts oder der Begehung einer Straftat beschuldigt, kann er vor dem Staatsgerichtshof angeklagt werden, wenn zwei Drittel der Abgeordneten beider Parlamentskammern entsprechend abstimmen, nachdem zuvor ein entsprechender Antrag von mindestens 140 Abgeordneten eingebracht worden ist. |
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