Marek Edelmann war nicht nur der letzte noch lebende Anführer des Warschauer Gehttoaufstandes von 1943, er war auch eine moralische Institution in Polen. Daher widmet ihm die Gazeta Wyborcza breiten Raum in ihrer Freitagsausgebe.
Edelmann war einer der Anführer des Ghetto-Aufstandes, bei dem schlecht bewaffnete jüdische Kämpfer am 19. April 1943 am Vorabend des Pessach-Festes den Aufstand gegen die deutschen Besatzer wagten. Nachdem die Liquidierung des Ghettos und damit die Deportationen in die Vernichtungslager eingesetzt hatten, gab es für die jüdischen Widerstandsorganisationen, die sich in der ZOB (?ydowska Organizacja Bojowa) zusammengeschlossen hatten, keine Wahl mehr sah, als den Aufstand zu riskieren. Zur ZOB kam Edelmann durch seine Zugehörigkeit zum „Band“, der jüdischen sozialistischen Partei „Allgemejner Jidischer Arbeter-Bund in Russland, Lite un Poiln“
Die meisten Kämpfer hatten ihre Angehörigen und Freunde bereits verloren, nicht nur durch die Deportationen, sondern auch schon vorher durch die von den deutschen Besatzern geschaffenen unmenschlichen Verhältnisse. Inzwischen wurden täglich bis zu 12.000 Menschen deportiert, nur noch 30.000 jüdische Menschen lebten im Ghetto, vor Beginn der Deportationen waren es 400.000 gewesen. Menschen wie Marek Edelmann wollten in einem Fanal der Welt zeigen, dass Juden kämpfen können und sich nicht widerstandslos abschlachten lassen.
Das Ghettogebiet war von den Kampforganisationen in vier Kampfzonen eingeteilt worden, Marek Edelmann war der Führer des Gebiets Bürstenfabrik. Die anderen Zonen waren Muranowskiplatz, Fabrikgelände und Zentralghetto. Marek Edelmann hatte den Befehl über fünf Kampfgruppen.
SS-General Jürgen Stroop schlug den Aufstand nach Wochen harten Kampfes nieder, am 16. mai 1943 war das ungleiche Ringen beendet, das Ghetto wurde vollständig zerstört, die große Synagoge gesprengt. Marek Edelmann war die Flucht durch das Kanalsystem der polnischen Hauptstadt gelungen. Er beteiliget sich ein Jahr später auch am Warschauer Aufstand.
Marek Edelmann überlebte das Inferno und blieb nach dem Kriegsende in Polen, studierte Medizin und wurde ein bekannter Kardiologe in Lodz. Im Jahr 1976 engagierte sich Edelmann im Komitee zur Verteidigung der Arbeiter, in den 80er Jahren war er Aktivist der Gewerkschaft Solidarno?? und wurde deshalb für kurze Zeit inhaftiert. Im Wendejahr1989 saß er für die Solidarno?? am Runden Tisch. Zwischen 1989 bis 1993 war er Abgeordneter im Sejm.
Marek Edelmann, der Träger höchster polnischer Auszeichnungen war, galt als ein Mensch, der sich einmischte, der nie aufhörte, dabei Zivilcourage zu zeigen und persönliches Risiko nicht scheute. Seine Maxime war: „Im Grundsatz ist das Wichtigste das Leben. Aber wenn man lebt, ist es die Freiheit. Man ist bereit, sein Leben für die Freiheit zu geben. Wie soll man also sagen, was das Wichtigste ist?“
Am vergangenen Freitag starb Edelmann im Kreise seiner Freunde in Warschau.
Weitere Artikel der Serie
- Der polnische Untergrundstaat 1939-1945 (14. September 2015)
- Dossier: Der Zweite Weltkrieg und Polen (25. August 2014)
- Jan Karski – Diplomat und Widerstandskämpfer (10. Februar 2014)
- Holocaust: Die deutsche Ordnungspolizei, der mordende Freund und Helfer (17. Juli 2013)
- Polen: Gedenkfeiern zum 70. Jahrestag des Massakers von Wolhynien (15. Juli 2013)
- Vor 70 Jahren: Beginn des Aufstands im Warschauer Ghetto (19. April 2013)
- Polen: Kritik am ZDF-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ (27. März 2013)
- Holocaust: Poklosie-Ein Film rüttelt am Geschichtsbild der Polen (27. Januar 2013)
- Warschauer Getto: Am 22.Juli 2012 beginnt die Auflösung (23. Juli 2012)
- Polen: Neues Buch von Jan Tomasz Gross erregt die Gemüter (11. März 2011)
- Polen: Wielun, der vergessene Kriegsbeginn (1. September 2010)
- Der Warschauer Aufstand 1944 (5. August 2010)
- Marek Edelmann ist tot (5. Oktober 2009)
- Teufelswerk: Der Hitler-Stalin-Pakt (1. September 2009)
- Die polnischen Opfer (1. September 2009)
- Polen im 2. Weltkrieg (1. September 2009)
- Der 1.September 1939 (1. September 2009)
- Gehalten bis zum letzen Tag – Das KZ Stutthof (13. Januar 2009)
- Auschwitz – Grauen ohne Worte (2. Januar 2009)
- Zum Scheitern verurteilt–Die Freie Stadt Danzig (30. Dezember 2008)